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Flughafen Herausforderung für Piloten

Die genaue Ursache der Bruchlandung einer Boeing 777 in San Francisco ist zwar weiter ungeklärt, doch mehren sich die Hinweise auf diverse Sicherheitsmängel. Bei dem Unglück am Samstag kamen zwei junge Chinesinnen ums Leben. Eines der beiden 16-jährigen Mädchen wurde offenbar von einem Rettungswagen überfahren.

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Asiana Airlines räumte nun ein, dass sich der an sich „sehr erfahrene“ Pilot der Unglücksmaschine erst in Ausbildung für die Boeing 777 befand. Der 46-jährige Flugkapitän habe 43 Stunden Erfahrung mit diesem Flugzeugtyp. Er habe zuvor eine solche Maschine neunmal gelandet, allerdings noch nie zuvor in San Francisco, und sei mit insgesamt mehr als 9.000 Flugstunden sehr erfahren, sagte eine Asiana-Sprecherin am Montag in Seoul. Außerdem habe er einen erfahrenen Ausbilder als Kopiloten zur Seite gehabt.

Zunächst hatte es noch geheißen, dass es sich bei den vier Piloten, die sich während des zehnstündigen Einsatzes abwechselten, um ausschließlich erfahrene Flugzeugführer handelte. Es war unklar, ob der Hauptverantwortliche im Cockpit, der auf 3.220 Flugstunden mit der Boeing 777 zurückblicken kann, in letzter Sekunde das Steuer übernehmen wollte.

Wrack der Passagiermaschine

Reuters/Jed Jacobsohn

Das nach der Bruchlandung ausgebrannte Wrack

Beim Landeanflug zu langsam

In einem vorläufigen Bericht der US-Behörde für Verkehrssicherheit (NTSB) von Sonntagabend hieß es, das Flugzeug sei im Landeanflug deutlich zu langsam - unter den notwendigen 253 Kilometern pro Stunde - gewesen, so dass ein Warnsignal ausgelöst worden sei. Eineinhalb Sekunden vor dem Aufprall habe die Mannschaft durchstarten wollen, sagte Leiterin der Flugunfalluntersuchungsbehörde der USA, Deborah Hersman, am Sonntagabend. In einem Amateurvideo ist zu sehen, dass das Flugzeug sehr tief anflog.

Kurz vor dem Aufprall hob sich die Nase beim Versuch, wieder an Höhe zu gewinnen. Dann prallte das Heck gegen eine Flughafenmauer. Das Flugzeug schleuderte über die Rollbahn und geriet in Flammen. Der vorläufigen Auswertung des Flugschreibers zufolge forderte ein Mitglied der Cockpitbesatzung sieben Sekunden vor der fatalen Bruchlandung, die Fluggeschwindigkeit zu erhöhen.

Technischer Defekt unwahrscheinlich

Hersman wollte aber nicht von einem Pilotenfehler sprechen. Dafür habe ihre Mannschaft in der Kürze der Zeit noch nicht genügend Erkenntnisse gesammelt. Der Mitschnitt der Funkaufnahmen aus dem Cockpit gebe keinen Anlass zu glauben, dass die Maschine einen technischen Defekt gehabt habe. Das 2006 gekaufte Flugzeug war den Angaben zufolge Anfang Juni wegen eines Öllecks an einem Triebwerk in Reparatur.

Asiana-Chef Yoon Young Doo sagte am Sonntag, die Unglücksmaschine habe nach bisherigen Erkenntnissen „keine Motor- oder mechanischen Probleme“ gehabt. Auch dass ein wichtiges Navigationssystem am Boden abgeschaltet gewesen war, hätte nicht zu dem Absturz beitragen dürfen, sagte Hersman. Es sei wegen des guten Wetters nicht notwendig gewesen.

„Stabilisierter Flug kaum mehr möglich“

Wegen Umbauarbeiten auf dem internationalen Airport sind dort schon seit einigen Wochen mehrere Sicherheitssysteme für den Landeanflug außer Betrieb. Hersman erklärte, Ermittler überprüften, welche Rolle ein Fehlen der Gleitweganzeige bei dem Unglück gespielt habe. „Ein stabilisierter Anflug in San Francisco ist eigentlich kaum mehr möglich gewesen“, wird der Kapitän einer deutschen Airline, der San Franciso regelmäßig anfliegt, im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (Onlineausgabe) zitiert: „Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert.“

Luftaufnahmes der Landebahn und des Flugzeugwracks

Reuters/Jed Jacobsohn

Die Landebahn von San Francisco

Betroffen von der Störung sei nicht nur die Gleitweganzeige des Instrumentenlandesystems, eine Art elektronischer Leitstrahl, an dem die Maschinen heruntergeführt werden. Auch der Precision Approach Path Indicator (kurz PAPI) und die Anflugbefeuerung, die dem Piloten hilft, den richtigen Anflugwinkel zu finden, stehen laut „Spiegel“ derzeit nicht zur Verfügung. Strittig ist, ob der PAPI-Ausfall erst nach der Bruchlandung oder bereits zuvor eingetreten war, wie aus zahlreichen Pilotenkommentaren, die das US-Magazin „Atlantic“ zitiert, hervorgeht.

