Themenüberblick

Mahnende Worte vor Spitzen der Republik

Österreich hat am Dienstag des „Anschlusses“ Österreichs an Nazi-Deutschland am 12. März 1938 gedacht. Bundespräsident Heinz Fischer sagte bei der Gedenkveranstaltung in der Hofburg, es habe in Österreich nicht nur Opfer gegeben. Österreicher seien ebenso „massiv“ an NS-Verbrechen beteiligt gewesen. Der 12. März sei damit auch ein „Tag der Schande“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Fischer verwies in seiner Rede auf die „Vorgeschichte“ bis zum „Anschluss“. Über Adolf Hitler sagte der Bundespräsident: „Er konnte die Massen in hysterische Begeisterung versetzen, indem er ihren Nationalstolz missbrauchte. Er reduzierte die Arbeitslosigkeit durch Aufrüstung für einen Krieg. Er bediente tiefsitzende Vorurteile wie Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.“ „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“, da hätten auch viele Österreicher dabei sein wollen „und schwenkten die Hakenkreuzfahne im Taumel falscher Hoffnungen.“

Erinnerung an „Fanatiker, Anhänger und Mitläufer“

„Nur durch die Mitwirkung sehr vieler Fanatiker, Anhänger und Mitläufer des NS-Regimes und auch durch gezieltes Wegschauen konnte das totalitäre System aufgebaut werden“, so der Bundespräsident. Die vielen Verbrechen des „Dritten Reiches“ hätten nicht begangen werden können ohne unzählige Täter - „größere, mittlere und kleinere Räder in der Maschinerie des NS-Staates“. Es habe aber auch jene Menschen gegeben, die über die Ereignisse im März 1938 entsetzt waren und flüchteten, Suizid begingen oder in den Widerstand gingen.

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

APA/AP/Ronald Zak

Bundespräsident Heinz Fischer am 12. März 2013

Der 12. März 1938 war ein „Tag der Katastrophe“, so Fischer, der in diesem Zusammenhang den Organisationen von Opfern des NS-Regimes seinen Respekt bekundete und aufzählte: 66.000 österreichische Jüdinnen und Juden wurden Opfer des Holocaust. Weitere 130.000 wurden vertrieben. Rund 20.000 Menschen kamen durch „Euthanasieprogramme“ ums Leben. 90 Prozent der heimischen Roma und Sinti wurden Opfer des Terrors. 9.500 Österreicherinnen und Österreichern kostete es das Leben, dass sie in den Widerstand gingen.

Österreichs „moralische Gemengelage“

Zwar habe es nach dem Ende des Krieges Prozesse gegen Kriegsverbrecher gegeben, aber viele der „mittleren oder kleineren Räder“, die das NS-System in Österreich funktionieren ließen, lebten weiterhin mit den Opfern im gleichen Staat oft unbehelligt zusammen. Die Unterscheidung zwischen Schuld und Unschuld sei in der „moralischen Gemengelage“ nach dem Krieg „enorm schwierig - und vielleicht auch nicht immer gewollt“ - gewesen.

Die Opfertheorie sei weit verbreitet gewesen und habe gelautet: „Das Übel des Nationalsozialismus kam von außen, die Befehle kamen von oben, und wir waren vor allem Opfer.“ Man habe die Katastrophe hinter sich lassen wollen, die Wunden der Vergangenheit sollten verheilen, zeigte Fischer Verständnis, mahnte jedoch ein: „Nur gereinigte und sauber gemachte Wunden können ohne Entzündungsgefahr heilen. Und dieses Saubermachen der Wunden, das hat sehr lange Zeit auf sich warten lassen.“

Gegen verordnete „Schlussstriche“

Fischer hielt fest, dass das Verbotsgesetz, das Strafgesetzbuch und der Verfassungsgerichtshof nach 1945 eine klare Linie gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung vorgegeben haben - das sei auch der bleibende Grundkonsens der Zweiten Republik. „Schlussstriche unter Verbrechen dieser Dimension" könnten jedoch "weder von einzelnen Menschen noch von Regierungen oder Parlamenten dekretiert werden.“ Fischer erinnerte an die Widerstandskämpferin Rosa Jochmann, deren Motto gelautet habe: „Vergessen nein, verzeihen ja.“

Teilgenommen haben an der Gedenkveranstaltung die Spitzen der Republik, darunter Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (ÖVP), die Bundesregierung mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), die Klubobleute Josef Cap (SPÖ), Karlheinz Kopf (ÖVP), Eva Glawischnig (Grüne) und Robert Lugar (Team Stronach). Ebenfalls im Großen Redoutensaal der Hofburg waren Altkanzler Franz Vranitzky und Seniorenbund-Obmann Andreas Khol.

Links: