Aschenputtel auf Kanadisch
Der Aufstieg des mittlerweile 19-jährigen Kanadiers Justin Bieber liest sich wie eine Mischung aus Aschenputtel und der beinharten Marketing-Maschinerie in Zeiten des Web 2.0. Seine Mutter Pattie Mallette schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, Geld für eine musikalische Ausbildung ihres Sohnes gab es nicht.
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Als der Zwölfjährige bei einem Talentwettbewerb den zweiten Platz machte, stellte sie das Video des Auftritts auf YouTube, damit es auch Verwandte sehen konnten. Ermutigt vom Erfolg sang Justin weiter, und seine Mutter stellte die Videos ins Netz, wo sie der Musikproduzent Scooter Braun entdeckte. Der Rest ist Geschichte.
Über Twitter in die Charts
Zuvor musste sich die Mutter allerdings noch in einem Gebetskreis ihrer Kirche dazu durchringen, den Sohn der Welt des Showbusiness zu überantworten. 2008 wurde der Plattenvertrag unterzeichnet, die erste Single erreichte im Juli 2009 die US-Charts, bereits die dritte Single „Baby“ und das Album „My World“ schlugen dann voll ein - mit enormer Unterstützung der Musikindustrie.
Den Erfolg seiner YouTube-Videos wiederholend, setzte man voll auf Web 2.0. Kaum ein Popphänomen konnte das Internet so schnell dominieren - und mit Hilfe von Facebook und Twitter eroberte Bieber die Charts. Zusätzliche Schützenhilfe bekam er von arrivierten R&B-Stars wie Ludacris und Usher.
Frisur als Aufreger
Die restlos begeisterten Fans lösten jedenfalls im ekstatischen Überschwang auch schon das eine oder andere Malheur aus. So rannten die Fans die Mutter Biebers einmal auf dem Flughafen in Neuseeland über den Haufen. Mahnende Worte per Twitter folgten, ein Fan gab in Reue sogar den gestohlenen Hut Biebers zurück.
Mit der wachsenden Begeisterung wuchs aber auch der Spott und Hohn über den Kanadier - unter anderem wegen seiner damals noch getragenen, eigenwilligen, nach vorne gekämmten Pony-Frisur. „Topfschnitt mit Musik“ etwa titelte die deutsche „taz“ ihren Versuch, das Phänomen erwachsenen Lesern nahezubringen. YouTube-Videos, die Probleme des jungen Mannes mit Glas- und Drehtüren dokumentieren, haben Millionen Zugriffe. Die Schlagworte „Justin Bieber Syphilis“ waren einige Zeit eine der meistgesuchten Begriffsgruppen auf Google.
Fast nach Nordkorea geschickt
Im Netz schoss sich vor allem das berüchtigte Anarcho-Bildpostingboard 4chan, Sammelbecken für Geschmacklosigkeiten aller Art und gleichzeitig immer wieder Quelle populärer Netzphänomene, auf Bieber ein. So schafften sie es, dass 2010 bei einer von Bieber initiierten Onlineumfrage, in welchem Land seine Tour Halt machen sollte, plötzlich Nordkorea in Führung lag.
Und Bieber selbst musste mehrmals per Twitter Gerüchten entgegentreten: „Ich bin nicht tot“, schrieb er einmal, um Berichte zu dementieren, er sei bei einem Autounfall gestorben. Und seine Mutter sei eine „moralische Frau“, schrieb er, nachdem es geheißen hatte, diese - eine strenggläubige Christin - habe von „Playboy“ 50.000 Dollar für Oben-ohne-Fotos angeboten bekommen.
Probleme des Erwachsenwerdens
In den vergangenen Jahren kamen dann die Probleme des Erwachsenwerdens hinzu. Die rund eineinhalbjährige Beziehung zu Disney-Schauspielerin und Sängerin Selena Gomez zerbrach Ende vergangenen Jahres. Seiner Beliebtheit bei den Fans tat das natürlich keinen Abbruch - im Gegenteil. Die dritte Platte „Believe“ sollte dann auch ein bisschen härter klingen. „Ich wollte etwas machen, das ein bisschen reifer ist.“ Nur wollte er auch seine jungen Fans nicht verlieren - ein durchaus schwieriger Spagat.
Bei den Kritikern fiel das Album durch: Als er im Februar für keinen einzigen Grammy nominiert worden war, beschwerte er sich gemeinsam mit seinem Management lautstark. Seine geplante Onlinegegenveranstaltung zur Musikpreisgala geriet zum Fiasko: Aufgrund technischer Schwierigkeiten konnte er dann doch nicht live zu seinen Fans sprechen.
Saubermann-Image angekratzt
Und in den vergangenen Wochen wurde sein Image als Saubermann gehörig angekratzt. Bilder mit einem angeblichen Joint ließen Drogengerüchte aufkommen, von langen Partynächten ist die Rede, und auch aus einem Londoner Club soll er geworfen worden sein. Zuletzt hieß es, er habe einen Nachbarn bedroht und angegriffen, der sich über die lauten Partys in seinem Haus in Calabasas nahe Los Angeles beschwert habe.
Und auch der Besuch in Wien scheint nicht ganz ohne Eklats stattgefunden zu haben. Berichten zufolge kam es in der Nacht vor dem Konzert in zwei Wiener Clubs zu Handgemengen. Biebers Securitys dürften sich demnach beim Schutz ihres Chefs vor Handysfotos als ziemlich übereifrig erwiesen haben.
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