Effektiver Reiniger oder reine Werbelüge?
Ist eine Reinigung mit „elektrisch aktiviertem Wasser“ möglich? Dabei handelt es sich um jene Frage, die das Landgericht Stuttgart mittels eines Urteils zu beantworten hat. Streitparteien sind der deutsche Reinigungsspezialist Kärcher und der US-amerikanische Konkurrent Tennant. Letzterer bewarb seine Produkte mittels dieses Versprechens, Kärcher sah darin eine Werbelüge - und klagte.
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Grund des Anstoßes im Hause Kärcher waren nach eigenen Aussagen „falsche und irreführende Behauptungen“, mit denen Tennant für Scheuersaugmaschinen - also Reinigungsgeräte für die Nassreinigung von Hartböden - mit der sogenannten „ec-H2O-Technologie“ wirbt. Hinter dieser Werbeformel verbarg sich jener Vorgang, der in der Darstellung der US-Firma vergleichbare Modelle mit herkömmlichen Reinigungsmitteln obsolet machen würde. Denn mittels „elektronisch umgewandelten Wassers“ bei Scheuersaugmaschinen sei derselbe Reinigungseffekt zu erreichen, behauptete Tennant.
Verfahren macht sich „eigenen starken Reiniger“
Das Verfahren mache sich „seinen eigenen starken Reiniger“, heißt es im Werbeversprechen von Tennant, weshalb kein Allzweckreiniger mehr gekauft werden müsse. Diese Werbestrategie war dem deutschen Konzern Kärcher, der es mit seinen Hochdruckreinigern an die Weltspitze geschafft hatte, ein Dorn im Auge.
Kärcher geht deswegen seit August 2011 gegen mehrere Werbeaussagen von Tennant vor, aber besonders gegen die Behauptung, normales Leitungswasser könne in „elektronisch aktives Wasser“ verwandelt werden, das dann wie ein kräftiges Reinigungsmittel wirke. Kärcher sah darin irreführende Werbung, zudem sei die nach den Worten Tennants „bewährte“ ec-H2O-Technologie wissenschaftlich unhaltbar.
„Entscheidender Schritt“?
Kärcher geht gegen drei nationale Tennant-Gesellschaften, die zum US-amerikanischen Tennant-Konzern gehören, wegen unlauteren Wettbewerbs vor. Und in diesem skurrilen Rechtsstreit könnte es auch bald ein Urteil geben. Ein entsprechender Termin wurde für 14. Juni am Landgericht Stuttgart angesetzt, wie eine Sprecherin mitteilte. Ob dann wirklich ein Urteil gefällt wird oder noch Beweise geprüft werden, entscheidet sich den Angaben zufolge allerdings erst kurzfristig.
Im April hatte Kärcher bereits einen Etappensieg errungen, als ein Gutachter vor Gericht der von Tennant beworbenen Wirkung seiner Geräte widersprach. Das Gutachten bezog sich jedoch nur auf einzelne Module der Maschinen. Einen weiteren Test der kompletten Geräte ließ das Gericht noch offen. Ein Kärcher-Sprecher äußerte sich sehr zufrieden: „Wir sehen das als entscheidenden Schritt.“ Tennant wollte sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern.
Rückschlag in Großbritannien
In Großbritannien darf die Tennant-Werbung seit etwa einem Jahr „in ihrer derzeitigen Form nicht mehr erscheinen“, wie es damals in der Entscheidung der britischen Werbebehörde ASA (Advertising Standards Authority) hieß. Demnach muss das Unternehmen jetzt auf die Behauptung verzichten, dass mit diesem Verfahren besser gereinigt werden kann als mit herkömmlichen Reinigungsmitteln und Reinigungsverfahren. Die Behörde begründete die Entscheidung damit, dass es keine Nachweise gebe, dass mittels des beworbenen ec-H2O-Verfahrens mehr Bakterien entfernt würden als mit Reinigungsmitteln - genau das hatte Tennant unter anderem behauptet.
Wortklauberei als Streitgrundlage
Knapp drei Monate vor der ASA-Entscheidung wurde der facettenreiche Streit um ein Kapitel reicher: Mit einer Unterlassungserklärung haben die US-Amerikaner auf die Aussagen einer Kärcher-Pressemitteilung reagiert. Darin hatte es Kärcher als Etappensieg gewertet, dass Tennant eine strittige Werbeaussage „deutlich abgeschwächt“ habe. Als Erfolg auf halber Strecke wertete Kärcher in der Aussendung, dass der Wettbewerber seine Technik neuerdings nicht mehr als „starke Reinigungslösung“ anpreise, sondern nur noch als eine „innovative“.
Für Tennant war das wiederum völlig überinterpretiert. „Wir sind der Ansicht, dass Kärchers Äußerungen (...) irreführend sind und werden Kärcher eine entsprechende Abmahnung schicken“, ließ das US-Unternehmen mitteilen, um kurze Zeit später eine Unterlassungserklärung nach Deutschland zu senden.
Verkaufsrekord im Vorjahr
Doch abseits der Streitigkeiten mit Tennant konnte Kärcher im vergangenen Jahr so viele Geräte wie nie zuvor verkaufen. 2012 stieg der Absatz den Angaben zufolge von rund acht Millionen Stück im Vorjahr auf 10,8 Millionen. Auch beim Umsatz verbuchte Kärcher mit mehr als 1,9 Milliarden Euro (plus 13 Prozent) einen neuen Rekord. Die anfangs vielerseits verlachte Sortierung der Geräte nach Farben, die das Unternehmen Anfang des Jahres eingeführt hatte, habe der Nachfrage keinen Abbruch getan.
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