Ruf nach Aufklärung in Deutschland
Neben Pferdefleisch in Tiefkühllasagne & Co. und gifthaltigem Maisfutter wird das Vertrauen der Verbraucher in Deutschland derzeit auch in einem weiteren Lebensmittelskandal auf die Probe gestellt. Millionen Eier sollen fälschlich als Bioeier ausgegeben worden sein. Es geht auch um Massenhaltung der Hühner. Ob falsche Bioeier in den österreichischen Handel gelangten, ist noch unklar.
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Beim nun vom deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ aufgedeckten Skandal sollen Millionen Eier vor allem aus Niedersachsen als angebliche Bioeier verkauft worden sein. Die Legehennen sollen in überbelegten Ställen nicht so gehalten und gefüttert worden sein, wie es für Bioeier vorgeschrieben ist.
Am Montag schaltete sich die beim Agrarministerrat in Brüssel weilende deutsche Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) ein. „Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, geht es hier um Betrug im großen Stil: Betrug an den Verbrauchern, aber auch Betrug an den vielen Bioblandwirten in Deutschland, die ehrlich arbeiten“, sagte Aigner. Vor dem Hintergrund des Pferdefleischskandals, der Europa erschüttert, beraten die EU-Landwirtschaftsminister am Montag und Dienstag auf einem Treffen in Brüssel über eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel.
„Gesetze alleine nützen nichts“
Aigner verwies darauf, dass Vorgaben an Biobetriebe sehr streng seien und strikt eingehalten werden müssten. Es nütze nichts, wenn Bund und EU immer weiter Gesetze verschärften. „Die zuständigen Kontrollbehörden der Bundesländer müssen diese Gesetze auch überwachen“, sagte sie. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt gegen rund 100 Betriebe in Niedersachsen.
Etwa 50 weitere Verfahren wurden an Ermittler in anderen Bundesländern abgegeben. Betroffen sein sollen auch Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in den Niederlanden und Belgien. Erste Verfahren wurden laut „Spiegel“ bereits im Herbst 2011 eingeleitet.
Verdacht auch in Thüringen
Auch bei zwei Betrieben in Thüringen besteht der Verdacht, dass die Kennzeichnung von Bioeiern nicht korrekt war. Bei Kontrollen in beiden Betrieben mit Legehennenhaltung im Raum Weimar-Jena seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, sagte eine Sprecherin des Thüringer Landwirtschaftsministeriums am Montag. Es bestehe der Verdacht, dass die Eier falsch deklariert wurden, weil bestimmte Vorgaben für Bioeier von den Betrieben nicht erfüllt wurden, sagte Ministeriumssprecherin Anne Holl.
Staatsanwalt: Flächendeckende Praxis
Betrügereien bei der Hühnerhaltung und der Eierkennzeichnung sind nach Angaben der Ermittler weit verbreitet. „Es scheint relativ flächendeckend Praxis gewesen zu sein“, sagte der Leiter der Oldenburger Staatsanwaltschaft, Roland Herrmann der Nachrichtenagentur dpa am Montag. Seine Behörde ermittelt gegen rund 100 Betriebe in Niedersachsen, die zu viele Tiere in einem Stall gehalten haben sollen. Die Betriebe seien alle durchsucht worden, sagte Herrmann. Gegen einige stehe das Verfahren kurz vor dem Abschluss. Die Ermittlungen werden insgesamt aber noch längere Zeit dauern.
Schwachstelle Kontrollen
Die Grünen-Politikerin Renate Künast forderte eine schärfere Kontrolle von landwirtschaftlichen Betrieben. „Wichtig ist, dass vorne die Kontrollen ordentlich funktionieren. Das haben sie hier, auch die staatlichen, nicht getan“, sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Kontrolleure prüften in den Betrieben zwar das Futter und die Haltung der Tiere im Allgemeinen, nicht aber die Zahl der Hühner insgesamt.
„Wir müssen einen Weg finden, zu zählen“, sagte die ehemalige Landwirtschaftsministerin. Sollten die Ermittlungen tatsächlich ergeben, dass Bio- und Freilandbetriebe Legehennen entgegen den Vorschriften auf engstem Raum hielten, müssten diese laut Künast auch öffentlich genannt werden.
„Ziemliche kriminelle Energie“
Auch der neue niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) will eindeutige Konsequenzen. „Wir prüfen dann, ob man den überführten Betrieben (...) die Betriebserlaubnis entzieht“, sagte Meyer im ARD-„Morgenmagazin“. Hinter der möglichen gravierenden Verbrauchertäuschung könne sich eine „ziemliche kriminelle Energie“ verbergen, so der Grünen-Politiker.
„Es geht hier nicht nur um Biobetriebe, es geht um alle Haltungsformen. Es geht um Käfig-, Boden-, Freilandhaltung, wo möglicherweise deutlich mehr Hühner gehalten worden sind als erlaubt.“ Meyer, ein engagierter Kämpfer gegen Massentierhaltung, hatte erst vor knapp einer Woche das Amt als neuer niedersächsischer Landwirtschaftsminister aufgenommen.
Vier Quadratmeter Auslauffläche
Für die Freilandhaltung von Hühnern sind mindestens vier Quadratmeter Auslauffläche pro Huhn vorgeschrieben. Freilandeier dürfen nur dann als „Bio“ in den Handel, wenn auch bestimmte Futtermittelauflagen erfüllt werden. Unklar ist noch, warum die Vorwürfe erst jetzt bekanntwurden. In Hannover werde laut „Spiegel“ das Zurückhalten der Informationen damit begründet, dass man die Ermittlung nicht gefährden wollte.
Das Magazin vermutet, dass der CDU Schlagzeilen über einen Ökoskandal höchst ungelegen gekommen wären, denn die Massentierhaltung hatte im Landtagswahlkampf eine große Rolle gespielt. Nun wird wegen möglicher Verstöße gegen das Lebensmittel- und das Futtermittelgesetzbuch sowie das ökologische Landbaugesetz ermittelt. Verstöße könnten mit Geldstrafen und Haftstrafen von bis zu einem Jahr geahndet werden. Auch Betrugsvorwürfe müssten geprüft werden.
Österreicher wegen Eierbetrugs verurteilt
Dass bei österreichischen Bioeiern nicht immer alles sauber ist, beweist der letzte Woche zu Ende gegangene Prozess gegen einen 51-jährigen Steirer. Er wurde zu 39 Monaten unbedingter Haft verurteilt, weil er zahlreiche Eier falsch deklariert und dann als Bioeier verkauft haben soll. Das Urteil ist nicht rechtskräftig - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
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