Beteiligung überraschend hoch
Die Österreicher haben sich bei der Volksbefragung am Sonntag für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen. Laut vorläufigem Endergebnis stimmten 40,2 Prozent für das von Verteidigungsminister Norbert Darabos und seiner SPÖ propagierte Berufsheer, 59,8 Prozent hingegen für die Beibehaltung des derzeitigen Modells, wie es die ÖVP bewarb.
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Die Ergebnisse in den Bundesländern zeigten ein recht einheitliches Bild: Zwischen 60 und 70 Prozent stimmten in den meisten Bundesländern für die Wehrpflicht. Großer „Ausreißer“ ist die Bundeshauptstadt Wien. Dort stimmten 54,2 Prozent für ein Berufsheer.

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Knappes Ergebnis im Burgenland
Im Burgenland mussten sich die Berufsheeranhänger mit 49,5 Prozent nur ganz knapp geschlagen geben. In Vorarlberg stimmten zwei Drittel für die Wehrpflicht, in der Steiermark waren es ebenfalls 66 Prozent. Niederösterreich bildet den Bundestrend ab, 60,8 Prozent stimmten für die Wehrpflicht. In Oberösterreich waren es 62,6 Prozent. In Tirol waren 62,8 Prozent für die Beibehaltung des Status quo, in Kärnten 63,4 Prozent und in Salzburg 61 Prozent. Gemeinden, die sich mehrheitlich für ein Berufsheer aussprachen, musste man - abgesehen von Wien und dem Burgenland - fast mit der Lupe suchen.

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Wien mit niedrigster Beteiligung
Als Überraschung gilt die hohe Wahlbeteiligung von 49 Prozent der Stimmberechtigten. Mit Wahlkarten, die am Montag ausgezählt werden, wird die 50-Prozent-Marke wohl überschritten. Am höchsten war die Beteiligung am Abstimmungstag mit fast 60 Prozent in Niederösterreich, gefolgt vom Burgenland (55 Prozent) und Oberösterreich (52 Prozent). In den übrigen Bundesländern lag die Beteiligung unter 50 Prozent, am niedrigsten war sie in der Bundeshauptstadt, wo nur knapp über 40 Prozent in die Wahllokale gingen.
Darabos enttäuscht
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sagte, er sei enttäuscht, weil er gehofft habe, junge Männer von einem Zwangsdienst befreien zu können. „Der Souverän ist zu akzeptieren, und das Ergebnis wird umgesetzt“, sagte Darabos, der sich über die hohe Beteiligung freute. Er werde in den nächsten Wochen und Monaten eine neue Führung im Bundesheer bestellen. Innerhalb des Heeres werde es eine Reformgruppe geben. Darabos sprach von einer schwierigen, aber machbaren Aufgabe. Ein Rücktritt kommt für ihn nicht infrage: Es sei keine Abstimmung über seine Person, sondern über ein Wehrsystem gewesen.
SPÖ nimmt „Entscheidung zur Kenntnis“
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter sagte, seine Partei habe „die Entscheidung der Bevölkerung selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen“. Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) soll Kräuters Meinung nach „auf jeden Fall“ im Amt bleiben. Kräuter betonte, dass es sich beim Ergebnis nicht um einen Sieg oder eine Niederlage für eine Partei handle. „Die Volksbefragung hat nichts mit den Wahlen zu tun“, meinte er auf die Frage, was das für den Start in dieses Superwahljahr bedeute. Selbstverständlich werde das Ergebnis - „das, was die Bevölkerung wünscht“ - umgesetzt.
Erfreulich ist aus Kräuters Sicht die Wahlbeteiligung, die im Vorfeld wesentlich geringer eingeschätzt worden sei. Dem SPÖ-Modell für ein Berufsheer sei von den Österreichern eine „Absage“ erteilt worden, räumte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer ein. Nun werde mindestens ein Jahrzehnt das derzeitige System beibehalten, auch wenn der Trend in Europa in Richtung Berufsheer gehe, meinte er.
