Medwedew über Hilfspaket empört
Der russische Ministerpräsident Dimitri Medwedew hat mit Empörung auf den Rettungsplan für Zypern reagiert, der mit großen Verlusten für ausländische Anleger auf der Mittelmeer-Insel verbunden ist. „Meiner Meinung nach geht der Diebstahl von dem, was bereits gestohlen wurde, weiter“, sagte Medwedew am Montag vor Regierungsvertretern in Moskau.
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„Wir müssen herausfinden, was diese Geschichte auf die Dauer bringt“, so Medwedew weiter. Es müsse „untersucht“ werden, was die Beschlüsse für „Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem“ hätten. In zypriotischen Banken lagern nach den jüngsten Berechnungen der Ratingagentur Moody’s russische Guthaben mit einem Nominalwert von rund 24 Milliarden Euro.
Putin: „Umstrukturierung“ prüfen
Russland will allerdings nun doch einen Beitrag zur Rettung Zyperns leisten. Präsident Wladimir Putin habe die Regierung angewiesen, die Bemühungen der Euro-Gruppe zu unterstützen, sagte Putins Sprecher Dimitri Peskow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Eine mögliche „Umstrukturierung“ eines Kredits an Zypern solle geprüft werden.
Die Konditionen für den 2011 gewährten Kredit über 2,5 Milliarden Euro sollten gemeinsam „mit unseren Partnern“ auf den Prüfstand gestellt werden, so Peskow weiter. Zypern hofft auf eine Lockerung der Rückzahlungsmodalitäten für den Kredit.
Zwangsabgabe von 30 Prozent
Auf Bankguthaben von mehr als 100.000 Euro bei der marktführenden zypriotischen Bank of Cyprus eine Zwangsabgabe von 30 Prozent erhoben werden. Das teilte ein Regierungssprecher am Montag in Nikosia mit. Die Erhebung einer Zwangsabgabe wurde in der Nacht in Verhandlungen in Brüssel mit den internationalen Geldgebern vereinbart, um einen Staatsbankrott Zyperns abzuwenden.
Die konkrete Ausgestaltung obliegt der zypriotischen Regierung. Die Abgabe werde „ungefähr 30“ Prozent betragen, sagte Regierungssprecher Christos Stylianides dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Laut der Einigung mit den Geldgebern von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) wird die zweitgrößte Bank des Landes, die Laiki Bank, zerschlagen. Faule Papiere werden in einer „Bad Bank“ angesiedelt, die anderen Guthaben sollen an die Bank of Cyprus überführt werden.
Guthaben werden eingefroren
Die Guthaben über 100.000 Euro bei der Bank of Cyprus, bei der besonders viele ausländische Kunden - etwa aus Russland - Geld lagern, werden zunächst eingefroren. Sie sollen erst nach der Erhebung der Zwangsabgabe wieder freigegeben werden. Die Anleger sollen für den 30-prozentigen Abschlag auf ihre Einlagen allerdings mit einer Beteiligung an der Bank entschädigt werden, so der Vorsitzende des Finanzausschusses im zypriotischen Parlament, Nikolas Papadopoulos. Anleger der Laiki Bank müssen sich offenbar auf noch größere Verluste einstellen.
Fekter: Schmerzhafte Restruktuierung
Laut Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) wird es jetzt zügig gehen. Die Abwicklung der Laiki Bank, also die Schließung, „wird bereits heute gemacht, denn die hat keine Liquidität mehr“. Jedenfalls werde es einen „massiven Haircut der Beteiligten und Gläubiger“ geben, um auf die geforderte Eigenkapitalquote von neun Prozent bei der Bank of Cyprus kommen zu können. „Die Bank hat ja jetzt ein negatives Eigenkapital.“ Diese Restrukturierung der Banken „wird schmerzhaft sein“, so Fekter.
Erleichterung an Börsen
Mit einem Aufatmen nahmen die Finanzmärkte die Nachricht von der Einigung auf. Asiens Börsen reagierten positiv. Auch die europäischen Finanzplätzen öffneten am Montag mit positiver Tendenz. In den USA zog der Ölpreis an - ein Signal, dass in Europa eine weitere Erholung erwartet wird.
„Diese Lösung ist besser als die von vergangener Woche, weil wir uns jetzt auf die beiden Problembanken konzentrieren“, sagte Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem Montagfrüh in Brüssel. Im ersten Anlauf war eine Abgabe auf Bankeinlagen unter 100.000 Euro geplant, was in Zypern wie im Rest der Euro-Zone auf großen Protest gestoßen war.
Viele russische Anleger betroffen
Die Regierung unter dem konservativen Präsidenten Nikos Anastasiades hatte auch tagelang vergebens mit Russland über Kredite oder einen Einstieg in die Banken oder in den Energiesektor des Landes verhandelt.
Ein Großteil der betuchten Bankkunden sind Russen. Nach Vermutung des deutschen Bundesnachrichtendienstes ist Zypern ein Geldwäscheparadies, das mit hohen Zinsen und niedrigen Steuern Anleger lockt. Deshalb bestanden vor allem Deutschland und der IWF darauf, die Rettungskosten auch Bankkunden und nicht nur den Steuerzahlern in der Euro-Zone aufzubrummen. Die formelle Einigung soll erst Mitte April vorliegen.
