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Das hybride Hotel

Prominente wie Udo Lindenberg, Marcel Prawy, Greta Garbo, Coco Chanel, Boris Becker, Curd Jürgens und Warren Beatty haben es vorgemacht. Nun erkennen immer mehr Menschen außerhalb der VIP-Kreise den Charme, auf Dauer im Hotel zu wohnen - auch dank neuer Möglichkeiten.

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Die Vorteile liegen auf der Hand: täglicher Zimmerservice, ein rund um die Uhr verfügbarer Concierge, der sich um lästige Haushaltsaufgaben aller Art genauso kümmert wie um Theaterkarten - und nicht zuletzt die Garantie, dass man jederzeit unter Leute kommt, wenn man das will. Von exklusiven Annehmlichkeiten, die sich in einer normalen Wohnanlage kaum finden werden, wie etwa ein hoteleigenes Sternerestaurant, Swimmingpool, Fitness- und Spa-Bereich, gar nicht zu reden.

Verschiedene Modelle

Freilich muss man für diesen Luxus tief in die Tasche greifen - und das immer öfter nicht einfach als Dauermieter im Hotel, sondern als Eigentümer meist eines Appartements in den obersten Etagen eines Hotels oder in einem vom Hotel mitbetreuten Nebengebäude: Hotel-branded Residence (also etwa: Wohnsitz mit Hotelsiegel), Condominium Hotel (Hotel-Condo), Hybridhotel und serviciertes Wohnen lauten die Schlagworte für verschiedene Angebote, die im Detail voneinander abweichen.

Lobby des Hotel Sans Souci

Hotel Sans Souci Management GmbH/Gregor Titze

Eine Hotelwohnung im Wiener Sans Souci erreicht man über die von Philippe Starck designte Hotellobby

Während etwa Hotel-Condos nur für eine bestimmte Zeit - normalerweise maximal 60 bis 180 Tage jährlich - zur Eigennutzung zur Verfügung stehen und das restliche Jahr vom Hotel unter Gewinnbeteiligung des Miteigentümers vermietet werden dürfen, hat der Eigentümer einer Hotel-branded Residence uneingeschränkte Nutzungsrechte. „Hotel-branded Residences werden auf dem Markt besser angenommen“, erläutert Dan August Cordeiro, Begründer der Websiteplattform Hotelhomes.com, die Hotelwohnsitze rund um den Erdball präsentiert und vermittelt, im Interview mit ORF.at.

Dan August Cordeiro

Dan August Cordeiro

Dan August Cordeiro vermittelt Hotelwohnungen auf der ganzen Welt und sieht ein „exponentielles Wachstum“

„Trend in Europa später angekommen“

Generell sei Wohnen im eigenen Hotelpenthouse nicht neu - in dieser Ausformung allerdings schon, so Cordeiro. Als frühe Vorreiter nennt er das Four Seasons Place in Boston, das bereits 1985 diesen Weg beschritt, Amanpuri Villas in Phuket (1988) und in Europa das Kempinski Estepona in Spanien (1999). In Österreich wie generell in ganz Europa sei der Trend später angekommen als etwa in Asien, da es wesentlich mehr kleinere unabhängige Hotels als große Hotelketten gebe und die Marke eines Hotels in Europa einen geringeren Stellenwert als in den USA und Asien genieße. Außerdem mangle es an den europäischen Standorten häufig an Platz.

Derzeit hat Cordeiro auf seiner Plattform über 230 Objekte. Nahezu wöchentlich kämen neue Projekte hinzu: „Der Geschäftsbereich wächst exponentiell.“ Auf dem High-End-Sektor vor allem in Metropolen wie New York und London entstünden immer noch exklusivere Hotelprojekte - meist in jener Mischform, die neben dem klassischen Hotelangebot Hotel-branded Residences anbieten.

In Nah- und Fernost entwickle sich diese Mischform vor allem dank der dort expandierenden großen Hotelketten derzeit ebenfalls sehr gut, so der Experte. Parallel springen laut Cordeiro immer mehr kleinere Hotels auf den Zug. Diese vor allem brächten Designer wie Armani, Baccarat und Versace ins Boot, die folglich wie Hotelmarken als Aushängeschild fungierten.

