Mordermittlungen gegen Polizeioffizier
Der leitende Polizeiermittler im Mordfall des Paralympics-Stars Oscar Pistorius steht selbst unter dem Verdacht des versuchten Mordes. Die Polizei in Pretoria bestätigte am Donnerstag, dass gegen Hilton Botha wegen siebenfachen versuchten Mordes ermittelt werde.
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Zwar sei der Fall aus dem Jahr 2011 zwischenzeitlich fallengelassen worden, er werde nun aber wieder aufgenommen. Dabei geht es um einen Vorfall 2009, als der Polizeioffizier auf einen Kleinbus mit sieben Insassen schoss, um ihn am Weiterfahren zu hindern.
Botha reagierte überrascht auf die Wiederaufnahme des Falles. „Ich verstehe nicht, warum der Fall wieder aufgenommen wurde. Ich kann mit nur vorstellen, dass es etwas mit meiner Arbeit (im Fall) Oscar Pistorius zu tun hat“, sagte Botha am Donnerstagvormittag dem Fernsehsender eNCA. Polizeisprecher Neville Malila sagte der Nachrichtenagentur dpa, Botha habe damals versucht, ein Kleinbus-Taxi aufzuhalten, und habe schließlich einige Schüsse abgefeuert.
Botha abberufen
Medupe Simasiku, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft im Fall Pistorius, sagte, man habe nichts von den Untersuchungen gegen Botha gewusst. Am Donnerstag wurde schließlich verfügt, Botha von seiner Rolle als leitender Polizeiermittler zu entbinden. Südafrikas Polizeichef Riah Phiyega begründete in Pretoria diese Entscheidung mit den wieder aufgenommenen Mordermittlungen gegen Botha.
Botha spielte am Mittwoch, dem zweiten Tag der Gerichtsanhörung im Fall Pistorius, eine zentrale Rolle. Vor dem Magistratsgericht in der südafrikanischen Hauptstadt wandte er sich wie die Staatsanwaltschaft entschieden gegen eine Freilassung von Pistorius auf Kaution. Es bestehe Fluchtgefahr, meinte er.
Nike geht auf Distanz
Der US-Sportmodekonzern Nike legte am Donnerstag seinen Sponsorvertrag mit Oscar Pistorius auf Eis. Pistorius solle die Chance auf ein faires Verfahren haben. „Wir werden die Situation genau beobachten“ - nach der Sexaffäre von Golfer Tiger Woods und dem Dopingskandal von Radfahrer Lance Armstrong kommt Nike erneut mit seiner Strategie, mit Sportstars zu werben, in die Bredouille.
Zweifel an Aussagen Bothas
Mit seiner Aussage schien Botha zunächst die Position der Staatsanwaltschaft zu stärken, im Verlauf der Aussage tauchten jedoch immer mehr Fragen auf. In einem Kreuzverhör des Pistorius-Anwalts Barry Roux musste Botha zugeben, dass am Tatort keine Belege dafür gefunden worden seien, die den Darstellungen von Pistorius widersprächen.
Botha sagte aus, dass die Flugbahn der Kugeln, die die Badezimmertür durchschlugen, darauf hinweise, dass Pistorius seine Prothesen getragen habe. Pistorius hatte dagegen ausgesagt, er sei auf seinen Beinstümpfen gegangen und habe einen Einbrecher im Bad vermutet. Diese Frage ist entscheidend, da nach Ansicht der Anklage das Anlegen der Prothesen ein klarer Hinweis auf die Vorsätzlichkeit der Tat ist.
Testosteron oder Kräutermischung?
Botha sagte weiters aus, ein Zeuge habe in der Tatnacht einen Streit gehört. Von der Verteidigung befragt, meinte Botha, der Zeuge sei etwa 600 Meter entfernt gewesen. Als er später von der Anklage befragt wurde, behauptete Botha, der Zeuge sei 300 Meter entfernt gewesen.
Auch mehrere andere Angaben - etwa, dass Testosteron im Haus von Pistorius gefunden worden sei - wurden von den Verteidigern infrage gestellt. Es handle sich dabei vielmehr um eine Kräutermischung mit einem ähnlichen Namen. Die Staatsanwaltschaft musste später einräumen, man müsse erst untersuchen, ob es sich überhaupt um Testosteron handelt. Der Richter ließ daraufhin Zweifel an der Position der Anklage erkennen, dass Pistorius fliehen könnte und daher nicht gegen Kaution freigelassen werden dürfe.
Vor Entscheidung über Kaution
Donnerstagfrüh wurde Pistorius in einem Polizeiwagen zur dritten Anhörung vor dem Gericht in Pretoria gebracht. Die Verteidigung glaubt, dass es schon allein wegen mancher Ermittlungsmängel keine Belege für einen Vorsatz für die Tötung des Fotomodels gebe. Staatsanwaltschaft und Polizei sind strikt gegen eine Freilassung des Paralympics-Stars. Es bestehe Fluchtgefahr, argumentieren sie. Die Anhörung wurde am Nachmittag auf Freitag vertagt. Dann sollte über eine mögliche Freilassung Pistorius’ auf Kaution entschieden werden.
Der beinamputierte Profisportler wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, am Donnerstag vergangener Woche seine Freundin Reeva Steenkamp (29) ermordet zu haben. Der 26-Jährige sagt, er habe seine Freundin aus Versehen erschossen, weil er geglaubt habe, im Badezimmer befinde sich ein Einbrecher.
Pistorius sei noch in einem „Schockzustand“, sagte der Onkel Arnold Pistorius in einem Fernsehinterview am Mittwochabend. Oscar sei tieftraurig, dass er selbst es war, der seine Liebe umgebracht habe. Er werde sicher lange brauchen, um damit fertig zu werden. „Oscar wird das überleben. Es wird hart werden weiterzumachen, aber er ist einer, der überlebt.“
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