Falsche Nostalgie über den Wolken?
Gerade in Zeiten von endlosen entwürdigenden Sicherheitskontrollen, Beinfreiheit als Euphemismus für hohe Thrombosengefahr und als Snacks getarnten Ungenießbarkeiten scheinen die 50er und 60er Jahre die „goldene“ Ära des Fliegens gewesen zu sein - zumindest wenn man die Bilder und Werbungen der Airlines von damals betrachtet. Und kaum eine andere verkörperte das Image so perfekt wie Pan Am.
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Jahrelang hatte die US-Fluglinie das Fluggeschäft dominiert - ehe sie 1991 unterging. Die Linie hatte den Betrieb 1927 mit einem Flug von Key West nach Havanna aufgenommen. In den 30er Jahren bediente Pan Am zahlreiche internationale Strecken. Rasch stieg das Unternehmen zum Marktführer auf und hielt diese Position mit einem weltumspannenden Routennetz und Innovationen wie den ersten Düsenflugzeugen und Jumbojets.
Der pure Luxus
Das Unternehmen führte die Erste Klasse ein und vertrieb ihren Fluggästen erstmals die Zeit an Bord mit Kinofilmen. Zu ihren besten Tagen Anfang der 70er Jahre strahlte Pan Am den Glamour der Schönen und Reichen aus. Eigene Mode für Flugreisen wurden damals kreiert. Luxuriöses Innendesign, weiträumige Sitze, üppige Speisen, charmantes Service und nicht zu vergessen Rauchersalons, das alles sollte Fliegen zum Erlebnis machen - das sich bei entsprechenden Preisen freilich die wenigsten leisten konnten.

2011 Pan Am Historical Foundation
Salon im Flugzeug - kein Vergleich zu heutigen Sitzreihen
Mitte der 50er Jahre wurde der Begriff Jetset geprägt für alle, die genügend Kleingeld hatten. Der erste Schub Richtung Massenflugbetrieb setzte erst Mitte der 60er Jahre ein - verglichen zum späteren Anstieg sollte es nur ein minimaler Sprung sein.
Alles setzt auf Retrochic
Auf den Zauber dieser „goldenen“ Zeiten der Flugära setzt auch der US-Sender ABC - nicht zuletzt ob des Erfolgs der Serie „Mad Men“. Den nikotin- und whiskeygetränkten 60er-Jahre-Chic der Werbebranche versuchte der Sender mit „Pan Am“ in luftige Höhen zu heben, schließlich hatte das vor einigen Jahren beim Film „Aviator“ mit Leonardo DiCaprio auch schon geklappt.
Drei Jahre lang mühte man sich noch damit ab, ehe man die Rechte für das Pan-Am-Originallogo erhielt. Die Serie mit Christina Ricci in sexy blauer Uniform in der Hauptrolle hob zum Start im Herbst 2011 zunächst tatsächlich ab, bereits nach einer Staffel folgte jedoch die Notlandung: Das Publikumsinteresse sank ob der platten Handlung deutlich, ABC ließ die Serie wieder auslaufen.
Stewardess als begehrter Job
Scharfe Kritik setzte es auch am Frauenbild der Serie: Denn während „Mad Men“ die Sexismen der 60er Jahre zumindest ironisch aufs Korn nimmt, romantisiere „Pan Am“ diese. Denn tatsächlich entstammten die damaligen Anforderungskriterien für Stewardessen - die heutige Bezeichnung Flugbegleiterinnen setzte sich erst in den 90er Jahren durch - reinen Männerfantasien.
Pan Am war die erste Fluglinie, bei der - zunächst noch männliche - Stewards den Passagieren Essen servierten. 1930 wurden die ersten Stewardessen eingestellt, binnen nur weniger Jahre wurden der Beruf durchgehend weiblich besetzt. Der Ansturm auf freie Stellen war riesig. Für Frauen bildete der Job eine der wenigen Möglichkeiten auf Karriere, auch wenn bis in die 1940er Jahre eine Krankenschwesterausbildung als Voraussetzung galt.
