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„Es fehlen nur noch ‚Lincoln‘-Kondome“

Hollywood steht an diesem Wochenende ganz im Zeichen der Oscars. Die begehrten Trophäen werden am Sonntagabend (Ortszeit) zum 85. Mal verliehen. Vor allem Michael Hanekes Drama über den Tod und die Liebe eines alten Paares in Paris genoss in den vergangenen Tagen und Wochen viel Aufmerksamkeit - und das trotz der Abwesenheit des Regisseurs bei den PR-Terminen wegen seiner Opernproben in Madrid.

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Die fünf Nominierungen für „Amour“ haben dem österreichischen Filmemacher viel Liebe in den USA eingebracht: Selbst Steven Spielberg, wohl härtester Konkurrent in der Kategorie Regie, habe ihm eine Geschenkkiste und Gratulationen gesandt, erzählte Haneke im „Spiegel“.

Für den „Hollywood Reporter“ hat Haneke seinen Platz im „Oscar-Pantheon“ bereits sicher. Nur drei Filme wurden bisher sowohl in der Auslandskategorie als auch für den besten Film nominiert, berichtet das Branchenblatt: Constantin Costa-Gavras’ „Z“ 1969, Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ 1998 und Ang Lees „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ 2000. Alle drei wurden in der Folge zum besten ausländischen Film gekürt. In der Kategorie Regie wäre Haneke zudem der erste, der die Trophäe für ein nicht englischsprachiges Werk erhält.

Emanuelle Riva als „sentimentale Wahl“?

Seit „Amour“ mit den fünf Nominierungen auf der Oscar-Landkarte aufgetaucht ist, sei das Rennen in einigen Kategorien wieder offener als ursprünglich angenommen, erläuterte das gewöhnlich gut informierte Onlinemagazin Indiewire. Emmanuelle Riva etwa wäre an ihrem 86. Geburtstag, den sie in der Oscar-Nacht feiert, nicht nur eine „sentimentale Wahl“, sondern auch die „verdienteste Gewinnerin“. Sie würde damit die lange Zeit favorisierten Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“) und Jennifer Lawrence („Silver Linings“) ausstechen.

Aber auch Haneke könnte in zwei Kategorien überraschen: Bei der besten Regie verblasst der Stern des Frontrunners Steven Spielberg für „Lincoln“ zusehends, laut „Hollywood Reporter“ nicht zuletzt deshalb, weil die PR-Geschenke der Studios für die Academy-Mitglieder reihum zum Ärgernis wurden („Es fehlen nur noch die ‚Lincoln‘-Kondome“). Und die Kategorie des besten Originaldrehbuchs wurde zuletzt zur Frage hochstilisiert, wie die Academy sich zum Thema Gewalt in Filmen positionieren wolle, erläuterte der britische „Guardian“.

Dass diese Frage sich im Duell zwischen Haneke und Tarantino entscheiden solle, entbehrt für die Zeitung nicht einer gewissen Ironie und könnte „als der einzige Beweis für die Existenz Gottes hergenommen werden“, so der „Guardian“ lakonisch. „Das wäre, als würde man Julian Assange und Dick Cheney über Staatsgeheimnisse diskutieren lassen.“ Dass ein Filmemacher vom Status Hanekes, der mit Ingmar Bergman oder Robert Bresson verglichen wird, sich überhaupt auf eine banale Preisvergabe wie die Oscars einlasse, verwundere ohnedies.

Wettbüros sehen Haneke mit mindestens einem Preis

Seinen ersten Oscar in der Auslandskategorie dürfte sich Haneke laut Experten und Wettbüros dennoch ebenso fix abholen wie Daniel Day-Lewis seinen dritten für die Darstellung des US-Präsidenten Abraham Lincoln und Anne Hathaway für ihre Nebenrollenperformance im Musical „Les Miserables“. Ben Afflecks Thriller „Argo“ gilt zudem als großer Favorit für den besten Film - in allen weiteren Kategorien ist aber noch alles möglich.

Waltz gibt sich bescheiden

Auch Christoph Waltz darf noch auf einen zweiten Oscar für die beste Nebenrolle in „Django Unchained“ hoffen. Mit Robert de Niro, Alan Arkin, Tommy Lee Jones - mit diesen Namen auf der Oscar-Liste zu stehen, ist für Waltz „eigentlich schon genug“, wie der Oscar-Kandidat am Vortag der Preisverleihung im Ö1-Interview „Im Journal zu Gast“ gesteht. Er habe aber nichts dagegen, wenn man ihm für die Oscar-Nacht die Daumen drückt - mehr dazu in oe1.ORF.at.

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