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Whiteout als Fotokunst

Whiteout nennt man ein meteorologisches Phänomen im Hochgebirge, bei dem der Boden und der Horizont nahtlos ineinander übergehen: Fotograf Walter Niedermayr verewigt diese optische Täuschung gerne in seinen Bildern von hochalpinen Regionen - und er spielt auch auf anderen Ebenen mit der scheinbaren Realität, wie er nun mit dem Bildband „The Aspen Series“ beweist.

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Die leuchtend weißen Wolken und der Schnee auf den Gipfeln der Berge des Nobelskiorts verschmelzen zu einem großen Gemälde. Bunt gekleidete Touristen bevölkern in ihrer freizeitlichen Geschäftigkeit den surrealen Raum. So zeigt Niedermayr auf einzigartige Weise die Wirklichkeit, ohne sie abzubilden.

Kunstwerk mit dem Titel "Aspen 32 2009"

Hatje Cantz Verlag

Aspen 32, 2009

Zwei Jahre lang hat er an der Serie gearbeitet, die sich in seine Werkgruppe „Alpine Landschaften“ einfügt. Nachdem er im Winter 2009 in den Nobelskiort Aspen (Colorado) eingeladen wurde, habe er sich erst einmal mit der Kulturgeschichte, der Geologie und Topographie des Colorado Valleys auseinandergesetzt, heißt es im Bildband. „Um ein Gespür dafür zu bekommen, was dort passiert, und um zu verstehen, wie Menschen kommen und gehen, musste ich nur dort bleiben und beobachten.“

Bildmontage erzeugt optische Täuschung

Die einzelnen Werke setzen sich jeweils aus zwei oder mehr Bildern zusammen. Durch geschickte Montage und die dominierende Farbe Weiß verschwimmen so die Grenzen zwischen den Bildern und dem Hintergrund. Den Bruch zwischen den Fotos nimmt man oft erst auf den zweiten Blick wahr. Durch eine Verschiebung der Kameraperspektive montiert Niedermayr Landschaften, in denen Berge, Liftanlagen und Bäume zu grafischen Mustern werden. Genauso die Menschen, die einmal mehr, einmal weniger die hyperrealistische Szenerie beleben.

Buchcover

Hatje Cantz Verlag

Buchhinweis

Walter Niedermayr: The Aspen Series. Hatje Cantz Verlag, 121 Seiten, 49,30 Euro.

Viele Arbeiten sind in mattem Schwarz-Weiß gehalten, in manchen Bildern stolpern Menschen in bunten Gewändern ins Foto - wo auch, außer auf der Piste, ist Mut zum farbigen Outfit derart verbreitet. Einige der Pistenszenen gingen als Illustrationen von Wimmelbilderbüchern problemlos durch, während in anderen die Infrastruktur der Skigebiete und die Wälder geradezu gespenstisch strukturiert wirken.

Selbstbetrug im Skiurlaub

„Man könnte meinen, die meisten Menschen sehen die Landschaft, wenn sie extra dafür anreisen“, so Niedermayr, „doch in Wirklichkeit betrügt man sich selbst.“ Zu viel Ablenkung, zu viele neue Eindrücke. Auch wenn mit den Outdoorsportarten eine Nähe zur Natur beworben werde, „die meiste Zeit fokussiert man sich auf seine eigenen Bewegungen“. Die Personen seien „wie ausgesetzt“, man könne auch sagen: „wie Marionetten“.

Vor allem geht es dem Fotografen mit seiner Arbeit jedoch um das Hinterfragen der Wahrnehmung. Seine Eingriffe sollen die Natur nicht abstrahieren, sondern durch die Irritation zu einem geschärften Blick verhelfen. Denn letztendlich macht Niedermayr mit seinen Arbeiten die intensive Nutzung und Zerstörung der Alpenregion durch Industrie und Tourismus sichtbar.

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