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Ein Debütant als cooler Routinier

Die Freude war bei den Gewinnern und Vertretern des offiziellen Österreich groß: Michael Haneke wurde in der Nacht auf Montag bei der Oscar-Gala für „Amour“ mit dem Preis für den besten nicht englischsprachigen Film ausgezeichnet. Christoph Waltz erhielt bereits seinen zweiten Oscar als bester Nebendarsteller in einem Film von Quentin Tarantino.

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Haneke (70) gab sich auf der Bühne als cooler Routinier, obwohl es sich um seinen ersten Oscar handelt. Ruhig und gefasst trug er seine Dankesrede vor - obwohl diese inhaltlich emotional war. Nach dem obligatorischen, gefasst vorgetragenen Dank an Vertrieb, Produzenten und Crew dankte er „meiner Frau, die auch Teil der Crew war“. „Sie unterstützt mich seit 30 Jahren“, so Haneke, „du bist das Zentrum meines Lebens.“

Große Dankbarkeit zeigte er auch gegenüber seinen beiden Hauptdarstellern Jean-Louis Trintignant und der ebenfalls nominierten, aber leer ausgegangenen Emmanuelle Riva. Als einziger Preisträger ließ sich der österreichische Regisseur nach der Verleihung hinter der Bühne vor Journalisten nicht blicken. Eine Erklärung hatten die Academy-Organisatoren nicht.

Über die Schulter zu spucken „hat offenbar gewirkt“

Erst beim Empfang der Österreichischen Residenz war dem Preisträger ein Kommentar zu entlocken. „Wir haben uns vorher über die Schulter gespuckt, und es hat offenbar gewirkt“, berichtete Haneke von einer Begegnung mit Waltz vor der Verleihung.

Schauspielerin Jennifer Garner überreicht Regisseur Michael Haneke den Oscar

APA/AP/Invision/Chris Pizzello

Haneke will den Oscar bei sich zu Hause aufbewahren

Die Goldfigur habe für ihn keinen anderen Stellenwert als etwa die Goldene Palme von Cannes und der französische Filmpreis Cesar: „Man kann das auch schwer vergleichen. Aber natürlich ist der Oscar für den Verkauf eines Films der wichtigste Preis.“ Die meisten Preise lagere er in den Räumlichkeiten seiner Wiener Produktionsfirma Wega Film, den Oscar jedoch werde er wohl mit nach Hause nehmen: „Aber ich will keine Galerie aufmachen.“ Im Ö1-„Mittagsjournal“ betonte Haneke, dass sein Erfolg gleichzeitig auch einer der österreichischen Filmförderung sei, die ihm in jener Zeit sehr geholfen hätte, als er selbst noch kaum bekannt war und seine Filme wenig Publikum erreichten - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Sein vom ORF koproduziertes Drama über ein altes Ehepaar, dass mit einer schweren Erkrankung der Frau zurechtkommen muss, war abgesehen vom besten nicht englischsprachigen Film in vier weiteren Kategorien nominiert, konnte in diesen aber nicht reüssieren: „Bester Film“, „Bestes Drehbuch“, „Beste Regie“ und „Beste Hauptdarstellerin“ (Riva).

Waltz dankt Tarantino

Anders als Haneke rang Waltz sichtlich um Fassung. Kurzatmig und nervös zollte er in seiner Dankesrede seinen Mitnominierten Alan Arkin, Philip Seymour Hoffman, Tommy Lee Jones und Robert De Niro Respekt. Sein „grenzenloser Dank“ galt aber vor allem seiner Rolle Dr. King Schultz und damit „dem Erschaffer dieser inspirierenden Welt“: Quentin Tarantino.

Oscar-Preisträger Christoph Waltz

APA/AP/Invasion/John Shearer

Waltz hat „an einer Heldenreise teilgenommen, und dieser Held war Tarantino“

Nicht ohne Pathos nahm Waltz auf die Wagner-Referenz in „Django Unchained“ Bezug: „Wir haben an einer Heldenreise teilgenommen, und dieser Held war Quentin“, so Waltz in Richtung Tarantinos. „Du hast den Berg erklommen, weil du keine Angst vor ihm hast, du hast den Drachen bezwungen, weil du keine Angst vor ihm hast. Und du hast den Feuerkreis durchschritten, weil du es wert warst.“ Waltz kämpfte mit den Tränen - in der einen Hand hielt er den Oscar, in der anderen den Umschlag mit seinem Namen darin.

