Die Abteilung Attacke in der Defensive
Bis jetzt war er der erhobene Zeigefinger des deutschen Fußballs - doch nun richten sich die Zeigefinger auf ihn selbst: Uli Hoeneß, der als Manager und Präsident des FC Bayern München im Sport keinen Gegner schonte und sich auch in politische Debatten einschaltete, ist ein Steuersünder.
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Das steht nach der überraschenden Selbstanzeige des 61-Jährigen fest. Nun geht es für Hoeneß um sein Lebenswerk: Kommt er mit einer Millionenzahlung davon oder muss er sogar ins Gefängnis? Der 20. März dürfte einer der peinlichsten Tage im Leben des am 5. Mai 1952 in Ulm geborenen Schwaben gewesen sein. An jenem Tag sollen laut einem Bericht der „Bild am Sonntag“ die Ermittler vor seinem Haus am Tegernsee erschienen sein und um Einlass für eine Razzia gebeten haben.
Es waren Vertreter genau der Staatsanwaltschaft, der Hoeneß im September 2011 wegen der Festnahme des FC-Bayern-Stars Breno wegen Brandstiftung „Wahnsinn“ vorgeworfen hatte. Freunde dürfte er sich mit seiner Beschimpfung damals nicht gemacht haben - die Staatsanwälte werden bei Hoeneß ganz genau hinschauen.
„Konto von mir in der Schweiz“
Die genauen Dimensionen des Steuerdelikts sind offen. Bestätigt ist nur, dass Hoeneß im Jänner über seinen Steuerberater Selbstanzeige beim Finanzamt erstattete. Diese hänge „mit einem Konto von mir in der Schweiz“ zusammen, sagte Hoeneß dem „Focus“. Wie viel Geld auf diesem Konto liegt und woher das Geld kommt - all das ließ der sonst so offensiv auftretende Hoeneß offen.
Auch die Staatsanwaltschaft sagte nur wenig. Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich führte im „Focus“ aber zum Kern des Problems: Gegenstand des Verfahrens sei die „Prüfung der Wirksamkeit und Vollständigkeit der Selbstanzeige“.
Straffreiheit durch Selbstanzeige?
Eine Selbstanzeige kann nämlich zwar dazu führen, dass der Steuersünder außer der vollständigen Nachzahlung der Steuerschuld zuzüglich sechs Prozent Zinsen pro Jahr straffrei bleibt. Die Rechtsprechung setzt dafür aber hohe Hürden: Der Steuersünder muss wirklich reinen Tisch gemacht haben - und falls ihm die Ermittler womöglich doch schon auf der Spur waren, darf er davon zumindest noch nichts wissen.
Haben die Ermittler aber Zweifel an Hoeneß, kann es zu einem Prozess wegen Steuerhinterziehung kommen. Und dieser könnte wegen der kolportierten Höhe der Summen zu einer Haftstrafe führen: Laut „Bild am Sonntag“ zahlte Hoeneß zusammen mit der Selbstanzeige schon fast sechs Millionen Euro zurück. Der Chef der deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, folgerte daraus, dass Hoeneß in der Schweiz mindestens zehn Millionen Euro gebunkert haben muss.
Selbstinszenierung als Bumerang
Die ersten Reaktionen auf die überraschende Selbstanzeige fielen noch zurückhaltend aus. Christoph Daum, der von Hoeneß im Jahr 2000 als Kokainkonsument entlarvt und deshalb nicht Bundestrainer wurde, sagte sogar, Hoeneß tue ihm leid. Allerdings konnte sich Daum einen Seitenhieb nicht verkneifen. Er sei überrascht, Hoeneß habe sich „schließlich zu einer absoluten moralischen Instanz aufgeschwungen“. Genau diese Selbstinszenierung als oberster Moralwächter dürfte dem CSU-nahen Sportfunktionär und Wurstfabrikanten nun als Erstes auf den Kopf fallen. Hoeneß, dem allgemein ein großes Herz bescheinigt wird, liefert eine große Angriffsfläche.
Der „Bild“-Zeitung sagte er noch 2005: „Ich weiß, dass das doof ist, aber ich zahle volle Steuern.“ Er scheute auch nicht davor zurück, andere zu diskreditieren. Im Fußball erkor er sich FIFA-Chef Joseph Blatter zum Erzfeind. Sollte der den Schmiergeldsumpf der FIFA nicht trockenlegen, müsse er abgesetzt werden - für solche Attacken hat Hoeneß nun jede Autorität verspielt.
Ralf Isermann, AFP
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