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Rund 1.400 Zulieferbetriebe betroffen

Der Konkurs des Salzburger Bauunternehmens Alpine Bau GmbH könnte Tausende Menschen in Österreich den Job kosten. Das Sozialministerium schöpfe derzeit alle möglichen Mittel aus, so Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Mittwoch.

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Laut aktuellem Stand seien 4.905 der rund 7.500 Mitarbeiter des Salzburger Baukonzerns Alpine in Österreich von der Insolvenz betroffen, sagte Hundstorfer. Er gehe davon aus, dass die betroffene Anzahl der Mitarbeiter knapp unter 5.000 bleibe, auch wenn bei einer Alpine-Tochter noch weitere Jobs wackelten. Im In- und Ausland beschäftigt die Alpine rund 15.000 Arbeitnehmer.

Offene Forderungen werden eruiert

Hundstorfer sicherte den Betroffenen erneut die volle Unterstützung zu. Was das Ministerium an Reparaturmaßnahmen einleiten konnte, sei eingeleitet worden. Die Ansprüche für die Alpine-Angestellten seien bis Ende Mai beglichen worden, jene für die Arbeiter bis Mitte Juni. Die Alpine-Mitarbeiter seien nach der Insolvenzeröffnung am Mittwochnachmittag 30 Tage lang vor Kündigungen geschützt. Nun gelte es, die Höhe der offenen Forderungen zu eruieren, so Hundstorfer, der zudem versprach, alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente einzusetzen.

Eine Unbekannte sei noch die Anzahl der betroffenen Zulieferfirmen, die je nach Abhängigkeit von der Alpine selbst in die Insolvenz schlittern könnten, so Hundstorfer. Die Außenstände der Alpine-Zulieferer weisen laut Hundstorfer einen zweistelligen Millionenbetrag auf. Finanzierungsprobleme für laufende Baustellen sind laut dem Sozialminister lösbar.

„Nicht so große“ Effekte auf den Arbeitsmarkt

Experten erwarten keinen großen Effekt auf den Arbeitsmarkt. Ein Großteil der Facharbeiter werde gegebenenfalls von anderen Baufirmen übernommen, sagte Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer des Fachverbands Bauindustrie in der WKÖ, Mittwochnachmittag zur APA. Auch Helmut Hofer, Ökonom des Institutes für Höhere Studien (IHS), erwartet „nicht so große“ Effekte auf den Arbeitsmarkt.

Anders sieht es bei den Zulieferbetrieben aus. Es werde „einige“ Folgekonkurse im Baunebengewerbe (Bauschlosser, Glaser, Tischler, Haustechnik) geben, meint Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel. Laut Alpine-Zentralbetriebsratschef Hermann Haneder hat die Alpine rund 1.300 Zuliefererunternehmen, davon etwa 300 in Niederösterreich. In der ZIB2 sagte Hundstorfer, es gehe um rund 1.400 Zulieferbetriebe. Be ihnen gehe es um die Höhe der Abhängigkeit von der Alpine.

Vier Bundesländer besonders betroffen

Die Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich, die Steiermark und Wien sind laut AMS-Vorstand Johannes Kopf von der Pleite besonders stark betroffen - genaue Zahlen dazu gebe es aber noch nicht. Ein Drittel der Alpine-Mitarbeiter seien Angestellte, zwei Drittel Arbeiter. Kopf geht davon aus, das ein Teil der 4.905 Alpine-Mitarbeiter arbeitslos wird. Die von Hundstorfer bereits in Aussicht gestellte Einrichtung von Arbeitsstiftungen, die neben dem AMS auch von den Bundesländern finanziert werden, seien sehr wahrscheinlich, so Kopf.