Geringe Abweichungen als Landerisiko

Was bisher vom Unfallhergang der Asiana-Boeing bekannt sei, passe genau in das Bild eines solchen „unstabilisierten Anflugs“, erklärte der Pilot im „Spiegel“-Interview. Alle drei Systeme seien für schwere Langstreckenflugzeuge wichtig. Wenn diese Maschinen sich mit ihrem Gewicht der Landebahn näherten, könnten schon geringe Abweichungen im Anflugwinkel für ein hartes Aufsetzen der Maschine sorgen.

Flugschreiber

Reuters/US-Flugaufsicht

Aufschluss wird nun von den bereits geborgenen Flugschreibern erwartet

„Anspruchsvoll“, aber „nicht gefährlich“

Trotz der Abschaltung eines der Flugleitsysteme hätte der Pilot der Unglücksmaschine das Flugzeug sicher landen können, sagte hingegen Martin Locher, ein Sprecher der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit, am Montag in Frankfurt am Main der Nachrichtenagentur AFP. Das sei in der Regel „nicht dramatisch“, sagte Locher. Es gebe noch andere Instrumente zur Höhenmessung im Cockpit.

Auch Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung (DFS) betonte, ein Pilot müsse auch das Fliegen auf Sicht bewältigen können. „Wenn er zu tief ist, muss ein Pilot durchstarten.“ Das sei ein gängiges Verfahren. Locher betonte zugleich, dass San Francisco ein „anspruchsvoller Flughafen“ sei mit sehr vielen Anflügen, die eng gestaffelt würden. Das sei stressig, aber in der Regel „nicht gefährlich“.

Nicht erstes Asiana-Unglück

Die Boeing 777 ist eines der meist genutzten Langstreckenflugzeuge der Welt. Asiana Airlines, die zweitgrößte Fluggesellschaft Südkoreas, gilt als zuverlässig. Die 1988 gegründete Fluggesellschaft gehört zum Bündnis Star Alliance. Sie hat in ihrer 25-jährigen Firmengeschichte zwei Maschinen durch Abstürze verloren. Die zweistrahlige Boeing 777 wird seit 18 Jahren vor allem auf Langstreckenflügen eingesetzt und gilt als eines der sichersten Flugzeuge.

Der Absturz von San Francisco war der erste tödliche Zwischenfall mit einer Maschine dieses Typs. Unter Luftfahrtexperten genoss bisher nicht nur der Flugzeugtyp, sondern auch die als besonders sicher eingestufte Asiana einen guten Ruf. Laut dem Hamburger Luftfahrtexperten Cord Schellenberg habe man „es mit einer sehr guten Fluggesellschaft, einem sehr guten Flughafen und einem sehr guten Flugzeug zu tun.“ Der Flug sei klassisches Tagesgeschäft gewesen.

„Häufig Verkettung vieler Umstände“

Ein Flugzeugunglück ist nach Einschätzung von Schellenberg häufig die Folge einer Verkettung mehrerer Umstände. Oft sei ein Zusammenspiel von menschlichem und technischem Versagen die Ursache, so Schellenberg laut dpa. Der Vizepräsident des Luftfahrt-Presse-Clubs, warnte bezüglich der Ursachenforschung zudem vor zu schnellen Schlüssen: Diese seien „meistens falsche Schlüsse.“ Es dauere erfahrungsgemäß Wochen und Monate, bis die Gründe für einen Unfall feststünden.

Die Unglücksmaschine war in Schanghai gestartet und nach einem Zwischenstopp in Seoul nach San Francisco geflogen. An Bord waren 291 Passagiere und 16 Besatzungsmitglieder. Mehr als 180 Insassen des Großraumflugzeuges wurden verletzt. 30 Menschen liegen immer noch im Krankenhaus. Acht schweben in Lebensgefahr, zwei von ihnen sind wegen Verletzungen der Wirbelsäule querschnittsgelähmt. Eines der beiden getöteten 16-jährigen Mädchen wurde offenbar von einem Rettungswagen überfahren. Nach US-Medienangaben deuteten die Verletzungen darauf hin. Eine Obduktion soll die Todesursache bei beiden klären.

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