Zyperns Kirche verlor rund 100 Mio. Euro
Die orthodoxe Kirche Zyperns dürfte nach Schätzungen ihres Patriarchen Chrysostomos II. 100 Millionen Euro durch die bevorstehende Zwangsabgabe auf Geldeinlagen in Zypern verlieren. „Die Kirche wird es aber überleben“, sagte der Patriarch am Montag in Nikosia. Die Kirche habe in schwierigen Zeiten „sogar die Abendmahlkelche verkauft“, um Krisen zu überwinden, hieß es. Er äußerte sich enttäuscht von der Haltung der EU. „Wir hatten an ein anderes Europa geglaubt“, meinte Chrysostomos. Die „großen Starken“ hätten sich aber durchgesetzt.
Banken öffnen am Dienstag wieder
Die zypriotischen Banken werden am Dienstag wieder öffnen. Das teilte die zypriotische Zentralbank am Montagnachmittag mit. Die Banken des Landes sind wegen der schweren Finanzkrise seit zehn Tagen geschlossen. Die Wiedereröffnung soll nach dem Willen der internationalen Geldgeber nicht im Chaos enden. Daraus dürften keine „zusätzlichen Probleme“ entstehen, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit Blick auf die Sorgen vor einem Ansturm der Sparer auf die Banken, die seit über einer Woche geschlossen sind.
Zu Spekulationen, ausländische Kunden hätten in den vergangenen Tagen noch im großen Stil Geld beiseitegeschafft, meinte Schäuble, das werde sehr sorgfältig beobachtet. „In den letzten Tagen hat da nicht so viel stattgefunden.“ Unter dem Strich werde es kein bequemer Weg für Zypern. Das Ziel der Europäer sei aber immer gewesen, den aufgeblähten Bankensektor an den Kosten zu beteiligen: „Damit haben wir das erreicht, was wir immer für richtig gehalten haben“, sagte Schäuble.
Harter Sparkurs verordnet
Zypern wird mit zehn Milliarden Euro Kredit aus dem Euro-Rettungsmechanismus ESM und vom IWF gestützt. Das erste Geld soll im Mai fließen. Als Gegenleistung dafür sind auch harte Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben fällig. Dijsselbloem sprach von sehr schwierigen Gesprächen. Die Verhandlungen standen nach einem Ultimatum der EZB unter hohem Zeitdruck.
Die EZB hatte gedroht, den beiden insolventen Großbanken ab Dienstag, wenn die Banken nach mehr als einer Woche Schließung erstmals wieder öffnen sollen, die Notkredite zu entziehen. Damit hätte der Kollaps des gesamten Finanzsektors gedroht, der achtmal so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes und damit als überdimensioniert gilt. Er soll bis 2018 halbiert werden und so EU-Durchschnitt erreichen.
Parlament muss nicht zustimmen
Schäuble wies darauf hin, dass für die neue Vereinbarung eine Zustimmung des Parlaments in Nikosia nicht nötig sei. Dort hatten die Abgeordneten am Freitag ein Gesetz zur Bankenabwicklung verabschiedet und zudem die Grundlage geschaffen, um Kapitalverkehrskontrollen zu verhängen. Mit der Blockade großer Überweisungen für maximal sechs Monate soll verhindert werden, dass die Anleger ihr Geld nun massenweise aus dem Land abziehen.
IWF-Chefin Christine Lagarde bezeichnete das Rettungspaket als einen „umfassenden und glaubhaften Plan“. „Diese Vereinbarung legt die Basis, um das Vertrauen in das Bankensystem wiederherzustellen. Das ist entscheidend, um das Wachstum zu stützen“, sagte Lagarde. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici meinte: „An alle, die sagen, dass wir ein ganzes Volk strangulieren: Zypern ist eine Kasinowirtschaft, die am Rande des Bankrotts stand.“
Zypriotische Regierung: Schlechtes Geschäft
„Wir haben eine ungeordnete Staatspleite abgewendet, die zu einem Abschied Zyperns von der Euro-Zone geführt hätte - mit unabsehbaren Folgen“, sagte Regierungssprecher Christos Stylianides am Montag in Brüssel. „Das ist ein schlechtes Geschäft, doch wir haben mit einem Extremszenario kämpfen müssen, das noch viel schlechter war“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der konservativen Regierungspartei, Lefteris Christoforou. „Ein neuer Tag ist für Zypern angebrochen“, sagte der frühere Notenbankchef Afxentis Afxentiou. „Ich glaube, dass es mit Zypern in zwei bis drei Jahren wieder bergauf gehen wird.“
Anastasiades hatte seit Sonntagnachmittag mit EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso, Währungskommissar Olli Rehn, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Lagarde verhandelt. Zwischenzeitlich hatte er nach Auskunft von EU-Diplomaten mit Rücktritt gedroht, falls beide Banken geschlossen werden müssten. Nach der Einigung in der Nacht verließ er das EU-Ratsgebäude kommentarlos und überließ seinem Finanzminister alle weiteren Erklärungen.
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