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Obama: „Hype“ um Spitzelprogramme

US-Präsident Barack Obama hat die Überwachung von Telefon- und Internetdaten in den USA als Preis für den Schutz vor Terroranschlägen nachdrücklich verteidigt. Es handele sich lediglich um einen „maßvollen“, aber dennoch notwendigen Eingriff in die Privatsphäre, sagte Obama am Freitag vor Journalisten im kalifornischen Silicon Valley in seiner ersten Stellungnahme zu der Affäre.

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Obama kritisierte den „Hype“, der nach den Medienberichten über die geheimen Programme entstanden sei. „Man kann sich über ‚Big Brother‘ beschweren und wie dieses Programm außer Kontrolle geraten könnte. Aber wenn man sich die Details genau anschaut, glaube ich, dass wir die richtige Balance gewahrt haben.“

Riesige Überwachungsnetze

Laut einem Bericht der „Washington Post“ greifen die US-Geheimdienste zur Terrorabwehr im Spionageprogramm Prism direkt auf Millionen Nutzerdaten von Internetgiganten wie Google, Facebook und Apple zu und bespitzeln die Bürger damit weit mehr als bisher schon befürchtet. Die Nationale Sicherheitsbehörde (National Security Agency, NSA) und die Bundespolizei FBI sammelten seit Jahren über die Computersysteme der Konzerne massenhaft E-Mails, Fotos, Videos, Dokumente und Audiodateien. Die Regierung hatte zudem erst am Donnerstag eingeräumt, Millionen von Telefonverbindungsdaten zu sammeln. Laut „Wall Street Journal“ werden auch die Transaktionen von Kreditkarten überwacht.

Google und Facebook weisen Vorwürfe zurück

Die Chefs von Google und Facebook wiesen mit Nachdruck den Vorwurf zurück, dem US-Geheimdienst uneingeschränkten Zugang zu Nutzerdaten zu gewähren. „Wir sind keinem Programm beigetreten, das der US-Regierung oder irgendeiner anderen Regierung direkten Zugang zu unseren Servern gewähren würde“, schrieb Google-Mitgründer Larry Page in einem Blogeintrag in der Nacht zum Samstag. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg äußerte sich ähnlich und versicherte, dass sein Onlinenetzwerk sich gegen jede Anfrage nach freiem Datenzugang „aggressiv“ gewehrt habe.

Damit klafft weiterhin eine Lücke zwischen den Dementis der Internetfirmen und den Behauptungen in den Zeitungsberichten. Die Internetkonzerne - genannt wurden neben Google und Facebook unter anderem auch Apple, Microsoft und Yahoo - bestätigten zugleich, dass sie den Behörden Informationen auf Gerichtsbeschluss zur Verfügung stellen.

Wie die NSA die Daten absaugt

Nach Ansicht der Tech-Nachrichtenwebsite ZDnet wussten Google und Co. möglicherweise tatsächlich nicht, dass ihre Datenströme von der NSA angezapft wurden. Die NSA habe wohl einfachheitshalber Verizon und andere Tier-1-Provider angezapft. Diese Tier-1-Anbieter - es gibt nur wenig mehr als ein Dutzend weltweit - stellen quasi die Hauptarterien des Internets zur Verfügung, über die Google und Co. direkt mit den Providern ihrer User verbunden sind. Das sei auch für die NSA viel einfacher, als die einzelnen Internetfirmen anzuzapfen.

„Geht nicht um Abhören“

Obama betonte die Rechtmäßigkeit dieser Bespitzelungen. Sie würden von Richtern und dem Kongress überwacht, außerdem seien die Abgeordneten genau im Bilde. „Niemand hört Ihre Telefongespräche ab. Darum geht es bei dem Programm nicht.“ Obama war mit dem Versprechen angetreten, die transparenteste Regierung in der Geschichte der USA anzuführen.

Er habe das Amt des US-Präsidenten mit einer „gesunden Skepsis“ gegenüber den Überwachungsprogrammen übernommen. Er sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass maßvolle Eingriffe in die Privatsphäre ihren Preis wert sind. „Wir können nicht 100-prozentige Sicherheit und gleichzeitig einen 100-prozentigen Schutz der Privatsphäre ohne jegliche Unannehmlichkeit haben. Wir müssen uns als Gesellschaft der Wahl stellen.“

Zugleich mit der Verteidigung der Geheimhaltung der Überwachungsprogramme begrüßte Obama die nun losgebrochene Debatte. Obama, der sichtlich versucht, die Zügel in der Debatte, die weit über den reinen Datenschutz hinaus in grundsätzliche Bürgerrechte hineinreicht, in der Hand zu behalten, sagte: „Ich denke, das (die Debatte, Anm.) ist ein Zeichen der Reife, denn vor fünf oder sechs Jahren hätten wir so eine Debatte vermutlich nicht geführt.“

„Robuste Aufsicht“

Ganz ähnlich hatte am Vortag bereits Obamas Sprecher Josh Earnest die Abhörprogramme zu verteidigen gesucht. Diese Art von Informationen habe sich als „wichtiges Instrument beim Schutz der Nation vor Terrorbedrohungen erwiesen“, sagte Earnest.

„Wir müssen sicherstellen, dass wir die Instrumente haben, um den Gefahren durch Terroristen zu begegnen“, so Earnest weiter. Obamas Sprecher erklärte außerdem, dass die Überwachungsaktionen der Geheimdienste unter der „robusten“ Aufsicht des Kongresses und der Gerichte stünden. Der Präsident habe seit seinem Amtsantritt Anfang 2009 die Richtlinien dafür noch verschärft.

Laut der demokratischen Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, ist das Vorgehen rechtmäßig. Die Abhöraktionen beruhten auf dem Patriot Act. Das erstmals nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verabschiedete Gesetz gibt den Behörden großen Spielraum bei der Überwachung von Terrorverdächtigen. Zuletzt hatte Obama die Bestimmungen des Patriot Act im Mai 2011 für vier Jahre verlängert.

Bürgerrechtler entsetzt

Bürgerrechtsgruppen zeigten sich entsetzt. „Das ist ein Programm, in dem eine unermessliche Zahl unschuldiger Menschen unter die ständige Überwachung der Regierung gestellt wird“, sagte Jameel Jaffer von der American Civil Liberties Union (ACLU).

Auch unter Obamas Vorgänger George W. Bush hatten die Sicherheitsbehörden zur Terrorabwehr ein riesiges Datenfangnetz ausgeworfen. Die Zeitung „USA Today“ hatte im Jahr 2006 aufgedeckt, dass die NSA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein geheimes Programm zur Sammlung sämtlicher Telefon-, Internet- und E-Mail-Daten begonnen hatte.

US-Abgeordneter: Anschlag verhindert

Ein republikanischer Abgeordneter sagte am Donnerstag, die umstrittene Sammlung von Telefondaten habe bereits mindestens einen Anschlag in den USA verhindert. Es handle sich um einen „bedeutenden Fall“ in den vergangenen Jahren, erklärte am Donnerstag der republikanische Abgeordnete Mike Rogers, der Vorsitzende eines Sicherheitsausschusses. Weitere Details wollte er nicht nennen. Derzeit bemühten sich jedoch Abgeordnete um die Freigabe weiterer Information über den vereitelten Anschlag durch die Behörden, so Rogers.

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