Komplexe Querschnittsmaterie
Besonders in Städten sind die heißen Tage jenseits der 30 Grad für viele Menschen anstrengend, jedes Jahr gibt es in Großstädten Hitzetote. Und die Prognosen sehen angesichts des Klimawandels weitere Temperaturanstiege voraus.
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Damit wird sich die Zahl von Hitzetagen (Temperaturmaximum des Tages jenseits von 30 Grad) und auch von Hitzeperioden (drei oder mehr Tage in Folge mit mehr als 30 Grad) erhöhen. Dazu kommt, dass heiße Tage auch zu einem Temperaturanstieg in der Nacht führen. Das ist von besonders großer Bedeutung, weil die Höchsttemperatur in der Nacht einen größeren Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner und die Sterberate hat als die Tageshöchstwerte, heißt es im Tagungsband zur internationalen Stadtplanungskonferenz Real Corp 2013.

APA/Georg Hochmuth
Manchmal hilft nur noch der Sprung ins kühle Nass
Städte „bauen“ Hitze
Wegen des im Vergleich zu ländlichen Kommunen hohen Anteils versiegelter Oberflächen ist in Städten die Verdunstung reduziert. Zugleich wird die Sonneneinstrahlung durch Gebäude- und Straßenoberflächen, aber auch Autos, gespeichert. Dadurch kommt es zur Bildung von Hitzeinseln - also kleinräumig stark erhöhten Temperaturen mit entsprechender Beeinträchtigung der Lebensqualität. Ohnehin gilt, dass in der Stadt die Temperatur um bis zu zehn Grad höher liegen kann als im freien Umland.
Binnen 50 Jahren - von 1961 bis 2010 - stieg die durchschnittliche Zahl an Hitzetagen von 9,6 auf 15,2. Wiener Klimamodelle prognostizieren im Zeitraum 2071 bis 2100 einen bis zu 50-prozentigen Anstieg von Sommertagen (mindestens 25 Grad). Die Problematik wird durch den erwarteten Bevölkerungsanstieg - Wien wird bis 2030 die Zwei-Millionen-Grenze durchstoßen - und den damit verbundenen weiteren Verbau von Brachland zusätzlich verschärft.
Diese Verdichtung in der Stadt erhöht unweigerlich die Zahl von Wärme- oder Hitzeinseln (Urban Heat Islands, oder UHI, Anm.) in der Stadt. Dieses Phänomen trifft alle - Bewohner wie Touristen - in der Stadt, wie ein Forscherteam der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) in seinem Konferenzbeitrag betont.

Roland Schlager
Abkühlung am Brunnen auf dem Schwarzenbergplatz bei 33 Grad
Soziale Ungerechtigkeit
Besonders betroffen sind natürlich Ältere, gesundheitlich angeschlagene Personen und all jene, die - etwa arbeitsbedingt - viel Zeit im Freien verbringen. In Erinnerung ist noch die große Hitzewelle, die im Sommer 2003 weite Teile Europas erfasste, und 70.000 Tote forderte. Da Städte einen hohen Bevölkerungsanteil Älterer haben und dieser noch steigen wird, bekommt der Kampf gegen Hitzeinseln eine umso größere Bedeutung.
Eine weitere Studie, die von BOKU, Meduni Wien und Uni Wien sowie der Hochschule Fulda durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass Hitze „im Wesentlichen ein dreifaches soziales Problem ist“: Menschen mit niedrigerem sozioökonomischen Status leben tendenziell in benachteiligten Gegenden, wo auch die Hitzegefahr etwa durch dichtere Bebauung und das Fehlen öffentlicher Grünflächen größer ist. Diese Gruppe leidet zudem wegen der im Schnitt schlechteren Gesundheit stärker unter der Hitze.
Und genau diese Personengruppe tendiert auch verstärkt dazu, sich aufgrund der Hitze aus dem Sozialleben auszuklinken und zu Hause zu bleiben. Hitze dürfe „nicht als naturgegeben und nicht abänderbar betrachtet werden, sondern als Teil sozialer Ungerechtigkeiten, die ausgeglichen werden können“, so die klare Empfehlung der Studie „The Elderly under Urban Heat Pressure“.
Internationale Studie
Die Stadt Wien nimmt derzeit an einer dreijährigen internationalen Studie teil, die acht europäische Städte umfasst und die 2014 abgeschlossen wird. Ziel ist ein Maßnahmenkatalog, um die negativen Folgen des Aufheizens von Städten zu reduzieren. Zwischenergebnisse der Wiener Untersuchungen werde auf der Real Corp präsentiert.
Hunderte Maßnahmen
Im Rahmen des Wiener Projekts wurden laut BOKU-Team bisher etwa 370 mögliche Maßnahmen gesammelt - jenseits von Schritten wie Frühwarnsystemen und Verhaltenshinweisen an Hitzetagen - von Wasserspendern, Sprühanlagen, begrünten Dach- und Hauswänden, kleinen Parks und begrünten Straßenzügen, Beschattungen und der Klimatisierung von „Öffis“ bis hin zu stadtplanerischen Schritten wie dem Erhalt von Frischluftschneisen und einer auf Hitzestau Rücksicht nehmenden Bebauung. Sofort umsetzbare Schritte wären etwa Gratiseintritt in Freibäder, längere Öffnungszeiten von Bädern, Kirchen und Einkaufszentren und das Öffnen klimatisierter Verwaltungsgebäude für die Öffentlichkeit.
Das BOKU-Team lässt keinen Zweifel daran, wie komplex das Vorhaben ist, einen umfassenden Hitzebekämpfungsplan für die gesamte Stadt umzusetzen. Allein 13 Magistratsabteilungen, fünf weitere städtische Institutionen und die 23 Bezirksverwaltungen wären von einem UHI-Strategieplan betroffen. Zahlreiche Gesetzesmaterien, Stadtplanungsprogramme, Masterpläne bis hin zur Förderungsvergabe sind zu berücksichtigen.
Touristen von Hitze überrascht
Dazu kommt, dass es zwangsläufig zu Konflikten zwischen verschiedenen strategischen Zielen kommt: So kann die Schaffung von Frischluftkorridoren mit dem Ziel kollidieren, den innerstädtischen Wohnbau zu forcieren, um die Wege für die Bewohner zu verkürzen (was auch ökologisch sinnvoll ist, Anm.). Umgekehrt sind auch Synergien möglich: Begrünung kühlt nicht nur, sondern erhöht die Pflanzen- und Tiervielfalt sowie die Speicherung von Regenwasser.
Auch für den Wiener Tourismus ist der Kampf gegen die Hitze ein zunehmend wichtiges Thema: Bei einer Befragung im Rahmen der Studie „Hot Town, Summer in the City“ gab jeder Dritte befragte Wien-Besucher an, von den hohen Sommertemperaturen überrascht worden zu sein, und jeder vierte Tourist will die Stadt zumindest im Sommer nicht mehr besuchen.
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