Abgabe auf Bankeinlagen offen
Die Staatspleite Zyperns ist in letzter Minute abgewendet worden. Die Regierung des überschuldeten Euro-Landes einigte sich nach einer teilweise dramatischen Nachtsitzung mit ihren Geldgebern auf einen neuen Rettungsplan. Gläubiger und Kunden der beiden größten Banken des Landes, der Bank of Cyprus und der Laiki Bank, werden dabei Geld verlieren - wie viel genau, steht offiziell noch nicht fest.
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„Diese Lösung ist besser als die von vergangener Woche, weil wir uns jetzt auf die beiden Problembanken konzentrieren“, sagte Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem Montagfrüh in Brüssel. Im ersten Anlauf war eine Abgabe auf Bankeinlagen geplant, was in Zypern wie im Rest der Euro-Zone auf großen Protest gestoßen war.
Laiki wird geschlossen
Der neue Plan sieht vor, dass die Laiki Bank - die zweitgrößte des Landes - geschlossen wird und damit Tausende Jobs wegfallen. Die Konten mit Beträgen bis zu 100.000 Euro, die gesetzlich von der Einlagensicherung geschützt sind, werden auf die größte Bank, die Bank of Cyprus, übergehen. Einlagen der Laiki Bank oberhalb dieser Summe werden eingefroren und in eine „Bad Bank“ übertragen. Insgesamt handelt es sich nach Dijsselbloems Angaben um 4,2 Milliarden Euro. Ob diese vollständig verloren sein werden, sei noch nicht absehbar, da bei der Abwicklung der „Bad Bank“ noch Erträge anfallen könnten.
Fekter: Schmerzhafte Restruktuierung
Laut Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) wird es jetzt zügig gehen. Die Abwicklung der Laiki Bank, also die Schließung, „wird bereits heute gemacht, denn die hat keine Liquidität mehr“. Jedenfalls werde es einen „massiven Haircut der Beteiligten und Gläubiger“ geben, um auf die geforderte Eigenkapitalquote von neun Prozent bei der Bank of Cyprus kommen zu können. „Die Bank hat ja jetzt ein negatives Eigenkapital.“ Diese Restrukturierung der Banken „wird schmerzhaft sein“, so Fekter.
Erleichterung an Börsen
Mit einem deutlichen Aufatmen nahmen die Finanzmärkte die Nachricht von der Einigung auf. Asiens Börsen reagierten positiv. Auch die europäischen Finanzplätzen öffneten am Montag mit positiver Tendenz. In den USA zog der Ölpreis an - ein Signal, dass in Europa eine weitere Erholung erwartet wird.
30-prozentiger „Haircut“?
Der Einigung war eine Woche mit einem wahren Nervenkrieg zwischen Zypern und seinen Rettern vorausgegangen. Der ursprüngliche Plan hatte eine Abgabe auf sämtliche Bankeinlagen vorgesehen. Darauf hatte Zypern bestanden, um die großen Kunden seiner Banken nicht zu stark belasten zu müssen. Die Regierung in Nikosia sollte von den Banken selbst 5,8 Milliarden Euro eintreiben. Diese Zahl gelte nun nicht mehr, sagte Dijsselbloem. Der Finanzbeitrag der Gläubiger und Kunden der Banken zu deren Sanierung sei jetzt noch nicht bezifferbar.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses im zypriotischen Parlament, Nikolas Papadopoulos, bestätigte, dass es noch keine offizielle Ankündigung zum „Haircut“ der Anleger bei der Bank of Cyprus gebe, informell habe er aber von 30 Prozent gehört. Die Anleger sollen für den 30-prozentigen Abschlag auf ihre Einlagen mit einer Beteiligung an der Bank entschädigt werden, so Papadopoulos weiter. Anleger der Laiki Bank, müssen sich auf noch größere Verluste einstellen.
Viele russische Anleger betroffen
Das Parlament Zyperns hatte den ersten Plan abgelehnt. Auch im Rest der Euro-Zone herrschte Entsetzen, dass zur Rettung eines Staates erstmals die kleinen Sparer Geld verlieren sollten. Die Regierung unter dem konservativen Präsidenten Nikos Anastasiades hatte tagelang vergebens mit Russland über Kredite oder einen Einstieg in die Banken oder in den Energiesektor des Landes verhandelt.
