Anwesenheitspflicht sorgt für Unmut
Für viele Yahoo-Mitarbeiter wird der Weg zur Arbeit bald deutlich länger: Firmenchefin Marissa Mayer schränkt bei ihrem Notumbau des Interneturgesteins die weit verbreitete Arbeit im eigenen Zuhause ein. Es sei absolut notwendig, dass „wir alle in unseren Büros anwesend sind“, hieß es in einer an die etwa 11.500 Beschäftigten gerichteten Mitteilung, die Ende Februar in den USA für Schlagzeilen sorgte.
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Mayer trat ihren Chefposten erst im Juli vergangenen Jahres an. Vor ihr liegt die Mammutaufgabe, das schwächelnde Yahoo-Werbegeschäft wieder auf Touren zu bringen - und das gegen starke Konkurrenten wie Google und Facebook. Sie hat ein neues Führungsteam um sich versammelt und will an die alten Erfolge von Yahoo, einem der Pioniere des Internets, anknüpfen.
Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sich Mayer bei ihren Mitarbeitern noch beliebt gemacht, indem sie die bei Google üblichen Mitarbeiterbenefits auch bei Yahoo einführte - wie neue Smartphones für alle Angestellten und gratis Essen in der Kantine. Nun ließ sie in einer Nachricht an alle Mitarbeiter ausrichten, dass das freie Arbeiten ab Juni ein Ende habe und die Anwesenheit im Büro während der gesamten Dienstzeit erwartet werde.
„Tödlich für die Moral“
Mit der neuen Regelung scheint sich Mayer aber nicht gerade beliebt gemacht zu haben, wie das gut verdrahtete US-Blog AllThingsD berichtete. Dazu habe auch der in der E-Mail angeschlagene Ton beigetragen. Ein betroffener Mitarbeiter ereiferte sich, dass zuvor getroffene Absprachen nun nicht mehr gelten würden. „Das ist ungeheuerlich und tödlich für die Moral.“
Das Yahoo-Management scheint die Anwesenheitspflicht streng durchsetzen zu wollen, was eine Formulierung in dem Schreiben an die Beschäftigten deutlich machte: „Und für alle anderen unter uns, die gelegentlich zu Hause bleiben müssen, um auf den Mann von der Telefongesellschaft zu warten: Bitte entscheidet im Geiste der Zusammenarbeit.“
Kreativität außerhalb des Büros größer?
Damit geht Mayer entgegen einem Trend, der herrschte, während sie selbst Karriere gemacht hatte. Völlig freie Zeiteinteilung, arbeiten zu Hause, im Park, am Strand oder im Büro, das war in vielen Unternehmen erlaubt: Hauptsache, die Mitarbeiter konnten ihre Kreativität ausleben, so das Credo vieler IT-Start-ups vor einigen Jahren. Laut Statistik arbeiten 24 Prozent der Angestellten in den USA zumindest einige Stunden pro Woche von außerhalb des Büros. Waren es 2005 noch 34 Prozent, sind es mittlerweile laut einer Studie des US-Instituts für Familie und Arbeit bereits 63 Prozent der Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern Heimarbeitszeit gewähren.
Ermöglicht wird Heimarbeit in vielen Fällen durch Innovationen aus dem Silicon Valley: Videochat, Instant Messaging und andere Softwarelösungen machen es Mitarbeitern in Heimarbeit möglich, trotz physischer Abwesenheit mit den Kollegen zusammenzuarbeiten. Doch in der IT-Branche setzt man wieder verstärkt auf Präsenzpflicht. Gemeinsames Arbeiten fördere die Innovationskraft, so der Tenor in der Branche.
Direkte Kommunikation als Erfolgsmodell
Viele gute Ideen würden direkt in der Firma geboren, bei spontanen Treffen am Gang oder in der Kantine, heißt es in dem Memo der Firma, das Jackie Reses, Personalchefin von Yahoo, veröffentlichte. „Geschwindigkeit und Qualität werden oft geopfert, wenn wir von zu Hause aus arbeiten.“
„Marissa versucht die Energie und Effizienz zu bündeln und die Unternehmenskultur zu ändern,“ so Gillis. „Google versucht das Leben der Mitarbeiter rund um den Campus zu konzentrieren, so dass sich die Arbeitszeit signifikant erhöht.“ Dennoch: Google und Facebook erlauben ihren Angestellten fallweise die Arbeit von zu Hause aus.
Permanentes Zusammentreffen erwünscht
Die im Silicon Valley standardmäßig angebotenen Vergünstigungen wie Gratiskantinen, Shuttlebusse, Fitnesseinrichtungen und Waschsalons sind nicht nur dazu da, die Mitarbeiter bei Laune zu halten. Sie fördern auch das gute Arbeitsklima und den beruflichen Austausch untereinander. Großraumbüros mit wenig Abstand zwischen den Tischen sind somit nicht - wie in vielen anderen Unternehmen - eine Notlösung, sondern durchaus beabsichtigt. Zusätzliche Gemeinschaftsarbeitsplätze mit gemütlichen Sofaecken sorgen für die nötige Gemütlichkeit.
Eine andere Taktik, um den Kontakt der Mitarbeiter untereinander zu erhöhen, wird bei Zappos, einer E-Commerce-Firma, die zu Amazon.com gehört, angewandt. Dort steht allen Angestellten nur ein Weg aus dem Büro offen - so trifft man sich sogar noch beim Heimgehen und erhält zusätzliche Gelegenheit, über die Arbeit zu sprechen. „So maximieren wir die zufälligen Begegnungen,“ erklärt Zach Ware von Zappos.
Den zwischenmenschlichen Kontakt maximiert man bei Zappos auch durch besonders sparsamen Umgang mit dem Platz, den man jedem Mitarbeiter zugesteht, wie man an einem YouTube-Firmenvideo deutlich erkennt.
Firmenkultur „kann man nicht per E-Mail pflegen“
Trotz beengter Verhältnisse präsentieren sich die Mitarbeiter von Zappos als besonders lustige Truppe. Partys, Sport und Scherze schweißen zusammen, und ein gutes Arbeitsklima fördert die Leistungsfähigkeit heißt es in dem Unternehmen, dessen Mutterkonzern erst kürzlich wegen unwürdiger Arbeits- und Lebensbedingungen derzeit massiv unter Beschuss geraten ist. „Der Erfolg gründet auf unserer Unternehmenskultur, und die kann man unserer Meinung nach nicht per E-Mail pflegen.“ Vor allem Kundenbetreuer bei Zappos hätten früher oft von zu Hause aus gearbeitet, heute ist Teleworking in der Firma verpönt.
Auch außerhalb der IT-Branche wird die Arbeitsplatzflexibilität derzeit einer Überprüfung unterzogen. Neben der Bank of America sind es vor allem Branchen, in denen sensible Kundendaten im Spiel sind. Für die Mitarbeiter von Yahoo heißt es jedenfalls: zurück ins Büro. Wer damit nicht einverstanden ist, muss gehen.
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