Laut Kirchenrecht möglich
Papst Benedikt XVI. ist erst der zweite Papst, der in der rund zweitausendjährigen Kirchengeschichte zurücktritt. Bisher hatte nur Coelestin V. im Jahr 1294 nach nur wenigen Monaten sein Amt freiwillig abgegeben. Er starb 1296 in Gefangenschaft.
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Ein Papst wird auf Lebenszeit gewählt, doch nach dem Kirchenrecht ist auch ein Rücktritt möglich. Hierfür muss das Kirchenoberhaupt nicht einmal Gründe nennen. Auch muss niemand den Rücktritt eigens annehmen. Entscheidend ist allerdings, dass die Entscheidung zum Rückzug völlig freiwillig ist. In dem 1983 von Johannes Paul II. reformierten Kanonischen Recht (Can. 332. Paragraf 2) heißt es: „Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.“
„Einfältiger Sonderling“ trat zurück
Allerdings wurde vor Benedikt XVI. nur ein einziger Rückzug aus freien Stücken bekannt. Papst Coelestin V. gab am 13. Dezember 1294 nach nur fünf Monaten freiwillig sein Amt auf. Er war völlig überfordert. Kirchenhistoriker sprechen von einem unvorbereiteten und wenig gebildeten Einsiedler, der kaum Latein konnte. Die Kardinäle hätten ihn nur zum Papst gewählt, weil sie sich in fast zweijährigem Ringen nicht auf einen anderen, kompetenten Kandidaten einigen konnten. Coelestin zog sich nach seinem Rücktritt in ein Kloster zurück.
Als Gründe nannte er Krankheit, Unwissenheit (keinerlei Erfahrung in der Verwaltung der Kurie) und den Wunsch, wieder als Einsiedler zu leben. Zuvor hatte Coelestin noch eine Konstitution über die Abdankung eines Papstes erlassen. Dazu sah er sich durch den Widerstand des Volkes veranlasst, das mit einer Demonstration vor dem Amtssitz des Papstes dessen Demission verhindern wollte. Sie verzögerte sich aber nur um sieben Tage.
Andere Historiker behaupten, sein Nachfolger Bonifaz VIII. habe Coelestin zum Abdanken gedrängt. Coelestin sollte in Verwahrung genommen werden, um eine Kirchenspaltung (Schisma) zu verhindern, und floh. Ein Schiffbruch führte aber zu seiner Festnahme. 1296 starb er eines natürlichen Todes, seine Gebeine liegen in dem 2009 von einem schweren Erdbeben erschütterten L’Aquila in Italien.
Abdankungsschreiben von Päpsten im 20. Jh.
Angeblich hatte der wegen seines Schweigens zum Holocaust kritisierte Papst Pius XII. (1939 bis 1958) ein Abdankungsschreiben mit sofortiger Wirkung für den Fall vorbereitet, dass er bei der Besetzung von Rom durch die deutschen Truppen (1943 bis 1944) entführt werden sollte. Die Erklärung sollte veröffentlicht werden, sobald der Papst verhaftet und außerhalb Roms gebracht worden wäre.
Paul VI. (1963 bis 1978) und Johannes Paul II. (1978 bis 2005) hatten ebenfalls einen schriftlichen Amtsverzicht vorbereitet. Sie wollten verhindern, dass die Kirche im Fall von langer, schwerer Krankheit führungslos bliebe. Johannes Paul II. hatte jedoch selbst einmal gesagt, einen „emeritierten Papst“ könne er sich nicht vorstellen. Keines der geheim gehaltenen Amtsverzichtsschreiben kam zum Einsatz.
Benedikt XVI. selbst hatte Coelestin V. 2010 in einer Rede als Vorbild für den modernen Menschen gelobt. „Auch wir, die wir in einem Zeitalter größeren Komforts und vielfältiger Möglichkeiten leben, sind aufgerufen, sein einfaches Leben zu würdigen“, so Benedikt vor zwei Jahren im italienischen Sulmona. Benedikt XVI. habe sich außergewöhnlich oft an Coelestins Grab in L’Aquila aufgehalten und sei dort verharrt. „Er dürfte Rat gesucht haben“, glaubt der Kirchengeschichtsprofessor Rupert Klieber von der katholisch-theologischen Fakultät Wien.
Fall könnte Schule machen
Klieber sieht in Benedikts Rücktritt einen „Präzedenzfall, den es in der jüngeren Kirchengeschichte noch nicht gegeben hat“. Der Experte geht nun davon aus, dass die Vorgehensweise Schule machen wird und auch künftige Päpste ihr Amt aufgrund körperlicher Schwäche zurücklegen könnten: „Es wird wahrscheinlich üblich werden.“ Rein formell betrachtet darf man Benedikt XVI. nach dem offiziellen Rücktritt übrigens Altbischof von Rom nennen - mehr dazu in religion.ORF.at.
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