„Wirtschaftlich notwendig geworden“

Mindestens hundert Hotels bieten in Österreich schon serviciertes Wohnen in diversen Mischformen an, sagt Klaus Ennemoser, Bundesobmann des Fachverbandes Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), im Gespräch mit ORF.at. Er erwähnt vor allem Modelle mit Teilzeitnutzungsrecht („Timesharing“ oder „Fractionals“). Sie stellen eine Zweitwohnsitzmöglichkeit abseits des luxuriösen High-End-Segments dar.

Ennemoser, selbst Hotelier, sieht einen deutlichen Trend und ein hohes Marktpotenzial in diesem Bereich. „Das wird sehr stark zunehmen“, ist er überzeugt. Hybridprodukte seien betriebswirtschaftlich notwendig geworden, da Banken anders als früher bei neuen Hotelprojekten mindestens 50 Prozent Eigenkapital einforderten.

Jeder soll profitieren

Sowohl Ennemoser als auch Cordeiro sehen eine Win-win-Situation: Touristische Bauträger finanzierten damit ihre Hotelprojekte, Käufer erhielten den vollen Hotelkomfort und könnten auf eine gute Kapitalanlage hoffen. Immer mehr neue Hybridhotels bzw. Hybridprodukte drängen auf den Markt, bestätigt auch der Geschäftsführer des WKÖ-Fachverbandes für Hotellerie, Matthias Koch, gegenüber ORF.at. Ein Hotel wie das jüngst im Wiener Palais Hansen eröffnete Kempinski etwa wäre anders nicht finanzierbar gewesen, so Koch.

Arbeitszimmer

Palais Hansen

Arbeitszimmer in einer Residenz im Wiener Palais Hansen Kempinski

Koch verweist in diesem Zusammenhang auch auf interessante Synergien zwischen klassischem Hoteldienstleistungs-Know-how und dem medizinischen Bereich. Er denkt, dass sich dieser Bereich in den nächsten Jahren stark entwickle - und vielleicht sogar „in der Breite ankommt“, sprich nicht nur für eine kleine, kaufstarke Minderheit finanzierbar ist.

Der Koch ist „zumietbar“

Doch wer ist die Klientel, wer wohnt in den Hotelwohnungen, was wird dafür bezahlt? Diskretion wird bei den Anbietern offensichtlich: Derlei Auskünfte sind eher dünn. Falkensteiner-Hotels setzen seit 2009 auf den Trend. Im Falkensteiner-Sprachgebrauch heißt es „Mixed-use-Konzept“: Es handelt sich derzeit um 64 Appartements auf dem Katschberg und 187 in Kroatien, wie Otmar Michaeler, CEO der Falkensteiner Michaeler Tourism Group, gegenüber ORF.at ausführt. Anspruch sei es gewesen, innovative Architekturkonzepte mit Hotelservices zu verbinden, die mittels Servicepauschale dazu erworben werden können, so Michaeler.

Das schließe mit der Zimmerreinigung, der Nutzung der Wellnessanlage und dem „zumietbaren Koch“ alles ein. Im Rahmen des Rückvermietungsmodells bestünden unterschiedliche Möglichkeiten - von einer Fixrendite bis zum tatsächlichen Profit Sharing. Michaeler nennt konkrete Zahlen: Die Verkaufspreise liegen demnach in Kroatien bei 215.000 Euro und auf dem Katschberg bei 307.800 Euro. Bei der Herkunft seiner Käufer spricht er von einem „bunten Nationalitätenmix“, auf dem Katschberg noch ausgeprägter als in Kroatien. Michaeler sieht zwar einen Trend zum servicierten Wohnen, plant jedoch derzeit keine Ausweitung des Konzepts. Zunächst müssten die Objekte alle verkauft werden.

