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Länder ziehen mit dem Bund mit

Zahlreiche Missstandsberichte zu österreichischen Jugendämtern haben nun doch eine Wirkung gezeitigt. Bund und Länder haben sich Anfang Februar, eingedenk aller Fälle wie jenes des Kindes Cain in Vorarlberg, auf bessere Standards in der Jugendwohlfahrt geeinigt. Der Bund wird dafür mehr Geld in die Hand nehmen.

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„Mit dem neuen Vieraugenprinzip in der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung setzen wir einen wichtigen Schritt für mehr Kinderschutz in Österreich“, betonte Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nach der Verabschiedung des Gesetzes im Ministerrat. „Damit können Fälle von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung besser bewältigt und weitere Eskalationen besser verhindert werden.“ „Auf Basis des neuen Gesetzes können die Länder wesentliche qualitative Verbesserungen umsetzen“, so Mitterlehner. Die Versuche von Bund und Ländern, das Gesetz zu novellieren, dauerten Jahre - vor allem aus finanziellen Gründen.

Will beispielsweise ein Sozialarbeiter eines Jugendamtes bei „Gefahr im Verzug“ die Abnahme der Kinder verfügen, soll in schwierigen Fällen ein zweiter Kollege in diese Entscheidung eingebunden werden. Österreichweit soll es zudem einheitliche Standards für die Eignungsprüfung von Pflege- und Adoptiveltern und Beratungen für Eltern geben.

Streit übers Geld

Inhaltlich waren sich Bund und Länder in den Verhandlungen weitgehend einig. Doch wie so oft spießte es sich am Geld, weil ein neues Gesetz einen höheren Personalbedarf aufseiten der Jugendämter in den Bundesländern nach sich zieht.

Der Bund verspricht demnach auch nach der Anstoßfinanzierung Geldmittel - allerdings nicht in Form direkter Zuschüsse, sondern über den Finanzausgleich, der für den Zeitraum ab 2015 neu verhandelt werden muss.

Der parlamentarische Zeitplan bis zum Inkrafttreten sieht trotz kleiner Verzögerungen im Ministerrat folgenden Ablauf vor: Am 5. März befasst sich der Familienausschuss mit der Materie, nach den entsprechenden Beschlüssen im Hohen Haus soll das Gesetz dann mit 1. Mai in Kraft treten.

Durchbruch Anfang Februar

Im Mitterlehner-Büro konnte man Anfang Februar einen Durchbruch in den Verhandlungen mit jenen Ländern vermelden, die sich zuletzt noch quergelegt hatten. Es waren die Steiermark, das Burgenland und Oberösterreich, die wegen Finanzierungsfragen auf der Bremse gestanden waren. Eingelenkt hatten die drei, weil der Bund auch nach der Anstoßfinanzierung Geldmittel verspricht. Das allerdings nicht in Form direkter Zuschüsse, sondern über den Finanzausgleich, der für den Zeitraum ab 2015 neu verhandelt werden muss.

Konkret erhalten die Bundesländer in den Jahren 2013 und 2014 jeweils 3,9 Millionen Euro, um die entstehenden Mehrkosten abzudecken. Für den Zeitraum danach sollen Mittel in derselben Höhe „in der nächsten Finanzausgleichsperiode Berücksichtigung“ finden, hieß es nach den Verteilungsverhandlungen. Durch die Verzögerung beim Gesetz hat sich der Bund übrigens schon ein wenig Geld gespart, denn ursprünglich waren bereits für 2012 3,9 Millionen vorgesehen. Für den Familienminister ist der Weg zu einem neuen Gesetz ein „Durchbruch“, wodurch die Länder auf Basis des neuen Gesetzes „wesentliche qualitative Verbesserungen in der Jugendwohlfahrt“ umsetzen könnten.

Nicht alle sind zufrieden

Nicht alle sind aber mit dem neuen Gesetz zufrieden. Kritik kam etwa vom Bundesverband für Psychotherapie, der sich daran stößt, dass eine „weitreichende Verschärfung“ der Mitteilungspflicht auf psychosoziale Einrichtungen und Angehörige der Gesundheitsberufe gegenüber Kinder- und Jugendhilfeträgern (Jugendwohlfahrt) und der Staatsanwaltschaft sowie Gerichten vorgesehen sei.

Verschwiegenheit im Behandlungs- und Beratungskontext sei aber vielfach die Voraussetzung dafür, dass sich Betroffene überhaupt an die Jugendwohlfahrt wenden und eine Gefährdungsabklärung beginnen könne, hieß es in einer Aussendung.

SOS-Kinderdorf erwartet zwar Verbesserungen durch das neue Gesetz. In den mehrfach überarbeiteten Entwürfen sei aber vieles dem Sparstift zum Opfer gefallen. Gefordert wird ein österreichweit einheitlicher Rechtsanspruch auf Hilfe für junge Menschen über 18, weiters müsse das Kinder- und Jugendhilfegesetz auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten. Für SOS-Kinderdorf braucht es außerdem „konkrete Maßnahmen, die eine Umsetzung und Evaluierung des Gesetzes sichern“.

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