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Fluten bedrohten Umspannwerk

Das Hochwasser hält den Norden und Osten Deutschlands weiter in Atem. Die Flutwelle der Elbe bewegt sich weiter Richtung Norden und bricht dabei immer neue Rekorde. In Magdeburg stieg der Pegelstand am Sonntag auf die historische Höchstmarke von 7,46 Metern.

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In der Nacht auf Montag entspannte sich die Lage in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt minimal, die Pegel zeigten 7,24 Meter an. Im Landkreis Stendal brach allerdings ein Deich. Mehr als 1.000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Ein Aufatmen gab es Montagfrüh bezüglich eines von den Wassermassen bedrohten Umspannwerks in Magdeburg.

Die Luftaufnahme zeigt einen Deichbruch

APA/dpa/Jens Wolf

Die Fluten strömen in Sachsen-Anhalt über einen gebrochenen Deich

Die Anlage im Stadtteil Rothensee ist für die Stromversorgung einer Pumpstation, die das Abwasser der Stadt in eine nahe gelegene Kläranlage befördert, von entscheidender Bedeutung. Der Druck auf die Deiche sei zwar weiterhin enorm, der Wasserstand sinke aber, hieß es.

Ort unter Wasser

Im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt brach gegen Mitternacht ein Deich auf einer Länge von rund 50 Metern. Der Deich sei zunächst auf einer Länge von zehn Metern eingerissen, durch die Kraft der Wassermassen habe sich der Durchbruch auf „massive 50 Meter“ erweitert, sagte der Sprecher des Katastrophenschutzstabs. Der nur 800 Meter entfernte Ort Fischbeck stand binnen kürzester Zeit völlig unter Wasser.

Überschwemmtes Industriegebiet Rothensee bei Magdeburg

APA/EPA/Jens Wolf

Das Industriegebiet in Rothensee

Nach Angaben des Krisenstabs mussten mehr als 1.400 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Die Lage war in der Nacht jedoch teils unübersichtlich. Auch in Brandenburg spitzte sich die Lage wegen des Deichbruchs zu. Montagfrüh begannen rund 450 Feuerwehrleute und Soldaten der Bundeswehr damit, in der Nähe der Landesgrenze einen Notdeich zu errichten. Damit soll verhindert werden, dass die Wassermassen in die Havel fließen können.

Bahnverkehr auf Hauptstrecken unterbrochen

Der Deichbruch legte auch den Fernbahnverkehr auf den ICE-Hauptstrecken zwischen Frankfurt und Berlin sowie zwischen Hannover und Berlin auf unbestimmte Zeit lahm. Wegen des Hochwassers und Gefahr für die Brückenpfeiler wurde die Eisenbahnbrücke über die Elbe in Hämerten gesperrt, teilte die Deutsche Bahn mit. Mit Ausfällen von Zügen, Umleitungen und mehrstündigen Verspätungen müsse gerechnet werden. Die Dauer der Sperre ist nicht absehbar und hängt mit der Entwicklung des Hochwassers zusammen.

Die Züge der Strecke Berlin - Hannover - Köln werden über Wittenberge umgeleitet. Das ist die Hauptstrecke nach Hamburg, deshalb ist auch diese Umleitung mit großen Verspätungen verbunden. Die Züge der Strecke Berlin - Kassel - Frankfurt/Main fahren nun über Dessau, Halle an der Saale und Gerstungen. Die Haltepunkte Wolfsburg, Braunschweig, Hildesheim, Göttingen und Kassel-Wilhelmshöhe entfallen. Der IC von Amsterdam fährt nur bis Hannover.

Kanzlerin in Brandenburg

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) traf Montagnachmittag im brandenburgischen Wittenberge ein, um sich ein Bild der Lage zu machen. Merkel hatte bereits in der vergangenen Woche Hochwasserregionen in Bayern und Sachsen besucht und 100 Millionen Euro Soforthilfe der Bundesregierung zugesagt. Steuererhöhungen zur Behebung der Flutschäden in Deutschland hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Wochenende ausgeschlossen.

