Deutsche griffen zur Kaltreserve
Eine Starkwindfront in Deutschland bringt die Betreiber von Stromnetzen in die Bredouille. Deutschland hat wegen des starken Winds erstmals in diesem Winter die sogenannte Kaltreserve zur Sicherung einer stabilen Stromversorgung angezapft. Laut dpa wurden bis zu 1.000 Megawatt (MW) Kaltreserve angefordert, vor allem aus Österreich.
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In Österreich selbst haben die hohe Windstromerzeugung in Deutschland und die damit einhergehenden niedrigen Börsestrompreise am Dienstag zu einem Rekordwert bei den Importen geführt. Die Stromnetze waren stark belastet, hieß es am Dienstag aus dem Übertragungsnetzbetreiber APG (Austrian Power Grid) zur APA.

APA/dpa/ Ingo Wagner
Ein Strompark in der Nordsee bei windarmem Wetter
Der im Norden produzierte Windstrom konnte mangels Netzen nur bedingt in den Süden geleitet werden. Da hier wegen gefallener Börsenstrompreise bestimmte Gaskraftwerke aus Rentabilitätsgründen nicht am Netz sind, wurde sicherheitshalber Strom aus vier Kaltreservekraftwerken angefordert, drei davon laut dpa in Österreich.
Schutzmaßnahmen in Österreich angelaufen
Die Rekordimportspitze lag demnach bei 4.500 Megawatt (MW), das ist mehr als die Hälfte der österreichischen Spitzenlast. Zum Schutz des österreichischen Netzes wurden Maßnahmen getroffen, wie etwa der Stopp des Intraday-Handels zur Vorbeugung weiterer Importe, der Stopp von Revisionsarbeiten am Netz und ein gezieltes Hochfahren von Kraftwerken in Österreich.
In Deutschland wird weiterhin starker Wind erwartet. Zusätzlich verschärfen könnte sich die Importsituation wegen des prognostizierten warmen Wetters in den nächsten Tagen, da die thermischen Kraftwerke wegen des geringeren Fernwärmebedarfs zurückgefahren werden. Die APG hat weitere Gegenmaßnahmen bis Freitag eingeleitet, etwa die Anforderung von Kraftwerksleistung im Wiener Raum.
Spitze an Windstrom erwartet
In Deutschland wird laut dpa in den nächsten Tagen in der Spitze eine Windstromleistung von 24.000 MW erwartet. Zum Vergleich: Das entspricht der Leistung von fast 20 Atomkraftwerken. Das Abrufen der Kaltreserve sei „vorsorglich geschehen, da für die nächsten Tage eine starke Windfront erwartet wird“, sagte eine Sprecherin des süddeutschen Übertragungsnetzbetreibers Tennet der dpa.
Während im Norden dadurch viel Strom in die Netze gepresst wird, droht eine Unterversorgung in Süddeutschland. Zur Sicherung der Systemstabilität wurde daher bis zu 1.000 Megawatt Kaltreserve vor allem aus Österreich angefordert.
Vom Norden in den Süden wurde zum Problem
Bereits im vergangenen Winter gab es „Stromhilfe“ aus Österreich. Auch heuer haben Verbund und EVN wieder Kraftwerkskapazitäten dafür bereitgestellt. Die EVN halte erneut 785 MW aus ihren Gaskraftwerken Theiß und Korneuburg in Reserve, hatte es zuletzt im Herbst geheißen. Der Verbund kann erneut 150 MW aus seinem ölbetriebenen Fernheizkraftwerk Neudorf-Werndorf II als Kaltreserve zur Verfügung stellen.
Warnung vor Überlastung der Netze
„Bei gleichzeitig hohem Verbrauch könnte dies die Netze überlasten“, sagte die Tennet-Sprecherin. Weil aber der deutsche Strom - dank des Windes - am Dienstag sehr günstig war, wurde vom Ausland viel Strom aus Deutschland gekauft. Der meiste floss ausgerechnet nach Österreich. Die Kaltreserve war im Zuge der Stilllegung von acht Atomkraftwerken als Absicherung für kritische Netzsituationen eingerichtet worden.
Bei Bedarf kann die Reserve im Winter aktiviert werden - die Kosten für das Speichern der Kraftwerke werden über die Netzentgelte auf die Strompreise abgewälzt. Es stehen 2.500 Megawatt zur Verfügung, davon rund 1.000 MW aus Österreich. Insgesamt beurteilt die Bundesnetzagentur die Lage im Netz als stabil und beherrschbar. Auch der Netzbetreiber 50Hertz sieht keine erhöhten Risiken und spricht von einer besseren Lage als noch 2012 - als mehrfach eine Blackout-Gefahr drohte. Im Winter 2011/2012 musste zweimal die Kaltreserve abgerufen werden.
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