Sexismus an der Tagesordnung
Spätestens ab den 50er Jahren galt der Beruf auch aus anderen Gründen als interessant: Fliegen war weiterhin ein Luxus - und die Passagiere zumeist reiche, wenn nicht gar prominente Männer. Die Chancen auf eine „gute Partie“ auf dem Heiratsmarkt waren also hoch: „Coffee, Tea or me?“ lautete der eindeutig zweideutige Titel einer 1967 erschienenen Anekdotensammlung zweier Stewardessen.

2011 Pan Am Historical Foundation
Airlines setzten ihre Mitarbeiterinnen gekonnt in Szene
Und das setzten Fluglinien freilich unverblümt ein: Neben einer guten Ausbildung und Sprachkenntnissen galt vor allem die Figur als entscheidendes Kriterium für eine Einstellung. Zudem gab es eine Altersgrenze bis 32 bzw. 35 Jahre, danach wurden die Stewardessen genauso gekündigt oder ins Bodenpersonal versetzt wie bei Schwangerschaft oder Heirat. Gewichtskontrollen standen ebenso auf der Tagesordnung wie die Überprüfung, ob - wie häufig vorgeschrieben - Mieder getragen wurden.
Erst mit dem Civil Rights Act von 1964 wurde in den USA eine rechtliche Grundlage geschaffen, die Regeln als diskriminierend zu werten. Es dauerte aber bis 1970, bis Gerichtsurteile die Altersgrenze und das Hochzeitsverbot endgültig zu Fall brachten. Kurz darauf ebnete ein Urteil den Weg für mehr Männer im Kabinenpersonal. Der Kampf der Flugbegleiter gegen Gewichtskontrollen sollte sogar bis in die 90er Jahre dauern.
Langer Sinkflug bis zum Ende
Zu dieser Zeit war Pan Am bereits Vergangenheit, den „goldenen“ Zeiten war ein langer Sinkflug gefolgt: In den 80er Jahren entwickelte sich der Plan, auch nationale Strecken zu fliegen, zum finanziellen Bumerang. Um die Schuldenlast zu meistern, wurden zunächst Anteile an anderen Firmen und ein Großteil der Immobilien verkauft. 1986 mussten schließlich die Pazifikstrecken an den Konkurrenten United Airlines abgegeben werden.
Der Anschlag auf den Pan-Am-Flug 103 im Dezember 1988 über der schottischen Ortschaft Lockerbie mit 270 Toten sollte das Schicksal der Airline besiegeln. Neue Attentate wurden befürchtet, die Fluglinie von Passagieren gemieden. Knapp zwei Jahre später mussten auch wichtige Transatlantikstrecken an United Airlines abgegeben werden. 1991 war es dann vorbei: Delta Airlines übernahm Pan Am, aus den Plänen, die Marke beizubehalten, wurde nichts. Zweimal noch versuchten Investoren nach dem Kauf des Namens und des Logos Pan Am noch einmal aus der Traufe zu heben. Beide scheiterten.
Klassiker des Logodesigns
Doch einiges blieb: Das berühmte runde blaue Pan-Am-Logo wurde 1955 vom Architekten Edward Larrabee Barnes gestaltet und sollte bis heute eines der bekanntesten Symbole der Luftfahrtbranche bleiben. Im Retrochic der vergangenen Jahre boomten Taschen und T-Shirts mit dem Aufdruck des blauen Erdballs. Pan-Am-Andenken - von Besteck bis zu Sicherheitsgurten - wechseln unter Liebhabern für horrende Preise die Besitzer.
Die Flugbranche scheint überhaupt ein begehrtes Pflaster für Logodesign und Memorabilia zu sein: Der Alitalia-Schriftzug der bekannten Designagentur Walter Landor aus dem Jahr 1967 gilt genauso als Klassiker wie der „Kranich“ von Otto Firle, der seit Firmengründung 1928 den Schriftzug der Lufthansa ziert. Und auch das alte Aeroflot-Logo erfreut sich - trotz, oder vielleicht auch wegen, Hammer und Sichel - noch einiger Beliebtheit.
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