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Steuer soll 35 Mrd. jährlich bringen

Österreich und zehn weitere EU-Länder können durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Einnahmen von 30 bis 35 Milliarden Euro im Jahr hoffen. Entsprechende Zahlen enthält der am Donnerstag in Brüssel vorgestellte Vorschlag der EU-Kommission für die Einführung einer Abgabe auf Bank- und Börsengeschäfte in den teilnehmenden Staaten. Den Plänen zufolge könnte die Steuer aber sogar Geschäfte weltweit erfassen.

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„Auf dem Tisch liegt nun ein Vorschlag für eine fraglos gerechte und technisch gründliche Steuer, die unseren Binnenmarkt stärken und unverantwortliche Handelspraktiken bremsen wird“, sagte der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta.

Bremse für Hochfrequenzhandel

Die Abgabe soll die Finanzbranche nicht nur an den Kosten des Kampfes gegen die Schuldenkrise beteiligen, sondern auch Methoden wie den Hochfrequenzhandel bremsen, in dem Kritiker einen Grund für Börsenturbulenzen sehen. Die alltäglichen Bankgeschäfte von Verbrauchern und Unternehmen sollen in der Regel nicht betroffen sein.

Da eine Einigung aller 27 EU-Länder unter anderem am Widerstand Großbritanniens und Schwedens scheiterte, will die Ländergruppe die Abgabe im Alleingang einführen. Neben Österreich, Deutschland und Frankreich wollen sich auch die Euro-Staaten Belgien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Slowenien und die Slowakei beteiligen. Die Länder machen zwei Drittel der Wirtschaftsleistung der EU aus. Weitere Länder können sich dem Vorhaben noch anschließen.

Unabhängig vom Handelsplatz

Die Pläne sehen eine Steuer auf Geschäfte mit Aktien und Anleihen in Höhe von 0,1 Prozent vor, der Satz für den Handel mit komplizierten Finanzprodukten (Derivaten) soll bei 0,01 Prozent liegen. Die Erhebung der Steuer soll den Kommissionsplänen zufolge weit über die elf Staaten hinausgehen und potenziell nicht nur Geschäfte in der EU, etwa auch am Handelsplatz London, sondern weltweit erfassen.

Denn die Vorschläge sehen vor, alle Geschäfte einzubeziehen, bei denen auch nur einer der Beteiligten in einem der elf Staaten sitzt. Zudem soll die Steuer auch auf alle Produkte erhoben werden, die in einem der teilnehmenden Staaten herausgegeben wurden - unabhängig vom Handelsplatz oder dem Sitz von Käufer und Verkäufer. Das heißt: Wird etwa in Hongkong eine deutsche Staatsanleihe von einem Händler mit Sitz in Singapur an einen Käufer aus den USA weitergeben, müsste die Steuer abgeführt werden.

Starttermin noch unklar

Die Staaten müssen sich jetzt auf Grundlage des Kommissionsvorschlags auf die Einzelheiten wie Höhe und Reichweite der Steuer sowie Verwendung der Einnahmen einigen. Die EU-Kommission hofft auf eine Einführung bereits zum 1. Jänner 2014. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici nannte kürzlich eine Einführung Ende 2014 als machbares Ziel. Semeta rief die elf Länder zu einem ambitionierten Handeln auf, um die „weltweit erste“ regionale Finanztransaktionssteuer ins Leben zu rufen. Was mit den Einnahmen passiert, ist noch nicht entschieden. Die EU-Kommission schlägt eine Abgabe für den Haushalt der EU vor, trifft damit aber bei einigen Ländern auf Widerstand.

Fekter sieht Verhandlungserfolg

Als „großen Verhandlungserfolg“ für Österreich bezeichnete Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) die geplante Einführung. „Unsere österreichische Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt - es hat sich gelohnt, für die Finanztransaktionssteuer zu kämpfen“, so die Finanzministerin, die für Österreich mit einem Aufkommen von mindestens 500 Mio. Euro pro Jahr rechnet.

„Österreich hat sich von Beginn an für die Einführung der Finanztransaktionssteuer eingesetzt. Mit dem Vorschlag der Kommission sind wir unserem Ziel einen weiteren wichtigen Schritt näher gekommen“, so Fekter weiter. Der Vorschlag, der jetzt am Tisch liege, entspreche „absolut den österreichischen Vorstellungen“ und sei zudem um das Emissionsprinzip ergänzt worden. Das bedeute, dass auch Transaktionen mit Wertpapieren, die in einem teilnehmenden Mitgliedsstaat emittiert wurden, der Finanztransaktionssteuer unterliegen. „So werden Umgehungen der Abgabe weitgehend verhindert werden“, so die Ministerin.

Faymann zufrieden

Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigte sich zufrieden. Es sei ein richtiger Schritt, ein Beitrag des Finanzsektors, die Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen. Der Vorschlag sei ambitioniert, aber realistisch. Jetzt gehe es darum, aufs Tempo zu drücken. Er sieht bei den Steuersätzen sogar noch Spielraum nach oben. Statt der geplanten 0,01 Prozent könne er sich bei derivativen Finanzprodukten 0,015 Prozent Steuer vorstellen, sagte Fayman am Donnerstag in einem Ö1-Morgenjournal-Interview. „Ich wäre für Erhöhungen durchaus aufgeschlossen“, so der Bundeskanzler - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, wurde indes von der Europäischen Volkspartei (EVP) zum Verhandler für die Finanztransaktionssteuer bestellt. „Meine Ziele dabei sind, außerbörsliche Geschäfte höher zu besteuern, langfristig die Transaktionssteuer zu einem EU-Eigenmittel zu machen und mittelfristig alle EU-Länder einzubeziehen“, so Karas am Donnerstag in Brüssel. „Wenn der außerbörsliche Handel höher besteuert wird als Geschäfte, die an den Börsen stattfinden, lenken wir dadurch den Handel von kaum geregelten Märkten auf geregelte Märkte um“, betonte er.

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