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Im Clinch mit dem Bankengesetz

Auch wenn Banken von einer Kreditklemme meist nichts wissen wollen: für Start-ups, aber auch bestehende Betriebe ist sie mitunter Realität. Zumindest ist es schwieriger als noch vor einigen Jahren, Darlehen zu erhalten. Immer mehr Unternehmer setzen ihre Hoffnung daher in alternative Finanzierungsmodelle über private Geldgeber. Doch rechtlich ist das Eis dabei bisher dünn.

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Grund ist vor allem das Bankwesengesetz (BWG), das genau definiert, wer Geld in welcher Form als Einlage entgegennehmen bzw. verleihen darf. Mit Modellen, die einem Kredit nahekommen, ist ein Clinch mit den Behörden programmiert. Langsam, aber sicher scheinen nun allerdings Forderungen nach einer rechtlich soliden Basis für alternative Finanzierungen auch politisch Gehör zu finden.

Nicht unwesentlich daran beteiligt waren bisher der Waldviertler Unternehmer Heinrich („Heini“) Staudinger bzw. dessen Streit mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) um den „Sparverein“ für seine Handelskette für Schuhe und Möbel, GEA („Waldviertler“). Der dauert mittlerweile über ein Jahr an. Zuletzt reichte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Beschwerde Staudingers an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) weiter.

Heinrich Staudinger

APA/Hans Klaus Techt

Heinrich Staudinger, wegen seines „Sparvereins“ im Streit mit der FMA

Staudinger: „Selbsthilfe statt Bevormundung“

Die Ansichten des „Finanzrebellen“, wie Staudinger vielfach in der Presse tituliert wurde, und die der FMA könnten weiter nicht auseinandergehen: Staudinger sieht seine Idee als Form der „Selbsthilfe“, wie er im Interview mit ORF.at sagte. Tausende Kleinunternehmen stünden vor dem Problem, dass sie einfach keine Darlehen bekämen - was aus seiner Sicht gesamtwirtschaftlich negative Folgen hat. Wenn man diese Form der „Selbsthilfe“ verbietet, „da schießt sich doch die Gesellschaft bitte ins eigene Knie“. Außerdem ärgern ihn „Bevormundung“ und „Bankenzwang“.

Wo das Problem für die FMA liegt, präzisierte deren Sprecher Klaus Grubelnik auf Anfrage von ORF.at: Staudingers GEA nehme „gewerbsmäßig" (...) Gelder Dritter (Kunden, Freunde, Verwandte) als Einlagen entgegen“. Es sei Staudinger bewusst, dass es sich dabei um Spareinlagen handle, schließlich habe „er das Modell sogar ‚GEA-Sparverein‘ genannt“. Zum Schutz von Sparern und Anlegern sei allerdings „die Entgegennahme von Spareinlagen ein konzessionspflichtiges Bankgeschäft“ - und Staudinger hat nun einmal keine Bankenkonzession.

Knackpunkt Bankengesetz und Konzessionspflicht

Entscheidender rechtlicher Knackpunkt ist hier das BWG, konkret sind es die Paragrafen 1 und 4. Dort sind Bankgeschäfte (Zahlungsverkehr, Einlagen- und Kreditgeschäft u. a.) genau definiert und an eine Bankenkonzession gekoppelt: „Der Betrieb der (...) Geschäfte bedarf der Konzession der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA).“

Staudinger ist das ein Dorn im Auge, vor allem, wenn sich Beteiligungen in einem vergleichsweise kleinen Rahmen halten, schließlich handle es sich meist auch um eher kleine Projekte. „Es kann doch nicht sein, dass ich einen Rechtsanwalt brauche, wenn ich jemandem 5.000 Euro borgen will.“ Er lasse sich sein Modell „sicher nicht zusammenhauen“.

Norbert Hackl

Labonca Biohof

Biolandwirt Norbert Hackl: Wunsch nach „Mitmachen“ kam von Kunden

Biobetrieb setzt auf „Tauschobjekt Lebensmittel“

Ebenfalls auf ein Beteiligungsmodell setzt der steirische Biolandwirt Norbert Hackl (Labonca Biohof) für sein Projekt „Weideschlachthaus“, das seinen Tieren künftig den Transport zur Schlachtung ersparen soll. Allerdings ist Hackls Idee keine Beteiligung im rechtlichen Sinn, und daher bleibt ihm auch Ärger erspart. Interessenten an seinen „Genussscheinen“, mit denen das Projekt finanziert wird, kaufen nämlich weder Firmenanteile noch erhalten sie Zinsen (in Geldform), wie Hackl im Gespräch mit ORF.at erklärte. Einfach gesagt erwerben sie Gutscheine und bekommen dafür Waren in einem höheren Wert.

