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Umfangreiche Testreihen starten

Seit dem Aufbrechen des EU-Pferdefleischskandals wird betont, dass es zwar um Betrug und falsche Deklarierung von Lebensmitteln geht, eine Gefährdung der Gesundheit von Konsumenten aber nicht befürchtet werden muss. Nun gibt es mit Johannes Remmel, dem Verbraucherminister des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, eine erste offizielle Gegenstimme.

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Nach dem Fund falsch deklarierter Lasagne auch in seinem Bundesland sagte der Grünen-Politiker Remmel, er könne „zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es auch gesundheitsgefährdende Elemente gibt“. Bisher fehlten jedoch umfassende Analysen. Damit sprach Remmel erstmals aus, worüber schon seit dem Bekanntwerden der Affäre spekuliert wurde: dass eventuell auch Fleisch von Reitpferden im Umlauf ist, das Rückstände des Medikaments Phenylbutazon enthält.

Fleisch von voerst drei Pferden aus Großbritannien, das mit dem Medikament belastet ist, wurde in Frankreich ausfindig gemacht. Es werde vernichtet, sagte Landwirtschaftsminister Stephane Le Foll am Donnerstag in Paris. „Es ist nicht in die Nahrungsmittelkette gelangt.“

Offene Geheimnisse rund um „Bute“

Phenylbutazon ist ein schweres Schmerzmittel und Antirheumatikum, das nur in Ausnahmefällen und dann nur kurz verwendet werden sollte. Die Realität sieht freilich anders aus. Die Verwendung von (engl.) „Bute“, wie es von Eingeweihten genannt wird, als Dopingmittel für Rennpferde ist vermutlich weit verbreitet. Phenylbutazon ist vor allem wegen seiner langen Verweildauer im Körper gefährlich. Die Folgen können bis zur allenfalls tödlichen Geschwürbildung und der Schädigung des Knochenmarks reichen. Die Behandlung von „lebensmittelliefernden Tieren“ mit Phenylbutazon ist europaweit verboten.

4.000 Kadaver werden getestet

Die EU-Kommission ist sich offenbar bewusst, dass der Skandal bisher ungeahnte Dimensionen annehmen könnte. Die Kommission fordert weitreichende Phenylbutazontests bei Pferdekadavern: 1.500 in die EU eingeführte Pferdekadaver sollten untersucht werden, zudem 2.500 in Europa geschlachtete Tiere. Die Europäer verspeisen nach Angaben der EU-Kommission wissentlich jährlich 110.000 Tonnen Pferd, 70.000 Tonnen davon aus heimischer Zucht.

Bei der Fahndung nach Medikamentenrückständen in Pferdefleisch lässt die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten freie Hand. „Nichts hindert einen Mitgliedsstaat daran, weiter zu gehen, wenn er Pferde-DNA in einem verarbeiteten Produkt gefunden hat“, sagte der Sprecher von EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg am Donnerstag. In Österreich wurden vorerst im Zuge des Skandals wie in vielen anderen Ländern auch die bestehenden Routinekontrollen ausgeweitet.

Drei Festnahmen in Großbritannien

In Großbritannien wurden am Donnerstag drei Männer festgenommen - zwei von ihnen in einem Weiterverarbeitungsbetrieb in Aberystwyth an der walisischen Küste, der dritte in einem Schlachtbetrieb in West Yorkshire in Nordengland, erklärte die Polizei. Alle drei würden des Betrugs verdächtigt. Die beiden Betriebe waren am Dienstag durchsucht worden und wurden am Mittwoch von den Behörden geschlossen. Sie stehen im Verdacht, Pferdefleisch fälschlich als Rindfleisch deklariert zu haben.

EU-Beschlüsse schon am Freitag möglich

Die EU legt angesichts der Affäre jedenfalls ein bemerkenswertes Tempo vor. Bei einem Krisengipfel der Landwirtschaftsminister aller - vorerst - betroffenen Länder am Mittwochabend wurde dabei Kurs auf eine Blitzreform der EU-Lebensmittelvorschrift genommen. So soll verarbeitetes Rindfleisch künftig per DNA-Test kontrolliert werden. Bereits am Freitag sollen Experten aus allen 27 EU-Staaten über den Vorschlag aus Brüssel entscheiden.

Die ersten 2.500 Gentests könnten den Plänen zufolge schon im März stattfinden, teilte Borg nach dem Krisentreffen der acht beteiligten Staaten mit. Ergebnisse sollen Borg zufolge Mitte April veröffentlicht werden. Insbesondere Irland und Großbritannien hatten auf Genuntersuchungen gedrängt. Die EU will auch die Reform der europäischen Kennzeichnungsregeln beschleunigen.

Hoher Preis für „Billig-billig“

Möglicherweise sollen Unternehmen künftig gezwungen werden, auch bei verarbeitetem Fleisch das Herkunftsland anzugeben. Bisher gilt diese Pflicht nur für frisches Rindfleisch. Ab Dezember 2014 soll die Regelung voraussichtlich auf frisches Lamm- und Schweinefleisch sowie Geflügel ausgedehnt werden. Die frühere deutsche Umweltministerin Renate Künast (Grüne) sagte jedoch am Donnerstag, das Problem gehe viel weiter - und bestehe schlicht darin, dass Konsumenten und Produzenten nach wie vor in einer „Billig-billig-Ideologie“ gefangen seien.

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