Firmennetz verschleiert?
Das Milliardenvermögen der römisch-katholischen Kirche ist breit angelegt. Die britische Tageszeitung „The Guardian“ hat mit Hilfe von Archivmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg einen Geheimbesitz von Immobilien des Vatikans aufgedeckt. Das Pikante an der Sache: Die aufgespürten Liegenschaften in Großbritannien wurden mit den Millionen aus dem faschistischen Regime Benito Mussolinis erworben.
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Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die römisch-katholische Kirche ein kleines Immobilienimperium aufgebaut. Finanziert wurde es - zumindest zum Teil - angeblich mit dem Geld, das Diktator Mussolini für die päpstliche Anerkennung des italienischen faschistischen Regimes 1929 gezahlt hatte. Dem Bericht zufolge erwirtschaftete der Vatikan aus den Immobilieninvestitionen mit dem Geld der Faschisten bis dato etwa 500 Millionen Pfund (rund 595 Mio. Euro).

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Vatikan-Liegenschaften in den teuersten Vierteln Londons
Abwicklung über Strohfirmen
In der britischen Hauptstadt sollen mehrere Strohfirmen hauptsächlich im Jahr 2006 Bürogebäude in der St. James’s Place gekauft haben. In dieser „Blütezeit“ der vatikanischen Immobilienkäufe gab die katholische Kirche 15 Millionen Pfund (rund 18 Mio. Euro) aus. Die Liegenschaften befinden sich auf dem St. James’s Square und der New Bond Street in London sowie in der Industriestadt Coventry, 153 Kilometer nordwestlich von London.
Gekauft und verwaltet werden die Objekte vom Unternehmen British Grolux Investments Ltd. Aus den offiziellen Büchern geht der wahre Eigentümer nicht hervor. Stattdessen werden zwei Gesellschafter - beide bekannte Banker - genannt, die eine Anfrage des „Guardian“ nach ihrem Arbeitgeber unkommentiert ließen.
Archive enthüllen Vatikan-Verbindung
Nachdem die Journalisten in alten Archiven gestöbert hatten, wurde die Sache klarer. Die Firma British Grolux Investments Ltd. erbte ihr gesamtes Portfolio aus einer 1999 durchgeführten Umstrukturierung der beiden Vorgängerfirmen British Grolux Ltd. und Cheylesmore Estates. Hinter diesen steht das Schweizer Unternehmen Profima SA, das im Besitz des Vatikans ist.
In den 1940er Jahren wurde Profima verdächtigt, „an Aktivitäten beteiligt zu sein, die nicht im Sinne der Alliierten standen“. Das berichtet der „Guardian“ unter Berufung auf Unterlagen des britischen Nationalarchivs aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus den Dokumenten geht außerdem hervor, dass gegen Ende des Krieges der päpstliche Finanzverantwortliche Bernardino Nogara mehrfach wegen zwielichtiger Geschäfte unter Beschuss stand.
Bereits in 40ern in Geldwäsche verwickelt
Dieser verantwortete die Anlagegeschäfte aus dem „Mussolini-Geldsegen“ in der Höhe von 50 Millionen Pfund (rund 59 Mio. Euro). Schon 1943 soll Nogara der Geldwäsche verdächtigt worden sein. Ihm wurde vorgeworfen, er habe italienische Bankanteile in die Hände von Profima gelegt. Bei den Investments ging Nogara sehr innovativ vor, wie der „Guardian“ berichtet.
1931 gründete er den historischen Aufzeichnungen zufolge in Luxemburg das Unternehmen Groupement Financier Luxembourgeois (Grolux SA). Damit konnte er die in Europa erworbenen Anlagen halten. Dass seine Wahl auf Luxemburg fiel, war wohl kein Zufall - waren dort doch schon 1929 die ersten Steuerparadies-ähnlichen Firmenstrukturen entstanden. Für die Finanzen des Vatikans waren die Gelder von enormer Bedeutung. „Das Pontifikat war nun finanziell stabil - und sollte nie wieder arm sein“, sagte der Historiker John Pollard gegenüber dem „Guardian“.
Auch Objekte in der Schweiz
Doch nicht nur in Großbritannien begab sich der Vatikan mit Geldern des faschistischen Führers auf Shoppingtour, um Immobilien zu erwerben. Recherchen der Schweizer „Handelszeitung“ ergaben im Oktober 2012, dass der Kirchenstaat mehrere Liegenschaften (mindestens neun Immobiliengesellschaften und eine Beteiligungsgesellschaft) in der Schweiz, vorwiegend in Lausanne, besitzt.
Als direkter Eigentümer der betreffenden Immobiliengesellschaften wird er dabei nicht genannt, ist aber laut „Handelszeitung“ in den Verwaltungsräten vertreten. Seit den 1930er und 1940er Jahren besitzt der Kirchenstaat die Renditeobjekte. Laut „Guardian“ soll es noch einige Liegenschaften in Paris geben.
Warum Geheimhaltung?
Offen bleibt, warum der Vatikan weiterhin Stillschweigen über seine Immobilienanlagen in Großbritannien bewahrte - trotz der finanziellen Umstrukturierungen im Jahr 1999. Auf Anfrage des „Guardian“ gab Erzbischof Antonio Mennini, Vatikan-Vertreter in Großbritannien zunächst keinen Kommentar ab. Mennini ist derzeit mit der Leitung der Vatikan-Immobilien in Großbritannien betraut.
Vatikan: Nichts Neues
Der Vatikan dementierte später jegliche geheime Immobilien, wie der „Telegraph“ am Dienstag berichtete. Dass der Vatikan Liegenschaften quer über den Erdball besitze, sei kein Geheimnis, sagte Sprecher Federico Lombardi. „Ich bin verblüfft. Dieser Artikel enthüllt nichts, was nicht bereits bekannt war“, sagte Lombardi am Dienstag.
Dass der Vatikan mit den Entschädigungszahlungen, die das italienische Regime für die Verluste des Heiligen Stuhls geleistet hatte, in Immobilien investiert hatte, sei ebenfalls seit 80 Jahren bekannt, so Lombardi. Es gebe eine Spezialabteilung in der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls (APSA), die sich um die Immobilien kümmere - und die sei sogar im offiziellen Telefonverzeichnis des Vatikans, also alles andere als geheim.
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