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Vom „Supermann“ zum Buhmann

Für seine Anhänger ist Mahmud Ahmadinedschad der gefeierte Führer einer neuen politischen Welle im Iran. Für seine Kritiker ist er der Auslöser der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Krise. Im August endet seine Ära.

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Bei der Präsidentenwahl 2005 sorgte der bis dahin wenig bekannte Ahmadinedschad für eine große Überraschung. Er siegte haushoch gegen einen der mächtigsten Männer des Landes, Akbar Haschemi Rafsandschani. Er wurde Führer der „Dritten Welle“, einer Alternative zu den zwei klassischen Fraktionen der Konservativen und Reformer. Vier Jahre später wurde er wiedergewählt, erneut mit deutlichem Vorsprung, obwohl diese Wahl von Vorwürfen der Manipulation überschattet war.

Von Atomstreit geprägt

In seiner achtjährigen Amtszeit sorgte der 56-jährige Bauingenieur für sehr viel Furore, meist aber im negativen Sinne. Seine Anhänger jedoch, die meisten von ihnen mit islamistischen Ansichten, sehen in ihm einen Helden. Für sie wird er als Initiator des iranischen Atomprogramms in die Geschichtsbücher eingehen.

Iranischer Präsident Mahmoud Ahmadinejad

APA/AP/Hasan Sarbakhshian

Ahmadinedschad bei einer Rede in der Nuklearanlage von Natans im April 2007

Unter seiner Präsidentschaft wurde das Programm zur Urananreicherung auf fünf Prozent gestartet und später sogar auf 20 Prozent ausgeweitet. Trotz UNO-Sanktionen, die er als „Papierschnipsel“ abtat, wollte er „kein Iota“ von dem Atomprogramm abweichen. „Für seine Anhänger war diese Politik mutig und gewagt, den Iran trieb sie aber in den Ruin“, sagt ein Politologe in Teheran.

Hetzparolen Richtung Israel

Noch kontroverser als die Atompolitik war seine Einstellung gegenüber Israel. Zunächst sorgte er für internationale Empörung, als er die „Ausradierung“ Israels von der Landkarte des Nahen Ostens forderte. Danach bezeichnete er den Holocaust als „Märchen“ und organisierte eine Holocaust-Konferenz in Teheran, an der zahlreiche Antisemiten und auch Neonazis aus Deutschland teilnahmen. „Mit einer Hetzrhetorik das Land militärischen Drohungen (Israels) auszusetzen kann definitiv nicht die hohe Kunst der Diplomatie sein“, sagte der ehemalige Atomchefunterhändler Hassan Rouhani.

Volk hat „nichts vom Ölgeld gesehen“

Auch wirtschaftlich machte er große Versprechen. Mit einer Mischung von Eloquenz und Populismus spielte er sich als islamischer Robin Hood auf. Versprechen an die ärmeren Sozialschichten, etwa das Ölgeld direkt in ihre Stuben zu bringen, kamen bei diesen am Anfang auch gut an. „Nicht nur hat keiner etwas von dem Ölgeld gesehen, dank Robin Hood ist sogar ihr eigenes Geld jetzt nur noch die Hälfte wert“, sagt ein iranischer Journalist.

Am Anfang kam Ahmadinedschads Politik auch im Establishment gut an. Der Klerus und die konservative Mehrheit im Parlament standen geschlossen hinter dem Präsidenten und befürworteten sogar seine provokanten Aussagen gegenüber dem Ausland. Das änderte sich spätestens in seiner zweiten Amtsperiode. „Wir sind politisch und wirtschaftlich am Abgrund, so deutlich muss man das sagen“, sagte Mohsen Resaei, einer der unabhängigen Kandidaten in der Präsidentenwahl 2013.

Syrien als einer der letzten Verbündeten

Nicht nur der Westen, sondern auch die islamische und arabische Welt wandten sich zunehmend von ihm und dem Iran ab. Am Ende blieb nur Syrien übrig, das aber selbst in einem Bürgerkrieg versank. Ahmadinedschad investierte auch viel in seine sozialistischen „Brüder“ in Lateinamerika, insbesondere die Führer in Bolivien, Nicaragua und Venezuela. Die jedoch brachten den Iran weder wirtschaftlich noch politisch weiter. Auch die beiden islamischen Supermächte Ägypten und Türkei wollten von Ahmadinedschad nichts wissen.

Nun wurde im Iran die Präsidentschaftswahl ausgetragen, und Ahmadinedschad durfte laut Verfassung kein drittes Mal antreten. Sein Lieblingskandidat und Schwiegersohn seines Sohnes, Esfandiar Rahim Maschaei, wurde zur Wahl nicht zugelassen. Noch peinlicher war, als ihm in der Vorwoche eine Rede zum 24. Todestag des Revolutionsführers Ruhollah Chomeini untersagt wurde, obwohl das stets zum Protokoll gehört. Außerdem sagte keiner der Präsidentschaftskandidaten etwas Positives über ihn. Für sie war seine Abenteuerpolitik Auslöser der Krise im Land.

„Zweite Weltmacht hinter USA“

Nach Meinung von Beobachtern hat sich Ahmadinedschad zu sehr überschätzt. „Er hat ja mehrmals ernsthaft behauptet, dass der Iran unter seiner Führung die zweite Weltmacht hinter den USA sei“, sagt ein ausländischer Diplomat in Teheran.

Gestolpert ist er auch über seine Statistiken, besonders die wirtschaftlichen, die nach Angaben seiner Kritiker meistens nicht der Wahrheit entsprachen. Die Menschen werfen ihm leere Versprechen vor und kreiden ihm den wirtschaftlichen Druck an, dem sie ausgeliefert sind. „Die Karriere von Ahmadinedschad ist sehr einfach zusammenzufassen: gefeierter Supermann am Anfang, nicht mehr gewollter Buhmann am Ende“, sagt der iranische Journalist.

Farshid Motahari, dpa

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