Der wichtigste Augenzeuge
Die syrische Familie Junis aus Aleppo ist offenbar Opfer eines Giftgasangriffs geworden. Dabei wurden die Frau und zwei Kinder von Jasser Junis getötet. Die britische Tageszeitung „Times“ zeichnete den Fall nach.
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Demnach wurde Jasser Junis am 13. April um 3.00 Uhr vom Knall einer Explosion auf dem Dach seines Hauses in Aleppo geweckt, wie auch das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (Onlineausgabe) am Freitag berichtete. Der Automechaniker stieg aus dem Bett, um nach dem Rechten zu sehen. Im Hausgang lag nur Staub. Noch einmal Glück gehabt, dachte der 27-Jährige, das Geschoß hatte sein Zuhause knapp verfehlt.
Doch dann witterte er in der Luft etwas, das er später als „scharfen Geruch“ beschrieb. Er hörte ein Keuchen, wie er es von Tieren kannte: Es waren seine Frau und seine beiden kleinen Söhne, die im inzwischen offenbar mit Giftgas gefüllten Schlafzimmer um Atem rangen. Junis griff sich seinen ältesten Sohn. Mit dem Kind im Arm schaffte er es noch bis vor die Haustür, dann brach auch er nach Luft schnappend zusammen.
Videomaterial ausgewertet
Seine beiden 18 und vier Monate alten Kinder starben noch an Ort und Stelle, seine 25-jährige Frau Gadir später im Krankenhaus. Junis aber lebt - und ist so zu einem der wichtigsten Augenzeugen dafür geworden, dass das syrische Regime allem Anschein nach Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.
Junis’ Geschichte wurde von dem bekannten Kriegsreporter Anthony Loyd in der „Times“ (Freitag-Ausgabe) veröffentlicht. Loyd war dem Fall in Aleppo nachgegangen, hatte Junis und andere Zeugen befragt und Videomaterial ausgewertet, das im Krankenhaus von den Opfern des Angriffs gemacht wurde. Darauf ist zu sehen, wie Junis Familie, Helfer und medizinisches Personal, das mit dem Giftstoff in Berührung kam, aus Mund und Nase schäumten, unkontrolliert zuckten und offenbar halluzinierten.
US-Team soll Haarproben entnommen haben
Die syrischen Ärzte, die insgesamt 13 Personen behandelten, kamen schon bald zu einem klaren Schluss: Es musste sich um ein vermutlich gasförmiges Nervengift gehandelt haben. Der Zustand der meisten Opfer besserte sich sichtlich, nachdem sie ihnen das gegen Nervengifte wirksame Mittel Atropin gespritzt hatten.
Während seiner Recherchen traf Loyd Ärzte und Pfleger, die ihm berichteten, dass unmittelbar nach dem Angriff ein Team einer „amerikanischen Gesundheitsorganisation“ in dem Krankenhaus in Afir eingetroffen sei. Das Team habe Haarproben der Opfer genommen, und angekündigt, sie in einem „amerikanischen Labor“ untersuchen zu wollen. „Es ist wahrscheinlich, dass diese Proben Teil der Beweise waren, die nun vom US-Verteidigungsministerium angeführt wurden“, urteilt Loyd.
„Unterschiedliche Grade an Sicherheit“
Der Angriff dürfte einer der Vorfälle gewesen sein, die die USA jetzt dazu brachten, ihre Einschätzung zu möglichen Giftgaseinsätzen in Syrien zu ändern. Es könne mit „unterschiedlichen Graden an Sicherheit“ gesagt werden, dass das Gift Sarin „in einem kleinen Maßstab“ in Syrien zur Verwendung gekommen sei, so das Weiße Haus am Donnerstagnachmittag.
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