Keine „millionenfache Weitergabe“
Die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste beim Ausspähen von Daten ist enger als bisher bekannt. Die Präsidenten von Verfassungsschutz und Auslandsgeheimdienst BND bestätigten am Wochenende, dass ihre Behörden eine Spähsoftware des US-Nachrichtendienstes NSA verwenden. Sie bestritten aber die massenhafte Weitergabe der gewonnenen Daten.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz teste das Programm, setze es aber „derzeit“ nicht für seine Arbeit ein, sagte Präsident Hans-Georg Maaßen der „Bild am Sonntag“. Es treffe nicht zu, dass seine Behörde damit „in Deutschland Daten erhebt und an die USA weiterleitet oder von dort Daten erhält“.
BND-Präsident Gerhard Schindler räumte hingegen ein, dass der Auslandsgeheimdienst in Einzelfällen Datensätze an die NSA übermittelt hat. „Im Jahr 2012 wurden zwei einzelne personenbezogene Datensätze deutscher Staatsbürger, die nach dem G-10-Gesetz erhoben wurden, an die NSA übermittelt“, sagte er dem Blatt. „Eine millionenfache monatliche Weitergabe von Daten aus Deutschland an die NSA durch den BND findet nicht statt.“
XKeyscore als „ergiebiges Spionagewerkzeug“
Der „Spiegel“ berichtet unter Berufung auf geheime Unterlagen der National Security Agency, dass BND und Verfassungsschutz eine NSA-Spähsoftware einsetzen, die neben Verbindungsdaten zumindest teilweise auch Kommunikationsinhalte darstellen kann. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei vor allem deshalb mit dem Programm XKeyscore ausgerüstet worden, „um dessen Fähigkeiten auszubauen, die NSA bei der gemeinsamen Terrorbekämpfung zu unterstützen“. Der BND solle den Inlandsgeheimdienst im Umgang damit unterweisen.
Das System sei einer internen NSA-Präsentation vom Februar 2008 zufolge ein ergiebiges Spionagewerkzeug, heißt es in dem „Spiegel“-Bericht. Ausgehend von Verbindungsdaten („Metadaten“) lasse sich darüber beispielsweise rückwirkend sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Suchmaschinen eingegeben haben. Zudem sei das System in der Lage, für mehrere Tage einen „full take“ aller ungefilterten Daten aufzunehmen.
Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ analysiert der Verfassungsschutz mit Hilfe von XKeyscore testweise bereits vorhandene Daten aus der Telekommunikationsüberwachung nach dem G-10-Gesetz. Sollte das Bundesamt XKeyscore tatsächlich einsetzen, dann auf einem Stand-alone-Rechner, der also keinerlei Verbindung zum Internet habe, heißt es in dem Bericht. Daten, die die Telekommunikationsunternehmen dem Verfassungsschutz übermitteln, würden in diesen Rechner geleitet und dort analysiert.
Verfassungsschutz: Software nur getestet
Vom deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kam am Sonntag die Entgegnung zu den Berichten. Das Amt bekräftigte in einer Erklärung, dass es eine Spähsoftware des US-Geheimdienstes NSA zwar teste, aber derzeit nicht für ihre Arbeit einsetze. Ferner wurde betont, das BfV erhebe in Deutschland mit dem Programm keine Daten. Es leite damit außerdem weder Daten an die USA weiter noch erhalte es welche von dort. All das sei auch nicht beabsichtigt. Die Software ermögliche dem Verfassungsschutz eine Analyse von Daten, die bereits im Einklang mit dem bestehenden Recht erhoben worden seien. „Bei seiner Zusammenarbeit mit der NSA hält sich das BfV strikt an seine gesetzlichen Befugnisse“, hieß es in der Erklärung.
„Waren sehr offen zu unseren Freunden“
Bereits zuvor hatten sich die Hinweise auf eine Einbindung europäischer Nachrichtendienste in die Ausspähprogramme des US-Geheimdiensts NSA verdichtet. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bündelten die US-amerikanischen und europäischen Nachrichtendienste ihre Informationen und kooperierten US-Angaben zufolge in einer Art Pool-System. „Es gibt eine breite Zusammenarbeit zwischen befreundeten Nachrichtendiensten“, sagte Ex-NSA-Chef Michael Hayden in einem ZDF-Interview.
Die Kooperation wurde laut ZDF offenbar bei einem geheimen Treffen der US-Dienste mit den Chefs der europäischen Nachrichtendienste kurz nach den Anschlägen vereinbart. „Wir waren sehr offen zu unseren Freunden“, sagte Hayden. „Nicht nur in Deutschland, aber dort fand, glaube ich, das Treffen statt. Wir haben ihnen dargelegt, wie die Bedrohung aussah. Wir waren sehr klar darüber, was wir vorhatten in Bezug auf die Ziele, und wir baten sie um ihre Kooperation.“
Sollten diese Angaben zutreffen, wäre die Kooperation schon in der Zeit der rot-grünen deutschen Bundesregierung ausgeweitet worden. Hayden machte deutlich, dass er die Überraschung deutscher Politiker über die Enthüllungen des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden für unglaubwürdig hält. „Ich bin da mal sehr respektlos, okay? Das ist wie in dieser Filmszene aus ‚Casablanca‘, in der Polizeichef Renault informiert wird, dass in Rick’s Cafe Glücksspiel stattfindet.“
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