„Ich bin kein Buchhalter“

Vielleicht war es auch Waltz’ Aufregung geschuldet, dass manche seiner Antworten auf Fragen internationaler Journalisten nach der Verleihung recht kratzbürstig ausfielen. Wie er sich fühle, wollte oder konnte er nicht sagen. „Raten Sie einmal“, so Waltz. „Das ist jetzt, glaube ich, gerade fünf Minuten her - oder sieben. Ich war auf einer Liste mit den großartigsten Schauspielern, die es gibt: Robert De Niro, Alan Arkin, Tommy Lee Jones und Philip Seymour Hoffman. Was glauben Sie, wie sich jemand fühlt, wenn plötzlich sein Name in diesem Kontext genannt wird? Ich kann es Ihnen nicht sagen, tut mir leid.“

Nach dem zweiten Gewinn sei er immer noch im Schock, „das ist der Grund, warum meine Antworten nicht zusammenhängend sind, aber das ist mir egal“. Danach lehnte er die Bitte eines Journalisten ab, auf Deutsch zu antworten, und konnte wenig damit anfangen, als europäischer Schauspieler für eine Rolle im größten Western-Kassenschlager der Filmgeschichte ausgezeichnet worden zu sein. „Ich bin nur ein Schauspieler, kein Buchhalter“, meinte Waltz. „Ich liebe diesen Film nicht dafür, dass er der mit den höchsten Einspielzahlen ist. Ich liebe diesen Film, weil er ein fabelhaftes, aufregendes Stück Entertainment mit einer wirklich tiefen Botschaft ist.“

Schmied: „Herausragende Leistung“

Ungetrübte Freude herrschte unter heimischen Politikern vor. Bundespräsident Heinz Fischer würdigte den Preis für Haneke und Waltz als „Beweis dafür, dass Österreich in den letzten Jahren zu einem weltweit anerkannten Filmland geworden ist“. Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) sah allein die fünf Nominierungen für „Amour“ und jene für Waltz als eine „herausragende Leistung unter den Weltbesten“ und als „Beweis, dass Qualität sich durchsetzt“.

Regisseur Michael Haneke mit Oscar und Bundesministerin Claudia Schmied

APA/Roland Schlager

Haneke ließ sich nach der Verleihung bei einem Empfang der Österreichischen Residenz feiern

Glückwünsche kamen auch von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ): „Ich gratuliere den beiden für ihre Leistungen, die ihnen verdienterweise die begehrten Filmpreise eingebracht haben. Ich wünsche Christoph Waltz und Michael Haneke, dass sie auch bei ihren kommenden Projekten und Rollen mit so viel Freude und Kraft an der Arbeit sein können, wie sie es offenkundig bei den nun prämierten Filmen waren.“

„Ein gutes Jahr für Österreich“

Aber nicht nur die Politik gratulierte, auch die Filmbranche zeigte sich durchwegs begeistert. Die Kollegen Stefan Ruzowitzky und Ulrich Seidl freuten sich sowohl für Haneke als auch für den österreichischen Film an sich. Auch wenn sich beide mehr Anerkennung österreichischer Filme durch das heimische Publikum wünschen würden. Viennale-Präsident Eric Pleskow zog die Bilanz eines „guten Jahrs für Österreich“.

Für den Direktor des Österreichischen Filminstituts (ÖFI), Roland Teichmann, sind die Auszeichnungen „ein Wahnsinn“. Die Diskussionen über die nationale Zugehörigkeit von „Amour“ sind für ihn dagegen nicht zielführend. „Es haben alle das gegeben, was geht, insofern ist es im besten Sinn ein europäischer Film von einem österreichischen Regisseur und Autor.“

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bereite es in diesem Fall große Freude, sich wiederholen zu können: „Ich gratuliere Michael Haneke und seinem Team sehr herzlich. Die einhellige internationale Anerkennung für das Meisterwerk ‚Amour‘ ist hochverdient.“ Auch Fernsehdirektorin Kathrin Zechner gratulierte Haneke „sehr herzlich zur erneuten Auszeichnung für sein Meisterwerk“. Sie freue sich auch sehr über die erneute große Anerkennung für Waltz. „Leidenschaft und Professionalität aller Beteiligten vor und hinter der Kamera ermöglichen Meisterwerke, die Millionen Menschen berühren.“

„Erfolg für Österreich“

Zahlreiche anerkennende Worte waren auch in Medien zu lesen. Der deutsche „Spiegel“ etwa schrieb online: „Erfolg für Österreich: Hollywood ehrt den Schauspieler Christoph Waltz und den Regisseur Michael Haneke mit dem Oscar.“ Auf der Website der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es: „Die deutschsprachigen Nominierten punkten in Hollywood: Den Anfang macht ein sichtlich gerührter Christoph Waltz, dann gewinnt auch Michael Hanekes ‚Liebe‘.“ Die „Süddeutsche“ postete auf Facebook ein Foto mit einem Österreich- statt einem Hollywood-Schriftzug in den Hollywood-Hills.

Der britische „Guardian“ schrieb: „‚Amour‘, geschrieben und umgesetzt von Regisseur Michael Haneke, hat wenig überraschend den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film gewonnen, in einer Kategorie, in der der Film der heiße Favorit war.“

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