Themenüberblick

Große Träume mit kleinen AKW-Schiffen

Russland will in drei Jahren das erste schwimmende Atomkraftwerk präsentieren. Die „Akademik Lomonosow“ soll mit ihrer Mobilität und flexiblen Einsatzfähigkeit Energie, Wärme und Trinkwasser für schwer erreichbare Regionen liefern, so der Plan des staatlichen russischen AKW-Produzenten und -Betreibers Rosatom. Auch an den Einsatz in der Arktis ist offenbar gedacht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das „einzigartige Schiff“ soll 2016 in Betrieb gehen, wie der Chef der an der Entwicklung beteiligten Werft Baltic Plant, Alexander Wosnesenski, bei einer militärischen Schiffsmesse in St. Petersburg kürzlich mitteilte. Und die Pläne sind groß. Sollte sich die „Akademik Lomonosow“ bewähren, werden laut den Plänen die schwimmenden AKWs in Serienproduktion gehen, wie die russische Website RT berichtete. Russland als einer der weltweit wichtigsten Produzenten von schlüsselfertigen AKWs erhofft sich damit auch einen Startvorteil gegenüber Konkurrenten wie etwa Frankreich und den USA.

Eisbrecher als Grundlage

Die schwimmenden Energieversorger sollen Strom für große Industriekomplexe, Hafenstädte sowie für Öl- und Gasplattformen im Meer liefern. Bei der Technologie handelt es sich nicht um revolutionär Neues, man setzt auf Altbewährtes. Als Grundlage für die Konstruktion dient das Modell der atombetriebenen Eisbrecher, so die britische „Daily Mail“. Die darin befindlichen Reaktoren wurden weiterentwickelt. Auf den Eisbrechern funktionieren sie seit 50 Jahren reibungslos unter extremen Bedingungen wie etwa in der Arktis.

Das AKW-Schiff wird mit über 60 Personen besetzt sein, die für den reibungslosen Ablauf der Energieproduktion im Schichtbetrieb zuständig sein werden. Die Leistung soll den Verbrauch einer 200.000-Einwohner-Stadt abdecken können.

Auftrieb für unterentwickelte Regionen erhofft

Das AKW-Schiff hat allerdings keinen eigenen Antrieb und muss überall hingezogen werden, so die britische Zeitung weiter. Es kann ziemlich schnell und ohne große Mittel dort eingesetzt werden, wo es gebraucht wird. Sollte irgendwo die Energieversorgung länger gestört sein, könnte das AKW-Schiff eingesetzt werden, erklären die Hersteller die Vorzüge des „Eisbrechers ohne Eis“.

Die im Wasser schwimmenden AKWs sollen zuerst vor allem in unterentwickelten Regionen in Russland selbst zum Einsatz kommen. Vor allem im hohen Norden und im fernen Osten des Riesenlandes gilt die Energieversorgung als unterentwickelt und daher als Hemmschuh für Wirtschaftswachstum. Für den Export kann das AKW auch als Entsalzungsanlage umgebaut werden, wie RT berichtet.

Zahlreiche Länder sollen interessiert sein

Rund 240.000 Kubikmeter Frischwasser könnten so laut den Angaben der Produzenten täglich aus Meerwasser produziert werden. 15 Länder, darunter China, Indonesien, Malaysia, Algerien und Argentinien sollen bereits ihr Interesse an den schwimmenden AKWs bekundet haben. Die Hersteller betonen, um politischen Querelen bereits im Vorfeld zu begegnen, dass die AKW-Schiffe mit den Vorschriften der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) übereinstimmen und nicht zur Waffenproduktion verwendet werden können, wie RT berichtet.

Tsunami- und Unfallsicherheit geplant

Besonders wichtig sind bei den mobilen Atomkraftwerken die Sicherheitsbedingungen. So sollen sie laut den Herstellen auch einen Tsunami, wie etwa bei der Katastrophe in Japan, unbeschadet überstehen können. Auch Unfälle und Zusammenstöße mit anderen Schiffen, Plattformen und dem Ufer seien kein Problem und würden dem AKW keinen Schaden zufügen. Über Details, wie genau die Sicherheitsvorkehrungen aussehen, hüllt man sich ob der brisanten Materie und der Furcht, der Konkurrenz Informationen zukommen zu lassen, allerdings in Schweigen.

Umweltschützer sollen beruhigt werden

Der Reaktor soll nach etwa 40 Jahren einfach durch einen neuen ausgetauscht werden. In einer darauf spezialisierten Anlage sollen sie für die Wiederverwendung hergerichtet werden, geben sich die Produzenten auch in Sachen Recycling und Umweltschutz auf dem neuesten Stand, um Kritiker zu beruhigen. Die AKW-Schiffe sollen auch keine Gefahr für die Umwelt darstellen. Sie würden ja keine giftigen oder radioaktiven Substanzen bei ihrem Betrieb an die Umwelt abgeben.

Pläne seit mehr als einem halben Jahrzehnt

Das Projekt existiert bereits seit längerem. 2007 machte man sich in der Semasch-U-Boot-Fabrik in Sewerodwinsk bereits daran, die schwimmenden AKWs Wirklichkeit werden zu lassen. Offenbar mit wenig Erfolg. Nur ein Jahr später wanderten die Pläne zur Baltic Plant. Doch auch dort kam es zu Verzögerungen, da niemand das Projekt weiter finanzieren wollte. Erst im Dezember erhielten die Pläne von schwimmenden AKWs wieder Auftrieb. Mit der staatlichen russischen Rosatom fand man einen finanzkräftigen Partner. Seither gilt das AKW-Schiff wieder als Prestigeprojekt.

Links: