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Polizei zog sich in Rathaus zurück

Aus Protest gegen soziale Missstände und die hohen Kosten der Fußball-WM 2014 sind in Brasilien erneut Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. In Sao Paulo demonstrierten am Dienstagabend (Ortszeit) rund 50.000 Menschen, einige von ihnen plünderten Geschäfte und richteten Sachschaden an.

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Die Demonstranten marschierten von der Kathedrale der Stadt zum Sitz des Bürgermeisters. Einige von ihnen wollten sich Zugang zum Rathaus verschaffen. Zuvor hatten Randalierer Scheiben des Gebäudes eingeworfen. Die Polizei zog sich in das Gebäude zurück. Sie vertrieb die gewalttätigen Protestierenden schließlich mit Tränengas. Eine Gruppe von Randalierern setzte daraufhin in der Nähe einen Übertragungswagen des Fernsehens, ein Wachhäuschen der Polizei und eine Bankfiliale in Brand.

Feuerwehrleute beim löschen eines Brandes

AP/Agencia Brasil, Tania Rego

Geschäfte wurden in Brand gesteckt

Einsatz von Spezialkräften

Geschäfte wurden geplündert und verwüstet, die kürzlich renovierte Fassade der Oper mit Graffiti beschmiert. Das Justizministerium teilte mit, die dem Ministerium unterstellte Nationalgarde solle die Sicherheitskräfte in jenen Städten unterstützen, in denen derzeit der Confederations Cup, die Generalprobe für die Fußball-WM, ausgetragen wird.

Prügelei zwischen Demonstranten und Polizei

AP/Felipe Dana

In der Nacht kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen

Wie das Ministerium am Mittwoch weiter mitteilte, solle die Forca Nacional in der Hauptstadt Brasilia sowie in Rio de Janeiro, Fortaleza, Salvador de Bahia und Minas Gerais helfen, für Sicherheit bei den Spielen sorgen. Nach Angaben eines Ministeriumssprechers sei dieser Einsatz in der Sicherheitsplanung für das Turnier vorgesehen gewesen und stehe nicht in Zusammenhang mit den Massenprotesten, die das Land seit Tagen in Atem halten.

Der Großteil der Protestteilnehmer demonstrierte jedoch friedlich weiter. „Ich bin hier, um das ganze Geld zu fordern, das für die Stadien verwendet wird“, sagte die 18-jährige Studentin Alina Castro. „Ich will Bildung, Krankenhäuser und zumindest eine sauberere Stadt.“ In Anspielung auf den „arabischen Frühling“ rief ein Demonstrant: „Das ist der Anfang des tropischen Frühlings.“


Demonstranten mit Transparenten

AP/Nelson Antoine

Tausende demonstrierten friedlich

Fahrpreise sollen gesenkt werden

Staatspräsidentin Dilma Rousseff reiste am Dienstag kurzfristig nach Sao Paulo, wo die landesweite Protestwelle vor eineinhalb Wochen nach einer Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr begonnen hatte. Sie wollte Ex-Präsident Luis Inacio Lula da Silva sowie den ebenfalls ihrer Arbeiterpartei angehörenden Bürgermeister der Stadt, Fernando Haddad, treffen, wie die Onlineausgabe der Zeitung „Folha de Sao Paulo“ berichtete. Bei den Gesprächen sollte es demnach um eine Verringerung der Fahrpreise für Bus, U-Bahn und Züge gehen.

Rousseff hatte auch Verständnis für die Proteste gezeigt. Die „Stimmen der Straße müssen gehört werden“, sagte sie. Brasilien sei binnen zehn Jahren zur siebentgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen, weshalb die Bürger nun „mehr verlangen und ein Recht auf mehr haben“.

250.000 gingen auf die Straße

Auch in etwa 30 kleineren Städten fanden Demonstrationen statt. In Sao Goncalo in der Nähe von Rio de Janeiro gingen 5.000 Menschen auf die Straße, im nordöstlichen Juazeiro do Norte etwa 8.000 Menschen. Größere Proteste werden für Donnerstag erwartet, insbesondere in Rio de Janeiro. Am Montag hatten in Brasilien mehr als 250.000 Menschen demonstriert, davon rund 100.000 in Rio.

Porto Alegre, Recife und andere Großstädte kündigten infolge der Proteste bereits Fahrpreissenkungen an. Ein weiterer Aufreger sind die hohen Kosten für die Fußball-WM im kommenden Jahr, die mit umgerechnet elf Milliarden Euro veranschlagt werden. Derzeit findet in Brasiliens Fußballstadien der Confederations Cup statt, der als Generalprobe für die Fußball-WM im kommenden Jahr gilt. Außer den Fußballturnieren stehen in Brasilien weitere Großereignisse wie die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro an. Mehrere Spieler der brasilianischen Nationalmannschaft und ihr Trainer Luiz Felipe Scolari erklärten sich solidarisch mit friedlichen Demonstranten, die für ein besseres Brasilien protestieren.

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