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Bertones Tage dürften gezählt sein

Der neue Papst Franziskus hat wenige Tage nach seiner Wahl den Untersuchungsbericht zur „Vatileaks“-Affäre um Verrat und gestohlene Dokumente im Vatikan erhalten. Am Montag traf Franziskus auch den vatikanischen Staatssekretär, Kardinal Tarcisio Bertone. Er wird mit der „Vatileaks“-Affäre eng in Zusammenhang gebracht und soll vor der Ablöse stehen.

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„Er steht ihm zur Verfügung“, sagte Papst-Sprecher Federico Lombardi über den geheimnisumwitterten „Vatileaks“-Bericht am Montag in Rom. „Ich glaube, dass er in diesen ersten Tagen eine Menge Dinge zu tun hat und keine Eile hat, ihn zu lesen“, spielte Lombardi diesen Umstand herunter. Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. hatte entschieden, dass sein Nachfolger den Bericht erhalten soll, er aber nicht dem gesamten Kardinalskollegium zugänglich gemacht werden soll.

Brisante Inhalte über Sex und Korruption?

Immer wieder kursieren Gerüchte über einen Zusammenhang zwischen den vertraulichen Berichten dreier Kardinäle über den Fall „Vatileaks“ und den Amtsverzicht Benedikts XVI. Die Kardinäle hatten dem Papst im vergangenen Juli sowie am 17. Dezember die Ergebnisse ihrer Untersuchungen mitgeteilt. Darin sollen Sex und Korruption im Vatikan eine spektakuläre Rolle spielen, berichtete die römische Tageszeitung „La Repubblica“ ohne genaue Quellenangaben.

Das im Report der drei Kardinal-Kommissare gezeichnete Bild vom Zustand der römischen Kurie sei so dramatisch gewesen, dass sich Benedikt XVI. daraufhin definitiv zum bereits angedachten Rücktritt entschlossen habe, hieß es damals in mehreren römischen Medienberichten. Von homosexuellen Seilschaften, die auch eifrig Geschäfte machen, war die Rede. Der Vatikan reagierte empört und sprach von Verleumdungen und ungeprüften Gerüchten.

Treffen mit Bertone am Montag

Inwieweit das Treffen mit Bertone in Zusammenhang mit der „Vatileaks“-Affäre stand, blieb unklar. Allein, dass die vatikanische Pressestelle von dem Treffen berichtete, war jedoch bemerkenswert: Bisher hatte der Vatikan nie über Treffen zwischen dem Papst und dem vatikanischen Staatssekretär berichtet. Beobachter gehen davon aus, dass Franziskus bald einen Nachfolger für Bertone ernennen wird, der seit 2006 einer der engsten Mitarbeiter von Papst Benedikt XVI. war.

Im Vorkonklave hatten etliche Kardinäle Bertone eine maßgebliche Mitverantwortung für die Skandale und Missstände der vergangenen Jahre im Vatikan zugeschrieben. Als möglicher Nachfolger Bertones gilt laut der „Repubblica“ der brasilianische Kardinal Joao Braz de Aviz, der vor dem Konklave offen die Privilegien der Kurie kritisiert hatte und mit Bertone auf Konfrontationskurs gegangen war. Braz de Aviz hatte unter anderem den Mangel an Transparenz in der von Bertone geleiteten Vatikanbank IOR kritisiert.

Auch „Roter Papst“ Filoni als Kandidat genannt

Zu den Favoriten für Bertones Nachfolge zählt laut der Tageszeitung „Il Messaggero“ auch der 70-jährige Papstwähler Giuseppe Bertello. Der Italiener ist als vatikanischer Regierungschef für die gesamte Infrastruktur des Kirchenstaates verantwortlich, von den Vatikanischen Museen bis hin zur medizinischen Versorgung. Er ist „Präsident des Governatorats des Vatikanstaates“, wie sein offizieller Titel seit 2011 lautet. Zuvor hat sich Bertello als Diplomat des Heiligen Stuhls mehrfach auf kirchenpolitisch heiklem Terrain bewährt.

Als weiterer aussichtsreicher Kandidat gilt laut „Repubblica“ der Italiener Ferdinando Filoni. Der Präfekt der Kongregation „für die Evangelisierung der Völker“ ist für alle Belange der Ortskirchen in Afrika und in einem Großteil Asiens zuständig, insgesamt für mehr als 200 Millionen Katholiken. Umgangssprachlich wird er aufgrund seiner Machtfülle in Anspielung auf die rote Kardinalsfarbe auch als „Roter Papst“ bezeichnet. Filoni war während des Irak-Kriegs im Jahr 2003 Nuntius in Bagdad und anschließend vatikanischer Innenminister.

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