„50 Prozent sind Österreicher“

Mit dem laufenden Verkauf zufrieden zeigt sich der Chef der Sans-Souci-Group, Norbert L. Winkelmayer, der im Dezember 2012 das kleinste Fünfsternehotel Wiens, das Sans Souci, mit 15 „hotel-serviced High-End-Residences“ eröffnete. Die im vierten und fünften Stockwerk und in den beiden Dachgeschoßen errichteten Luxuswohnungen sind zwischen 60 und 360 m2 groß. Der Quadratmeterpreis bewegt sich zwischen 8.500 und 17.000 Euro.

Sie seien zu 50 Prozent an Österreicher, zu 40 Prozent an Westeuropäer und zu zehn Prozent an Kunden aus dem Osten verkauft worden, gibt Winkelmayer an. Zu 50 Prozent handle es sich um Erstwohnsitze, ansonsten um Zweit-, Dritt oder Viertwohnsitze. Teilweise wollen die neuen Eigentümer ihre Hotelwohnung während ihrer Abwesenheit durch das Hotel an Langzeitmieter - das heißt an Gäste, die mindestens einen Monat bleiben - weitervermieten.

Concierge und Doorman fix gebucht

Fix im Hotelservice-Package dabei sind im Sans Souci der Concierge und der Doorman, dessen Hauptfunktion darin liegt, das Auto zu parken. Winkelmayer verweist auf das geltende Mietrechtsgestz, das serviciertes Wohnen in Österreich grundsätzlich erschwere. Anders als etwa in den USA könne man nicht so einfach einen Concierge in ein Wohnhaus setzen, da vermutlich nicht alle Mieter das mitfinanzieren würden. Ein eigener Hausportier ist demnach vor allem den Bewohnern von Hotelwohnungen vorbehalten.

Pool des Hotel Sans Souci

Hotel Sans Souci Management GmbH/Gregor Titze

Luxus im Keller: Der Swimmingpool mit Kristallleuchtern im Sans Souci

„Investoren in der Minderheit“

Im ebenfalls jüngst eröffneten Hotel Kempinski im monumentalen Ringstraßenpalais Hansen am Wiener Schottenring wurden ursprünglich 17 Wohnungen in den beiden Dachgeschoßebenen zum Verkauf angeboten. Teilweise wurden diese Einheiten zusammengelegt, es entstanden dadurch Wohnbereiche bis zu 500 m2. Ein Großteil der Wohnungen ist laut Bernarda Nour, die bei Strauss & Partner Development für die Entwicklung und Verwertung der Wohnungen im Palais Hansen verantwortlich ist, bereits verkauft.

Informationen zu den künftigen Bewohnern werden besonders diskret behandelt: Weder über Herkunft („sehr gemischt um den Erdball“) noch über den Verkaufspreis konnte Nour gegenüber ORF.at Auskunft geben. Jeder Neo-Eigentümer würde seine Wohnung nach eigenen Wünschen einrichten, insofern könne nicht von hotel-branded Residences gesprochen werden, so Nour. Reine Investoren befänden sich in der Minderheit. Die meisten Eigentümer würden die Residenzen selbst bewohnen - zumindest für eine gewisse Zeit. Der Eigentümer könne die Residenz aber jederzeit über das Hotel weitervermieten lassen, so Nour: „Das wird bei einigen auch der Fall sein.“

Der Briefträger muss draußen bleiben

Hotelservice wird im Kempinski von den Eigentümern zusätzlich gebucht - und bezahlt. Darin sieht Nour einen „Luxus, es (das Service, Anm.) zur Verfügung zu haben, aber nicht in Anspruch nehmen zu müssen, wie zum Beispiel tägliches Housekeeping“. Worum es in den beiden genannten Beispielen - Sans Souci und Kempinski - beim Hotelservice vor allem auch geht, wird in den Interviews mit Winkelmayer und Nour deutlich: um das ausgeklügelte Sicherheitssystem, das das Hotel seinen diskreten Gästen gewährt. Oder wie Nour es auf den Punkt bringt: „Kein Briefträger hat Zutritt.“

Doris Manola, ORF.at

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