58 Millionen ohne Konto
Millionen Europäer können kein Konto eröffnen. Die EU-Kommission will das ändern: Sie legte am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag vor, der jedem mit Wohnsitz in der EU das Recht auf ein eigenes Girokonto sichern soll.
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Laut Erhebungen der EU-Kommission haben 58 Millionen EU-Bürger kein Konto, 25 Millionen von ihnen würden aber gerne eines haben. Wobei die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten riesig sind: Während in Rumänien 55 Prozent der Verbraucher über kein eigenes Konto verfügen, hat in Dänemark und Finnland jeder Zugang zu einem Konto. Österreich liegt mit drei Prozent am unteren Ende.
Sozialer Teufelskreis
Die häufigsten Gründe, warum Banken Menschen den Kontozugang verwehren, ist laut Kommissionsumfrage der Wohnsitz. „Wer im EU-Ausland arbeitet und sich sein Gehalt auf sein Konto daheim überweisen lässt, bekommt in dem Land, in dem er arbeitet, oft kein Konto“, wurde erklärt. Auch Austauschstudenten gehe es oft ähnlich. Das solle in Zukunft nicht mehr möglich sein.
Am zweithäufigsten verwehren Banken Menschen den Zugang zu einem Konto, deren finanzielle Situation schwierig ist. Dadurch entsteht aber ein sozialer Teufelskreis, da ein Girokonto häufig die Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags, eines Arbeitsverhältnisses und für einen Telefon- und Internetanschluss sei.
Ablehnung nur bei „schwerwiegenden Gründen“
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte sich deshalb bereits im Sommer 2011 für ein günstiges Basiskonto für alle EU-Bürger ausgesprochen. Doch die Kommissionsempfehlung stieß bei den Banken vielfach auf taube Ohren. Nun soll eine Richtlinie verabschiedet werden. In dem Vorschlag soll es in jedem Mitgliedsstaat möglich sein, bei zumindest einer Bank ein Basiskonto zu eröffnen. Bisher gebe es lediglich in elf Ländern Ansätze in diese Richtung.
„Nur aus schwerwiegenden Gründen“ wie Geldwäsche sollten Banken Interessenten mit Wohnsitz in der EU zurückweisen können, sagte EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg, der die neue Richtlinie zusammen mit Barnier in Brüssel vorstellte.
Zweite Sparkasse als Alternative
In Österreich bietet beispielsweise die Zweite Sparkasse Menschen, die bei einer herkömmlichen Geschäftsbank kein Konto bekommen, die Möglichkeit, ein Girokonto zu eröffnen. 2006 nahm die von der Erste Stiftung initiierte Bank ihre Tätigkeit auf, mittlerweile gibt es Filialen in Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Villach und Wien.
Rund 8.000 Personen in finanziell schwierigen Situationen werden betreut. Die Zweite bietet ein Konto, das nicht überzogen werden kann, inklusive Bankomatkarte. Neben der Zweiten bietet seit knapp drei Jahren auch die BAWAG P.S.K. ein Konto ohne Überziehungsrahmen an („Neue Chance Konto“), die Bank Austria hat das „Erfolgskonto light“ im Programm.
Karas lobt Verbraucherschutzprojekt
Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, begrüßte den neuen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission. „Die Bankenregulierung der EU ist eines der größten Verbraucherschutzprojekte in Europa. Noch nie ist so umfassend, in unterschiedlichen Aspekten ein ganzer Wirtschaftssektor neu reguliert worden“, sagte Karas am Mittwoch in Brüssel. Auch die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner zeigte sich mit der Initiative der EU-Kommission zufrieden. „Allein in Österreich gibt es in rund 150.000 Haushalten Menschen ohne Girokonto“, so Regner. Sie sprach sich daher für eine Verpflichtung der Banken aus.
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