Eine Beitragssenkung für den Insolvenzentgeltfonds (IEF), wie vom Koalitionspartner ÖVP gefordert, schloss Hundstorfer am Mittwoch aus. Die Belastungen für den IEF umriss der Sozialminister wie schon der IEF-Chef Wolfgang Pfabigan mit einem zweistelligen Millionenbetrag. Der Fonds werde zu Jahresende im Plus sein, aber geringer als geplant. „Die Mittel sind gesichert“, so Pfabigan am Mittwoch im Gespräch mit der APA.

Mitterlehner hofft auf Weiterbeschäftigung

Als „Glück im Unglück“ sieht Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), dass die Insolvenz in den Sommermonaten stattfindet. Angesichts der offenen Baustellen steige nämlich so die Chance für Übernahmen und damit auch für die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter, so Mitterlehner ebenfalls am Rande des ÖGB-Kongresses auf Anfrage der APA.

Porr signalisiert Interesse

Österreichs größter Baukonzern STRABAG hat kein Interesse an der Alpine. „Wir haben kein Interesse und führen daher auch keine Gespräche“, sagte STRABAG-Sprecherin Diana Neumüller-Klein am Mittwoch Reuters. Eine Übernahme von Teilen der Alpine Bau wäre kartellrechtlich problematisch, fügte sie hinzu.

Eine Lösung für einen Teil der Alpine-Mitarbeiter bietet hingegen der Baukonzern Porr an. Dort kann man sich vorstellen, bis zu 4.500 Mitarbeiter von der Alpine in Österreich zu übernehmen. Allerdings müsse jetzt alles sehr schnell gehen, damit die Alpine und ihre derzeit laufenden Aufträge nicht an Wert verlieren - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Erste Gläubigerverhandlung Anfang September

Das Insolvenzverfahren über die Alpine Bau GmbH wurde am Mittwochnachmittag am Handelsgericht Wien eröffnet, teilten die Kreditschutzverbände Alpenländischer Kreditorenverband (AKV), Creditreform und Kreditschutzverband von 1870 (KSV) der APA mit. Zuvor war ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt worden. Die Fortführung des Unternehmens und die Sanierung werden demnach beabsichtigt. Zum Masseverwalter wurde der Wiener Rechtsanwalt Stephan Riel bestellt.

Die erste Gläubigerversammlung findet am 4. Juli statt. Betroffene Gläubiger - Unternehmen und Lieferanten - können ihre Forderungen bis zum 16. August anmelden. Die erste Prüfungs- und Berichtstagsatzung findet am 29. August statt. „Am 12. September folgt die Sanierungstagsatzung - da soll über das Konzept abgestimmt werden“, sagte KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner zur APA.

Deutsche Tochter insolvent

Auch die deutsche Tochter ist insolvent. Der Vorstand habe am Mittwoch beim Amtsgericht Landshut die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt, teilte die Alpine Bau Deutschland AG mit. Die Alpine Bau Deutschland AG war unter anderem für den Bau der Münchner Allianz Arena verantwortlich und ist beim Bahnprojekt Stuttgart 21 beteiligt. Sie hat 1.500 Mitarbeiter und erzielte 2012 einen Umsatz von rund 600 Millionen Euro. Sie soll saniert werden, sagte Vorstandsvorsitzender Frank Jainz. Zum vorläufigen Sachwalter sei der Wirtschaftsprüfer Arndt Geiwitz bestellt worden.

Eine der größten Pleiten Österreichs

Die Alpine-Insolvenz ist eine der größten Pleiten der Zweiten Republik und könnte vom Volumen der Verbindlichkeiten her alles bisher Dagewesene übertreffen. Der KSV, der AKV und die Creditreform arbeiten an der genauen Ermittlung der Außenstände. Einer ersten groben Schätzung der Kreditschützer zufolge erreichten die Gesamtpassiva rund 2,6 Mrd. Euro, sagte Peter Stromberger von der Insolvenzabteilung des AKV am Mittwoch zur APA.

