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„Verständnis für Kundenzufriedenheit verloren“

Viele Konsumenten kennen das aus eigener Erfahrung: gerade ein neues Produkt gekauft, und schon ist es kaputt. Waren früher Waschmaschinen 15 Jahre im Einsatz, ist heute schon nach wenigen Jahren Schluss. Verbraucherschützer glauben nicht an Zufall und werfen Herstellern eine „geplante Obsoleszenz“, also die absichtliche Verringerung der Lebensdauer, vor.

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Minderwertige Kunststoffteile, falsch platzierte Kondensatoren in TV-Geräten, die rascher überhitzen, versteckt eingebaute Zählwerke in Druckerpatronen, die das Gerät nach einer bestimmten Laufzeit automatisch in den Ruhestand schicken – das sind nur einige Beispiele, die Stefan Schridde vom deutschen Verein „Murks? Nein Danke!“ bei einer Veranstaltung der Wiener Arbeiterkammer (AK) zum Thema „Gekauft und schon kaputt“ präsentierte.

3.000 Beschwerden über Manipulationen

In seinem Weblog ruft Schridde seit Februar 2012 dazu auf, vermutete oder tatsächliche Manipulationen zu melden. Bisher gingen über 3.000 Beschwerden ein. Dass viele Produkte so früh ihren Geist aufgeben, ist für Schridde alles andere als Zufall. Bei den Herstellern sei die Frage nach der Haltbarkeit eines Produkts längst in den Hintergrund gerückt, so Schridde.

Was zählt, sei nur noch, den Kunden kurzfristig zu begeistern. „Eine elektrische Zahnbürste muss sich gut in der Hand anfühlen. Dass ein fix verbauter Akku die Lebensdauer deutlich verkürzt, ist zweitrangig." Das Verständnis für Kundenzufriedenheit sei verloren gegangen, kritisiert Schridde, der derzeit daran arbeitet, seinen Verein „Murks? Nein Danke!“ auch nach Österreich zu bringen.

Lebensdauer hat sich halbiert

Dass es mit der Langlebigkeit vieler Produkte nicht mehr weit her ist, sieht auch Gabriele Zgubic-Engleder, Leiterin der Abteilung für Konsumentenpolitik der AK Wien, so. „Wir haben bemerkt, dass sich die Leute sehr wohl beschweren und ihnen auffällt, dass die Lebensdauer gesunken ist.“ In einer AK-Umfrage aus dem Frühjahr 2013 sagten mehr als die Hälfte der Befragten, dass die Lebensdauer von Produkten künstlich verkürzt werde. Vor allem elektronische Unterhaltungsgeräte haben längst das Misstrauen der Kunden geweckt.

Viele finden ihren Weg in das Wiener Reparatur- und Servicezentrum (R.U.S.Z.), das vor 15 Jahren von Sepp Eisenriegler gegründet wurde. „Als wir begonnen haben, lag die durchschnittliche Gebrauchsdauer von Waschmaschinen noch bei zwölf Jahren. Heute liegt sie bei sechs Jahren“, sagte Eisenriegler bei der AK-Veranstaltung. Jedes Jahr würden in Österreich 500.000 Waschmaschinen getauscht. Aneinandergereiht reiche die Schlange von Wien bis München, „vor 15 Jahren ist die Strecke noch bis Linz gegangen“, so der engagierte Recycler.

Dass viele Waschmaschinen vorzeitig ausgetauscht werden, darin sieht Manfred Müller von der Elektroindustrie kein Problem. „Ich bin froh darüber“, hielt er den Verbraucherschützern entgegen, denn alte Geräte würden deutlich mehr Strom und Wasser verbrauchen, daher sei ein Neukauf auch ökologisch sinnvoll.

Abwrackprämien für mehr Konsum

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Manipulationen an der Lebensdauer von Produkten keine Erfindung der letzten Jahrzehnte sind. Schon in den 1920er Jahren erkannte die US-Glühbirnen- und -Pkw-Industrie, dass zu langlebige Produkte der Nachfrage schaden. Ein paar Jahre später, mitten in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre, war es dann sogar mehr als erwünscht, wenn mangelhafte Produkte den Privatkonsum ankurbelten.

„Hier ging es nicht darum, dass sich ein Unternehmen bereichern wollte, sondern um volkswirtschaftliche Interessen“, erklärt Renate Hübner, Professorin für Kulturelle Nachhaltigkeit an der Universität Klagenfurt. Auch 2009, als die Wirtschaftskrise in Österreich ankam, wurden von der Politik Maßnahmen ergriffen, um die Nachfrage nach Produkten wieder anzukurbeln. Mit Abwrackprämien wurden zum Beispiel Personen „belohnt“, die ihre alten, aber noch funktionstüchtigen Autos gegen neue eintauschten. „Und auch künstlich den Wunsch nach immer neuen Modellen zu wecken ist geplante Obsoleszenz“, so Hübner.

Wenn Produkte immer schneller alt aussehen

Denn nicht jedes Produkt, das im Müll landet, ist tatsächlich kaputt. „Zwischen 30 und 60 Prozent der weggeworfenen Güter funktionieren noch", sagt Hübner mit Hinweis auf entsprechende Studien. Die Nutzungsdauer von Fernsehern, Handys, Computern und auch Kleidung und Autos werde heute nicht mehr nur von ihrer Funktionalität bestimmt, sondern vielfach von Modeströmungen und der Werbung, sagt Eduard Brandstätter, Wirtschaftspsychologe an der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Zudem würden die Produktzyklen immer kürzer. Als Beispiel nennt Brandstätter den VW-Konzern: Die Modelle Golf I und Golf II wurden noch jeweils neun Jahre lang produziert, der Golf VI wird bereits nach vier Jahren durch ein neues Modell ersetzt. Hier sei der Konsument gefragt.

„Wir müssen raus aus der Opferrolle und verantwortungsvoll handeln“, so Brandstätter. Durch den Kauf hochwertiger Produkte und der Vermeidung extremer Designs, die schnell aus der Mode kommen, lässt sich die Lebensdauer deutlich verlängern. „Es setzt bereits ein Wertewandel ein“, so Brandstätter. Damit einhergehend ändern sich auch die Statussymbole. Statt des Luxusautos sei dann ein Elektroroller plötzlich wünschenswerter. Doch bis es so weit ist, kann es noch dauern. „Es ist immer die nächste Generation, die neue Werte übernimmt.“

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