Auf die Idee hätten ihn Kunden gebracht, so der Biolandwirt aus der oststeirischen Gemeinde Burgau. Die hätten den Wunsch nach „irgendwie Mitmachen“ geäußert. Genauso gut wäre auch eine Finanzierung über den klassischen Weg Bank möglich gewesen. Aber ihm habe auch gefallen, dass über sein Modell „Lebensmittel wieder zu einem Tauschobjekt“ werden. Hackl hält auf einer Fläche von etwa 20 Hektar ständig rund 200 bis 250 seiner „Sonnenschweine“ im Freiland.

Es wird rechtlich rasch komplex

Darauf, dass es Alternativen zum Bankkredit gibt, ohne dass man auf ihr Radar gerät, verweist auch die FMA. Grubelnik nennt als Beispiele etwa Genossenschaften oder Unternehmensanleihen. Allerdings kommt hier zumeist wieder die Prospektpflicht nach dem Kapitalmarktgesetz (KMG) zum Tragen, die detaillierte Information über Art und Risiken der Veranlagung verlangt, zumindest wenn eine Grenze von 100.000 Euro überschritten wird - sprich es wird wieder aufwendig und rechtlich komplex.

Staudinger ist an diesem Punkt für die Zukunft aber optimistisch. Er sieht mittlerweile eine „große Bereitschaft“ für eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dafür rief er eine „Bürgerinitiative betreffend allgemeine Freiheit der direkten Kreditgewährung“ unter dem Motto „Wir sind viele“ ins Leben und lieferte auch gleich einen Vorschlag für ein „BürgerInnen-Direktdarlehensgesetz 2013“ an den Nationalrat mit - mit dem Ziel der „Herstellung eines klaren rechtlichen Rahmens für Finanzierungsformen außerhalb des Finanzsektors“. Mit Stichtag Donnerstag hatte die Petition fast 26.000 Unterzeichner.

Unternehmen wollen laut Umfrage Alternativen

Jedenfalls wäre ihm bedeutend lieber, so Staudinger gegenüber ORF.at, wenn „die Leute Geld in regionale Strukturen, die sie kennen und denen sie vertrauen“ investieren könnten - und das möglichst einfach und „mit Handschlag“ -, anstatt „das Geld im globalisierten Wahnsinn zu versenken“. Diese Perspektive wünsche er sich für alle Klein- und Mittelbetriebe (KMU), so der „Waldviertler“-Erfinder.

Damit ist er offensichtlich nicht allein. Der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) stellte Anfang April in einer Umfrage zur Debatte, ob der Kredit „ausgedient“ habe. Bei der Erhebung, an der sich rund 1.700 Unternehmen (vor allem österreichische KMUs) beteiligten, sprach sich eine Mehrheit für Alternativen zum „klassischen“ Bankkredit aus. 60 Prozent der Befragten gaben laut KSV1870 an, dass es heute schwieriger als früher sei, einen Kredit zu bekommen, da mehr Sicherheiten verlangt würden.

Konkret beantworteten 54 Prozent die Frage „Brauchen Ihrer Meinung nach die heimischen Unternehmen mehr Finanzierungsalternativen zu (Bank-)Krediten? Sollte hier mehr legalisiert/gefördert werden?“ mit ja, so der Kreditschutzverband auf Nachfrage von ORF.at. Von den Umfrageteilnehmern hätten über 600 ihre Zustimmungen auch ausführlicher begründet, fast 250 sich für die Legalisierung privater Beteiligungsmodelle ausgesprochen, wobei sehr oft Staudingers GEA als Beispiel genannt worden sei. Einige Umfrageteilnehmer hätten schließlich angegeben, „dass sie sich alternative Modelle wünschen, aber zu wenig darüber wüssten“.

Wirtschaftskammer startet Initiative

Handlungsbedarf räumten zuletzt auch Wirtschaftskammer (WKÖ) und Junge Wirtschaft in einer gemeinsamen Presseaussendung unter dem Titel „Österreichs Unternehmen durch besseren und einfacheren Zugang zu alternativen Finanzierungen stärken“ ein. Ein vorgeschlagenes Maßnahmenpaket reicht von einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft neu über Crowdfunding (Finanzierung über private Geldgeber, Anm.) bis hin zu Beteiligungsgesellschaften.

Erste Schritte, „Crowdfunding auf rechtlich sichere Beine zu stellen“ wären etwa eine Neudefinition des Begriffs Einlagengeschäft im BWG, wenn es um die Finanzierung realer Sachwerte geht - oder aber auch Änderungen im KMG, beispielsweise in Form einer „gestaffelten“ Prospektpflicht. Vereinfacht gesagt soll die Pflichtinformation über die Risiken von Beteiligungen mit zunehmender Höhe Hand in Hand gehen: je höher, desto genauer, von „mini“ bis „maxi“, so der Vorschlag von WKÖ und Junger Wirtschaft.

WKÖ-Präsident Christoph Leitl gab in der Aussendung als Ziel einen „Initiativantrag aller Parteien des Nationalrats und eine einstimmige Beschlussfassung noch vor der Nationalratswahl im Herbst“ aus. Kommende Woche will sich der Finanzausschuss des Nationalrats mit dem Thema befassen.

Georg Krammer, ORF.at

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