Die Aktiva liegen ersten Angaben zufolge bei 661 Mio. Euro. Daraus errechnet sich eine Überschuldung von 1,9 Mrd. Auf der Kreditorenliste stehen zudem rund 8.000 Gläubiger, sagte der AKV-Vertreter zur APA. Zuletzt hatte der Baukonzern laut APA bei seinen rund 50 österreichischen und internationalen Gläubigerbanken Kredite im Ausmaß von rund 450 Mio. Euro offen.

Heimische Banken haben vorgesorgt

Bank Austria und Erste Bank haben laut eigenen Angaben entsprechend vorgesorgt. Die Raiffeisen Bank International (RBI) ist demnach nicht besonders hoch betroffen. Den Gläubigern wird im Sanierungsplan der Alpine eine Quote von 20 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren, geboten.

Den bisher - mit Abstand - größten Konkurs in Österreich hatte die Konsum-Firmengruppe mit Passiva in der Höhe von rund 1,9 Mrd. Euro hingelegt. Dahinter folgten die A-Tec-Gruppe (rund eine Mrd. Euro) und der Maculan-Konzern (rund 800 Mio. Euro).

Auch Staat haftet

Die Republik Österreich hängt mit 150 Mio. Euro an Haftungen in der Alpine. Wie es mit den Haftungen weitergeht, bleibt laut Finanzministerium noch abzuwarten. „Das hängt von der Quote ab, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht feststeht“, hieß es dazu aus dem Büro von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) auf APA-Anfrage knapp. Gemäß der angebotenen Sanierungsquote dürfte der Steuerzahler 120 Mio. Euro verlieren, wenn nur 30 Mio. Euro von der Alpine zu holen sein sollten.

Die Haftungen des Bundes werden von der Kontrollbank (OeKB) abgewickelt. Die Republik steht laut Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz (ULSG) für zwei Konsortialkredite österreichischer Institute in Höhe von 300 Mio. Euro im Ausmaß von 50 Prozent gerade.

Schwache Baukonjunktur und Verzögerungen

Die Alpine, der zweitgrößte Baukonzern Österreichs, war im vergangenen Jahr unter anderem wegen der schwachen Baukonjunktur und Verzögerungen bei wichtigen Projekten in Schieflage geraten. Allein bei ihren Anleihegläubigern steht die Alpine mit 290 Millionen Euro in der Kreide. Die Alpine erzielte im Vorjahr eine Bauleistung von 3,2 Mrd. Euro (2011: 3,62 Mrd. Euro) und erlitt dabei einen Verlust vor Steuern in Höhe von 449,7 Mio. Euro. Im ersten Quartal 2013 war das Ergebnis vor Steuern (EBIT) mit 90 Mio. Euro negativ und der Verlust damit fast doppelt so hoch wie im Sanierungsplan vorgesehen.

Dem vor wenigen Tagen angemeldeten Mehrbedarf von weiteren 400 Mio. Euro für den laufenden Restrukturierungsplan wollten die Geldgeber nicht mehr nachkommen. Vor allem die spanischen Banken sollen sich Beobachtern zufolge schließlich quergelegt haben. Eigentlich sollte die Alpine 2015 wieder in der Gewinnzone sein. Auch diese außergerichtliche Sanierung hätte bereits massive Einschnitte beim Personal gefordert, allerdings hauptsächlich im Ausland.

Erst im März hatte sich der Alpine-Konzern auf einen Rettungsplan mit seinen Gläubigern und der spanischen Mutter FCC geeinigt. Damals hatte FCC 250 Millionen Euro eingebracht, die Gläubiger hatten auf Forderungen über insgesamt 150 Millionen Euro verzichtet. Doch wegen des schleppenden Verkaufs der Tochter Alpine Energie, der Sanierungsbautochter Hazet und der Spezialtiefbau-Tochter hätte der Baukonzern zusätzliche Unterstützung benötigt. Von dem Verkauf der Töchter hatte sich die Alpine einem Insider zufolge einen Erlös von mehreren hundert Millionen Euro erhofft.

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