Soll jedem Haushalt 545 Euro bringen
Transatlantisches Mammutprojekt für mehr Wohlstand und Arbeitsplätze: Die Europäische Union und die USA beginnen Verhandlungen über die größte Freihandelszone der Welt. Die erste Gesprächsrunde könne bereits im Juli starten, kündigte die EU-Spitze am Rande des G-8-Gipfels in Nordirland an.
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Der Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll vor allem für mehr Wachstum und Arbeitsplätze sorgen. Die Freihandelszone wäre mit 800 Millionen Einwohnern so groß wie keine andere auf der Welt. Jeder Haushalt könne mit 545 Euro per anno profitieren. „Vor zwei Jahren hätte kaum jemand gewettet, dass die USA und Europa in der Lage sein werden, diese transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) in Angriff zu nehmen“, sagte EU-Kommissionschef Jose Manuel Durao Barroso.
Voller Zuversicht über einen erfolgreichen Abschluss zeigte sich US-Präsident Barack Obama. „Wir schaffen neue Arbeitsplätze und neues Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks“, sagte er. „Wir handeln jedes Jahr mit ungefähr einer Billion US-Dollar in Waren und Dienstleistungen. Und wir investieren fast vier Billionen Dollar in die jeweils andere Volkswirtschaft.“
Wirtschaftskraft von USA und EU
Im Jahr 2013 beträgt das geschätzte BIP der USA 14,99 Billionen Dollar, jenes der EU 17,58 Billionen Dollar. Das BIP pro Kopf der USA beläuft sich auf 48.820, das der EU auf 32.590 Dollar. Die Arbeitslosenquote in den USA ist mit 7,7 Prozent etwas niedriger als jene der gesamten EU (11,1 Prozent).
400.000 neue Arbeitsplätze möglich
Laut EU-Berechnungen könnte ein Freihandelsabkommen für die EU einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 120 Mrd. Euro pro Jahr und 400.000 neue Arbeitsplätze bedeuten. Jeder einzelne Haushalt profitierte damit in Höhe von 545 Euro pro Jahr. Die EU und die USA stehen gemeinsam für fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung. Rund ein Drittel der globalen Handelsströme entfallen allein auf sie. Jeden Tag werden etwa zwei Mrd. Euro in Gütern und Dienstleistungen zwischen beiden Seiten ausgetauscht. Unterschiedliche technische Normen, Sicherheitsstandards und Wettbewerbsvorschriften schränken den Handel jedoch ein.
Wann das geplante Freihandelsabkommen steht, ist noch unklar. „Ich kann nicht genau sagen, wie lange die Verhandlungen dauern werden“, räumte Barroso ein und sprach von einigen Jahren. Ursprünglich war von 2015 die Rede gewesen. Obama sprach im Fernsehsender CNN im Rahmen einer Liveübertragung einer Pressekonferenz in Lough Erne in Nordirland davon, dass die USA und die EU ihre Anstrengungen in Richtung Handelsabkommen nicht verkleinern dürften.
Weg erst kürzlich freigemacht
Der Weg für die bilateralen Gespräche war erst unmittelbar vor dem G-8-Gipfel frei gemacht worden. Die zuständigen EU-Minister beschlossen nach längerem Streit eine gemeinsame Verhandlungsbasis mit den USA. Frankreich setzte sich dabei mit der Forderung durch, Film, Musik und andere Medien aus den Verhandlungen zunächst auszuschließen. Paris fürchtet, dass seine Kulturindustrie Nachteile etwa gegenüber Hollywood in Kauf nehmen müsste, wenn beim Abschluss eines Freihandelsabkommens Subventionen wegfallen.
„Damit wurden rote Linien gezogen, die die Atmosphäre unnötig belasten und zu Gegenforderungen führen könnten. Für die Befürworter des transatlantischen Freihandels“, kommentierte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) und sprach von einem Wermutstropfen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehört seit langem zu den großen Befürwortern der Verhandlungen. „Unsere Erfahrungen sind, dass überall dort, wo wir solche Abkommen haben, Wachstum entsteht, Handel und Wandel beflügelt werden“, sagte sie in ihrer jüngsten Videobotschaft.
Studie: Vor allem USA würden profitieren
Schwierige Verhandlungen werden erwartet, die auf unterschiedlichen Vorschriften und Gesetzen beruhenden Handelshemmnisse zu beseitigen. Deren Wirkung ist in vielen Fällen so groß wie Zölle zwischen zehn und 20 Prozent. Strittig zwischen den USA und der EU ist insbesondere der Agrarbereich, wo auch die Regeln für die Einfuhr von gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmitteln vereinheitlicht werden müssten.
Nach einer von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebenen Studie würden von einem umfassenden Freihandelsabkommen vor allem die USA profitieren. Dort würden 1,1 Millionen Arbeitsplätze entstehen, das Pro-Kopf-Einkommen stiege um gut 13 Prozent, heißt es in der Untersuchung des ifo-Instituts. In den 27 EU-Mitgliedsstaaten könnte das reale Pro-Kopf-Einkommen lediglich um durchschnittlich fünf Prozent höher ausfallen. Deutschland (4,7 Prozent) würde etwas weniger profitieren.
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