Die Flutschäden in ganz Deutschland werden inzwischen auf eine zweistellige Milliardensumme geschätzt. Ein ohnehin geplantes Treffen der 16 Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Merkel soll am Donnerstag um Gespräche zur Fluthilfe erweitert werden.

Historischer Höchststand

In Wittenberge erreichte der Fluss am Sonntagnachmittag einen historischen Höchststand von 7,85 Metern. Für Montag wird ein Wasserstand von acht Metern erwartet, bis Dienstag sollen es 8,20 Meter sein - so viel wie nie zuvor. 2002 bei der Jahrhundertflut wurde am Pegel in Wittenberge ein Wert von 7,34 Metern erreicht.

Evakuierung von Einwohnern in Magdeburg

APA/EPA/Jens Buettner

Tausende mussten ihre Häuser verlassen

Niedersachsen erwartet den Hochwasserscheitel der Elbe ebenfalls noch. In Schnackenburg und Hitzacker wurden schon am Sonntag neue Rekordwerte erreicht. Die von Elbe und Jeetzel umflossene Altstadtinsel von Hitzacker wurde bis Sonntagabend evakuiert, rund 280 Anrainer verließen ihre Wohnungen. Dort und in anderen Gemeinden fällt wegen des Hochwassers am Montag an zahlreichen Schulen der Unterricht aus.

Auch in Schleswig-Holstein bereiten sich die Menschen auf den Scheitelpunkt des Elbe-Hochwassers vor. Bis Montagfrüh wurde die hochwassergefährdete Unterstadt von Lauenburg geräumt. Die Behörden korrigierten den erwarteten Höchststand am Sonntag noch einmal um fünf Zentimeter nach oben. Am Donnerstag soll der Pegel in Hohnstorf (Landkreis Lüneburg) auf der anderen Elbe-Seite von Lauenburg bei 10,15 Metern stehen. Höchster jemals gemessener Wasserstand in Hohnstorf waren 9,88 Meter.

Grüne fordern mehr Platz für Flüsse

Die deutschen Grünen forderten indessen als Konsequenz aus dem Jahrhunderthochwasser die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen entlang der Flüsse als Überschwemmungsgebiete. „Die Massenevakuierungen von Zehntausenden in Magdeburg zeigen: Immer neue Jahrhunderthochwasser können wir nicht nur mit Deichbauten bekämpfen. Wir benötigen mehr Raum für unsere Flüsse“, sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin der „Passauer Neuen Presse“ (Montag-Ausgabe).

Schwere Unwetter in Bayern

Heftige Regenfälle und Sturmböen führten am Sonntagabend in weiten Teilen Bayerns, das ohnehin noch mit den Folgen des katastrophalen Hochwassers kämpft, zu überfluteten Straßen, umgestürzten Bäumen und vollgelaufenen Kellern. Wie die Polizei in Straubing mitteilte, mussten die Beamten in Niederbayern bis zum späten Abend zu rund 45 Einsätzen ausrücken.

Besonders betroffen war dabei die Region Vilshofen. Die B8 in Richtung Passau musste zeitweise wegen Überflutungen und Erdrutschen gesperrt werden. Auch die dazu parallel verlaufende Zugsstrecke von Regensburg nach Passau war betroffen. Dort wurde Geröll auf die Gleise gespült.

„Stinkende Brühe“

An der Donau ist das Hochwasser weitgehend überstanden - doch zurück bleiben Unmengen Schlamm. „Es ist eine stinkende Brühe“, sagte ein Stadtsprecher in Deggendorf. Bewohner schaufelten die Überreste der Flut aus ihren Häusern. Die Stadt schätzt den Schaden auf rund 500 Millionen Euro.

In einer Schule stapelten sich gespendete Kleidung, Schuhe und Zahnbürsten. Bäckereien brachten Mehlspeisen. Die Anteilnahme sei unglaublich, sagte Schulleiter Robert Seif. „Die Flutkatastrophe schweißt die Menschen im Raum Deggendorf zusammen.“ Auch in Passau entspannte sich die Lage weiter.

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