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Orbans „wichtigster Kampf“

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat sich am Dienstag für den Aufbau eines staatlichen Bankensystems in seinem Land ausgesprochen. Der Grund: Aus Sicht des konservativen Regierungschefs gibt es in Ungarn zu viele ausländische Kreditgeber.

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Orban rückt damit von dem in den meisten Ländern Osteuropas nach dem Sturz der kommunistischen Regierungen verfolgten neoliberalen Wirtschaftskurs ab. Ungarn brauche keine Hilfe von außen, so Orban. Er werde ohne fremden Einfluss regieren: „Der Kampf um Handlungsfreiheit ist der wichtigste Kampf.“

Auch der jüngste Vorstoß Orbans dürfte neuerlich für Unmut bei seinen europäischen Partnern und Investoren sorgen. Aufregung herrschte über einen Analystenkommentar der dänischen Danske Bank, der von Bloomberg zitiert wurde. Darin war von der Gefahr einer Verstaatlichung ausländischer Banken die Rede.

„Frage der Souveränität“

Der große ausländische Anteil am ungarischen Bankensektor sei „ungesund“, kritisierte Orban laut Bloomberg. Die Regierung werde die internationalen Abkommen und die wirtschaftlichen Regelungen respektieren, aber sie wolle den Anteil ungarischer Eigentümerschaft an den Finanzinstituten in Ungarn erhöhen.

Laut Orban soll mit dem angedachten staatlichen Bankensystem kleinen Unternehmen geholfen werden, ihre auf Euro und Schweizer Franken lautenden Schulden in die Landeswährung Forint umzuwandeln. Die Frage der Auslandsschulden sei vor allem eine Frage der Souveränität. Zugleich sprach sich der Regierungschef für eine Zinssenkung aus. Unternehmen müsse es ermöglicht werden, für weniger als für die derzeit verlangten acht bis zehn Prozent Zinsen Kredite aufzunehmen. Der Forint gab nach den Äußerungen Orbans um mehr als ein Prozent nach.

„Mindestens 50 Prozent“

Orban zufolge solle der ungarische Bankensektor künftig zu „mindestens 50 Prozent“ in ungarischer Hand sein, zitierte die ungarische Nachrichtenagentur MTI-Econews den Regierungschef. Laut Orban arbeitet Staatskommissar Tamas Vojnits bereits an einer Umwandlung der Spargenossenschaften in ein System für landesweite Finanzierungen. Der ungarische Staat hat vor kurzem zudem einen 38-prozentigen Anteil an der Takarekbank, der Bank der ungarischen Spargenossenschaften, übernommen. Käufer war die staatliche Ungarische Entwicklungsbank, Verkäufer die deutsche DZ Bank.

Derzeit liegt der ungarische Anteil am Bankensystem bei gut 20 Prozent. Ausländische Institute in Ungarn sind unter anderem Erste Group, Raiffeisen Bank International (RBI), die Bank-Austria-Mutter UniCredit und die Intesa Sanpaolo.

EU-Kommission überprüft Verfassungsänderung

Mit den Stimmen der konservativen Regierungsmehrheit hat das ungarische Parlament unterdessen erst Montagabend eine umstrittenen Verfassungsänderungen beschlossen. Im In- und Ausland gab es massive Proteste gegen die geplante Beschneidung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts, gegen eine massive Einmischung der Politik in die Justiz und das Hochschulwesen. Es handelt sich um die vierte Modifizierung des Grundgesetzes. Dieses trat am 1. Jänner 2012 in Kraft.

Oppositionelle zeigen Tafeln im ungarischen Parlament

APA/EPA/Szilard Koszticsak

Die Verfassungsänderung war auch im Parlament von Protesten begleitet

Scharfe Kritik kam unter anderem von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der offen von einer Gefahr für den Rechtsstaat und der Menschenrechte sprach. Trotz mehrmaliger Aufforderungen an Orban, den Verfassungsentwurf durch den Europarat prüfen zu lassen, sei das nicht geschehen, so Schulz weiter. Zuvor hatte bereits die EU-Kommission die Novelle kritisiert und eine genaue Überprüfung angekündigt.

Minister wechselt in Nationalbank-Chefsessel

Anfang März wurde zudem bekanntgegeben, dass der bisherige Wirtschaftsminister György Matolcsy neuer Gouverneur der Ungarischen Nationalbank (MNB) wird. Matolcsy, ein Gefolgsmann Orbans, gilt als umstritten. Er ist der Architekt jener - von ihm selbst so genannten - „unorthodoxen“ Wirtschaftspolitik, die darauf hinausläuft, internationale Konzerne mit hohen Steuern zu belegen, um strukturelle Reformen zu vermeiden.

Matolcsys Vorgänger Andras Simor, der vor sechs Jahren von der links-liberalen Vorgängerregierung ernannt worden war, war auf die Unabhängigkeit der Notenbank bedacht. Seit Orbans Machtantritt 2010 war er deshalb ständigen Angriffen aus dem Regierungslager ausgesetzt. Orban zufolge soll die die Nationalbank künftig aktive Maßnahmen zur Wirtschaftsbelebung setzen könnte. Die Volkswirtschaft des Landes schrumpfte allein im letzten Jahr um 1,7 Prozent - laut Experten eben wegen der unberechenbaren Wirtschaftspolitik des Tandems Orban - Matolcsy.

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