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„Ende der ewig lizenzierten Software“

Der Softwarehersteller Adobe wagt einen radikalen Schritt: Kreativprogramme wie Photoshop und Illustrator für die professionelle Bildbearbeitung und Indesign für das Layout von Publikationen werden künftig nur noch im Abonnementmodell statt als Verkaufsversion weiterentwickelt.

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Das aktuelle Programmbündel Creative Suite 6 werde zwar weiter verkauft und auch noch mit Support unterstützt - es wird jedoch die letzte Kaufvariante der Grafiksoftware sein. Eine neue Version sei nicht geplant, teilte Adobe zum Auftakt der dieswöchigen firmeninternen „Kreativkonferenz“ in Los Angeles mit. Das Unternehmen betreibt bereits seit mehr als einem Jahr die Aboversionen unter der Marke Creative Cloud, die stetig Kunden gewannen.

Vier Millionen Abokunden als Ziel

Mit dem neuen Modell geht Adobe zum einen auf den Trend zum Cloud-Computing ein, bei dem Daten und Programme aus dem Netz laufen. Zum anderen wird auch der Fluss der Erlöse stabiler: Bisher erlebte das Geschäft einen Aufschwung, wenn eine neue Softwareversion herauskam - und kühlte ab, je älter sie wurde. Durch das Abomodell, bei dem rund 60 Euro pro Monat für die Nutzung der Programme fällig werden, verteilen sich die Einnahmen gleichmäßiger. Auch das Raubkopieproblem erledigt sich damit auf einen Schlag.

Allerdings ist der radikale Schnitt auch nicht ohne Risiken: Die Abogebühren machten zuletzt nur gut ein Fünftel der Adobe-Erlöse von insgesamt rund einer Milliarde Dollar (765 Mio. Euro) pro Vierteljahr aus. Zugleich stieg die Nutzerzahl bei den Cloud-Angeboten in dem Anfang März abgeschlossenen Geschäftsquartal um 153.000 auf 479.000. Adobe warnt, dass die hohen Kosten in der Umbauphase zunächst einmal die Gewinne drücken werden. Bis Herbst 2015 will Adobe vier Millionen Abokunden haben.

Mulmige Gefühle auch im eigenen Haus

Adobe übernimmt damit gewagte Pionierarbeit: Der Trend zur Cloud ist zwar unübersehbar und dominiert auch bei Gratisangeboten - Stichwort Google. Abseits von Apps steht die „Hardcopy“ von Programmen aber immer noch für Seriosität und Unabhängigkeit. Microsoft bietet etwa die neue Version seines weit verbreiteten Softwarepakets Office auch als Cloud-Abo an, schreckte jedoch vor einem kompletten Umstieg zurück: Auch das neue Office wird als Schachtel voller Silberscheiben angeboten.

Adobe verhehlt nicht, dass der Abschied von der Kaufsoftware auch im eigenen Haus mulmige Gefühle verursacht. Im Firmenblog heißt es dazu: „Wir haben uns das lange überlegt und uns nicht leicht gemacht, und wir können verstehen, dass der Übergang manchen Leuten schwerfallen wird.“ Dennoch sei der Entschluss endgültig: Ab Juni werde weltweit der Umstieg in die Cloud erfolgen, das derzeitige Softwareangebot Creative Suite 6 werde das letzte im klassischen Sinn käuflich erwerbbare sein.

FAQs sollen Ängste nehmen

Die Umstellung soll den Kunden möglichst schmackhaft gemacht werden. Adobe kündigt einerseits günstigere Konditionen für private Nutzer und Kleinunternehmen an. Andererseits sollen Umsteigerängste schon jetzt abgefangen werden. In einem umfangreichen FAQ-Kompendium in mehreren Sprachen, darunter Deutsch, wird etwa eindringlich betont, dass es für die Arbeit mit dem künftigen Cloud-Angebot keine ständige Onlineverbindung brauche.

Branchenkenner sind überzeugt, dass Adobe den richtigen Schritt zur richtigen Zeit vollzieht. Der Analyst Al Hilwa von der auf IT-Unternehmen spezialisierten Beratungsfirma IDC sagte etwa gegenüber der Nachrichtenagentur AP: „Die Kunden haben sich mit dem Ende der ewig lizenzierten Software abgefunden. Adobe ist seiner Zeit voraus.“ Investoren verfielen jedenfalls in einige Panik nach der Ankündigung: Während einige ihre Adobe-Aktien eilig abstießen, griffen fast genauso viele andere ebenso eilig zu.

Auch erste eigene Geräte

Teil der Neuerfindung von Adobe sind auch die ersten eigenen Geräte des Softwarespezialisten. Es sind ein vernetzter Stift für die Eingabe auf Touchscreens mit dem Namen „Project Mighty“ sowie ein digitales Lineal mit der leicht ironischen Bezeichnung „Napoleon Ruler“. Zugleich wird das Grafikprogramm Fireworks ganz eingestellt. Dagegen wird die PDF-Software Acrobat weiterhin auch separat zum Kaufen außerhalb der Creative Cloud erhältlich sein.

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