Verteidigung setzte sich durch
Der wegen Mordes angeklagte Paralympics-Star Oscar Pistorius kommt auf Kaution frei. Das entschied ein Gericht in Pretoria am Freitag und gab damit einem Antrag der Verteidigung statt. Richter Desmond Nair stellte vorab klar, dass er mit seiner Anordnung nicht über die Schuld von Pistorius am Tod von dessen Freundin entscheide, sondern lediglich die „Interessen der Justiz“ im Blick habe.
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Es bestehe keine Fluchtgefahr, sagte Nair. Außerdem gehe von Pistorius keine akute Gefahr für die Gesellschaft aus. Nach der Entscheidung brachen Familienangehörige und Anhänger des Stars im Gerichtssaal in Jubel aus. Pistorius selbst zeigte dagegen keine Regung. Die Verteidigung von Pistorius hatte zuvor auf eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung plädiert.
Die Kaution wurde mit einer Million Rand (85.600 Euro) festgelegt. 100.000 Rand waren sofort fällig, der Rest in einer Woche. Zudem muss er seinen Pass und seine Waffen abgeben, darf sein Haus nicht betreten und muss sich jeweils montags und freitags bei der Polizei melden. Am 4. Juni muss Pistorius erneut vor Gericht erscheinen.
„Zu bekannt für Flucht“
Eine solche Anklage würde eine weitere Inhaftierung des wegen Mordes beschuldigten 26-Jährigen nicht rechtfertigen, betonte Anwalt Barry Roux am Freitag zum Ende einer viertägigen Anhörung vor dem Magistratsgericht in Pretoria. Pistorius wäre auch zu bekannt, um aus Südafrika zu flüchten, führte er ebenfalls als Argument an. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte den beinamputierten Profisportler hingegen des Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp (29).
Zu Beginn des Verhandlungstages hatte der Staatsanwalt versucht, die Glaubwürdigkeit von Pistorius infrage zu stellen. Die Schilderungen des Athleten über den Verlauf der Tatnacht seien „nicht wahr“, seine Version „unwahrscheinlich“, sagte Gerrie Nel. Der Angeklagte dürfe weder wegen seiner Behinderung noch seiner Berühmtheit anders behandelt werden als jeder andere Verdächtige in Südafrika.
Chefermittler ausgewechselt
Am Donnerstag war der bisherige leitende Ermittler Hilton Botha von dem Fall abgezogen worden, nachdem bekanntgeworden war, dass er selbst des versuchten Mordes in sieben Fällen verdächtig ist. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten einander am Donnerstag erneut eine erbitterte Wortschlacht über eine mögliche Freilassung des Athleten gegen Kaution geliefert.
Pistorius-Anwalt Barry Roux prangerte vor dem Magistratsgericht in Pretoria angebliche Falschinformationen des Staatsanwalts und krasse Fehler der Ermittlungsbeamten am Tatort an. Da es keine Beweise für den Mordvorwurf der Staatsanwaltschaft gebe, müsse Pistorius bis zum Prozessbeginn gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt werden, sagte der Anwalt.
Pistorius: Aus Versehen erschossen
Der beinamputierte Profisportler wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, am Donnerstag vergangener Woche Steenkamp ermordet zu haben. Der 26-Jährige sagt, er habe in der Nacht seine Freundin aus Versehen erschossen, weil er glaubte, im Badezimmer befinde sich ein Einbrecher.
Staatsanwalt Gerrie Nel hatte am Donnerstag argumentiert, dass Pistorius selbst dann wegen Mordes angeklagt werden müsse, wenn er durch die verschlossene Badezimmertür wirklich nur einen Einbrecher habe erschießen wollen. „Selbst nach seiner Version gab es ja keine wirkliche Bedrohungssituation.“ Pistorius sei offensichtlich darauf aus gewesen, sich zu bewaffnen, zu schießen und zu töten. „Was bleibt, ist die geplante Ermordung eines Eindringlings.“ Pistorius zeige keine Bereitschaft, die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen.
Onkel: Pistorius tieftraurig
Oscar Pistorius sei noch in einem „Schockzustand“, sagte sein Onkel Arnold Pistorius in einem Fernsehinterview am Mittwochabend. Oscar sei tieftraurig, dass er selbst es war, der seine Liebe umgebracht habe. Er werde sicher lange brauchen, um damit fertig zu werden. „Oscar wird das überleben. Es wird hart werden weiterzumachen, aber er ist einer, der überlebt.“ Pistorius droht im Fall einer Verurteilung wegen Mordes eine lebenslange Haftstrafe, mindestens aber 15 Jahre Gefängnis. In Südafrika gibt es Einrichtungen, die speziell für behinderte Gefangene ausgerüstet sind.
Nike: Beobachten Lage
Der US-Sportartikelhersteller Nike lässt seine Zusammenarbeit mit Pistorius ruhen. „Nike hat seinen Vertrag mit Oscar Pistorius ausgesetzt“, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. „Wir glauben, dass man Oscar Pistorius ein ordentliches Gerichtsverfahren ermöglichen sollte, und wir werden die Lage weiter sehr genau beobachten.“ Auch andere Wirtschaftspartner Pistorius’ verzichten zurzeit auf eine Werbung mit dem Paralympics-Star.
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