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Machtgeiler Mörder oder Opfer?

Das negative Bild, das die Öffentlichkeit Jahrhunderte vom englischen König Richard III. hatte, hat im Wesentlichen vor allem ein Mann einzementiert: William Shakespeare. So wie der Dichter den König porträtierte, nämlich als verkrüppelten, machtgeilen Mörder, ist der 1485 in der Schlacht gefallene Herrscher bis heute bekannt.

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Shakespeare stützte seine Dramen vornehmlich auf „Raphael Holinshed’s Chronicles“ (1577), die wiederum stark von früheren Tudor-Historikern beeinflusst war. Entstellt, missgestaltet, verschmitzt, falsch und verräterisch - so beschreibt sich Richard III. in Shakespeares Drama gleich im Eingangsmonolog selbst. Mit einem Arm „wie einem dürren Strauch“, einem „Berg am Rücken“ und Beinen von „ungleichem Maß“ kommt der Herrscher optisch recht schlecht weg.

Wie sah Richard III. wirklich aus?

Oft wurde angenommen, dass die körperlichen Schilderungen nicht der Wahrheit entsprächen, sondern auf eine Propaganda der nachfolgenden Herrscher zurückgingen. Viele unterstellten aber auch Shakespeare, die körperliche Missgestaltung erfunden zu haben. Der äußerliche Makel sei als Symbol für innere Verkommenheit zu werten, mutmaßten viele - vor allem weil es keine zeitgenössischen Berichte darüber gibt, dass Richard III. tatsächlich einen Buckel hatte.

Portrait von William Shakespeare

AP/Lefteris Pitarakis

William Shakespeares „Richard III.“ ist der letzte Teil seiner York-Tetralogie

Mit dem Fund des Skeletts des Königs ist diese Theorie zumindest in Teilen widerlegt: Tatsächlich weisen die Gebeine eine nicht zu übersehende Krümmung der Wirbelsäule auf. Dass Richard allerdings so entstellt war, wie Shakespeare beschreibt, ist für Historiker nach wie vor unwahrscheinlich: Der König kämpfte in mehreren Schlachten und war als reitender Kämpfer in schwerer Rüstung bekannt.

Von Shakespeare ins schlechte Licht gerückt

Doch nicht nur der äußerlichen Erscheinung, auch dem Lebenslauf des Herrschers aus dem Hause Plantagenet hängte Shakespeare so einiges an, was Richard III. in einem (milde ausgedrückt) deutlich ungünstigeren Licht erscheinen lässt.

So brachte Richard III. etwa den abgesetzten König Heinrich VI. mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht selbst um die Ecke: Er weilte zum Zeitpunkt des Todes seines Vor-Vor-Vorgängers nicht einmal annähernd in der Nähe des Tower von London, wo dieser 1471 ermordet wurde.

Heimtückischer Mord oder Hinrichtung?

Auch dass Richard III. seinen Bruder George, den Herzog von Clarence, heimtückisch durch zwei gedungene Mörder in einem Weinfass ertränken lassen habe, entbehrt jeglicher Grundlage. Zwar wurde Clarence 1478 tatsächlich hingerichtet, allerdings zuvor mit Billigung des Parlaments wegen seiner Verschwörungen und der Anzettelung von Rebellionen zum Tode verurteilt.

Der grausamste Aspekt in Shakespeares Darstellung des Herrschers ist zweifellos der Mord an seinen unmündigen Neffen. Zwar gehört das plötzliche Verschwinden der beiden Prinzen bis heute zu den ungelösten Rätseln der royalen Geschichte, dass Richard III. als Drahtzieher dahintersteckte, ist aber alles andere als verbrieft. Einige Historiker ziehen sogar die Möglichkeit in Betracht, dass Richard III. die Kinder nicht aus dem Weg schaffen, sondern beschützen ließ.

Der Versuch der Rehabilitation

1924 wurde die Richard III. Society mit dem Ziel gegründet, den Mythen rund um den „letzten Plantagenet“ auf den Grund zu gehen - und ihn nicht zuletzt auch zu rehabilitieren. Ob Richard ein loyaler, weiser und missverstandener König war, wie es sich auch seine (nun per DNA-Abgleich offiziellen) Nachfahren wünschen würden, konnten die „mehrere tausend Mitglieder“ zählende Organisation bis heute nicht belegen. Aber daran, dass der König zu einem der bekanntesten der englischen Geschichte wurde, sind wohl auch vor allem die grausigen Details aus seiner Biografie verantwortlich - egal, ob wahr oder erfunden.

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