Ein Großteil der betuchten Bankkunden sind Russen. Nach Vermutung des deutschen Bundesnachrichtendienstes ist Zypern ein Geldwäscheparadies, das mit hohen Zinsen und niedrigen Steuern Anleger lockt. Deshalb bestanden vor allem Deutschland und der IWF darauf, die Rettungskosten auch Bankkunden und nicht nur den Steuerzahlern in der Euro-Zone aufzubrummen. Die formelle Einigung soll erst Mitte April vorliegen.
Schäuble: Banken sollen sanft öffnen
Die Wiedereröffnung von Zyperns Banken soll nach dem Willen der internationalen Geldgeber nicht im Chaos enden. Im Laufe des Tages müsse entschieden werden, wann und wie die zypriotischen Banken öffnen können. Daraus dürften keine „zusätzlichen Probleme“ entstehen, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit Blick auf die Sorgen vor einem Ansturm der Sparer auf die Banken, die seit über einer Woche geschlossen sind.
Zu Spekulationen, ausländische Kunden hätten in den vergangenen Tagen noch im großen Stil Geld beiseitegeschafft, meinte Schäuble, das werde sehr sorgfältig beobachtet. „In den letzten Tagen hat da nicht so viel stattgefunden.“ Unter dem Strich werde es kein bequemer Weg für Zypern. Das Ziel der Europäer sei aber immer gewesen, den aufgeblähten Bankensektor an den Kosten zu beteiligen: „Damit haben wir das erreicht, was wir immer für richtig gehalten haben“, sagte Schäuble.
Harter Sparkurs verordnet
Zypern wird mit zehn Milliarden Euro Kredit aus dem Euro-Rettungsmechanismus ESM und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gestützt. Das erste Geld soll im Mai fließen. Als Gegenleistung dafür sind auch harte Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben fällig. Dijsselbloem sprach von sehr schwierigen Gesprächen. Die Verhandlungen standen nach einem Ultimatum der Europäischen Zentralbank (EZB) unter hohem Zeitdruck.
Die EZB hatte gedroht, den beiden insolventen Großbanken ab Dienstag, wenn die Banken nach mehr als einer Woche Schließung erstmals wieder öffnen sollen, die Notkredite zu entziehen. Damit hätte der Kollaps des gesamten Finanzsektors gedroht, der achtmal so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes und damit als überdimensioniert gilt. Er soll bis 2018 halbiert werden und so EU-Durchschnitt erreichen.
Parlament muss nicht zustimmen
Schäuble wies darauf hin, dass für die neue Vereinbarung eine Zustimmung des Parlaments in Nikosia nicht nötig sei. Dort hatten die Abgeordneten am Freitag ein Gesetz zur Bankenabwicklung verabschiedet und zudem die Grundlage geschaffen, um Kapitalverkehrskontrollen zu verhängen. Mit der Blockade großer Überweisungen für maximal sechs Monate soll verhindert werden, dass die Anleger ihr Geld nun massenweise aus dem Land abziehen.
IWF-Chefin Christine Lagarde bezeichnete das Rettungspaket als einen „umfassenden und glaubhaften Plan“. „Diese Vereinbarung legt die Basis, um das Vertrauen in das Bankensystem wiederherzustellen. Das ist entscheidend, um das Wachstum zu stützen“, sagte Lagarde. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici meinte: „An alle, die sagen, dass wir ein ganzes Volk strangulieren: Zypern ist eine Kasinowirtschaft, die am Rande des Bankrotts stand.“
Zypriotische Regierung: Schlechtes Geschäft
„Wir haben eine ungeordnete Staatspleite abgewendet, die zu einem Abschied Zyperns von der Euro-Zone geführt hätte - mit unabsehbaren Folgen“, sagte Regierungssprecher Christos Stylianides am Montag in Brüssel. „Das ist ein schlechtes Geschäft, doch wir haben mit einem Extremszenario kämpfen müssen, das noch viel schlechter war“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der konservativen Regierungspartei, Lefteris Christoforou. „Ein neuer Tag ist für Zypern angebrochen“, sagte der frühere Notenbankchef Afxentis Afxentiou. „Ich glaube, dass es mit Zypern in zwei bis drei Jahren wieder bergauf gehen wird.“
Anastasiades hatte seit Sonntagnachmittag mit EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso, Währungskommissar Olli Rehn, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Lagarde verhandelt. Zwischenzeitlich hatte er nach Auskunft von EU-Diplomaten mit Rücktritt gedroht, falls beide Banken geschlossen werden müssten. Nach der Einigung in der Nacht verließ er das EU-Ratsgebäude kommentarlos und überließ seinem Finanzminister alle weiteren Erklärungen.
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