Androsch „nicht erfreut“
Hannes Androsch, Vorsitzender des Pro-Berufsheer-Komitees, zeigte sich etwas zerknirscht: „Es freut mich nicht“, sagte er gegenüber der APA. Das Ergebnis „war nicht überraschend. Angesichts der kurzen Vorbereitungszeit konnte man nicht die emotionalen Nebelgranaten abwenden“, so Androsch. Die Sicherheitspolitik etwa sei im Vorfeld ausgeblendet worden, kritisierte er Aussagen der ÖVP wie etwa: „Die Rettung kommt nicht.“ Wie im Bereich der Umwelt- und Energiepolitik sei Österreich aber ein „Nachzügler“ und das Ergebnis nicht „in Stein gemeißelt“, so der Berufsheerverfechter.
ÖVP: „Entscheidung für Sicherheit“
Vizekanzler Michael Spindelegger zeigte sich hocherfreut: „Wir können mehr als dankbar sein“, so der ÖVP-Obmann bei einer kurzen Ansprache in der Parteizentrale. Wenn die Österreicher etwas entscheiden müssten, gebe es immer ein gutes Ergebnis. Indirekt reklamierte Spindelegger das Ergebnis auch als Wahlerfolg für die Volkspartei: „Wenn die ÖVP will, kann sie auch geschlossen kampagnisieren.“ Das Ergebnis übertreffe sogar die Erwartungen. Er sei dankbar und demütig, sagte Spindelegger und kündigte an, dass man bereits am Montag mit der Reform des Bundesheeres beginnen werde.
Das Votum der Österreicher pro Wehrpflicht ist für ÖVP-Generalsekretär Generalsekretär Hannes Rauch eine „Entscheidung für Sicherheit und gegen ein teures Experiment“. Das Ergebnis sei für die Volkspartei bindend, so Rauch wenig überraschend. Wann die ÖVP ein Reformkonzept vorlegen werde, ließ Rauch offen.
Sorger: „Sieg der Vernunft“
Als Sieg der ÖVP wollte der Generalsekretär die Volksbefragung nicht werten. Es habe sich nämlich um eine Grundsatzentscheidung zwischen Wehrpflicht und Berufsheer gehandelt. Es sei aber besser, mit einem solchen Ergebnis als mit einem anderen in ein Wahljahr zu starten.
Der Leiter des ÖVP-Personenkomitees für die Wehrpflicht, Veit Sorger, sieht im Votum der Österreicher gegen ein Berufsheer einen „Sieg der Vernunft“. Bestätigten sich die bisherigen Ergebnisse, gebe es einen klaren Auftrag für die Zukunft. Was Darabos nun tun sollte, wollte Sorger nicht beantworten. Das müsse der Ressortchef selbst entscheiden.
Strache: „Großartiger Tag für Österreich“
Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, einen Befürworter der Wehrpflicht, ist der Ausgang ein „großartiger Tag für Österreich“ und ein starkes Zeichen für Eigenverantwortung. Vor Journalisten forderte Strache Sonntagnachmittag in der Hofburg den Rücktritt von Darabos.
Die Wahlbeteiligung zeige Interesse, so Strache. Die Menschen wollten keinen Stillstand und kein Hickhack. Gefragt, ob es nun trotz Beibehaltung der Wehrpflicht Reformen geben könne, meinte Strache, die Menschen „wollen reformieren statt demontieren“. Darabos müsse nun zurücktreten, denn ihm traue niemand zu, Reformen sicherzustellen.
Grüne: „Unklarer Kurs der SPÖ“
Die Grünen machen den „unklaren Kurs der SPÖ“ für das Ergebnis verantwortlich. Bundessprecherin Eva Glawischnig meinte gegenüber der APA, die SPÖ habe keine einheitliche Linie vertreten und ihren Schwenk zum Berufsheer nicht überzeugend argumentiert. Das habe „sehr geschadet“. Die Grünen hätten hingegen eine eindeutige Linie gehabt und „keine Fehler“ gemacht und auch nicht die „manipulative Fragestellung“ formuliert. Die Grünen hätten sich ein anderes Ergebnis erhofft, würden das nun vorliegende aber „selbstverständlich akzeptieren“.
Glawischnig hat nun „die große Sorge“, dass sich beim Bundesheer nichts ändert und „alles beim Alten bleibt“. Vor allem bezüglich der ÖVP hat die grüne Bundessprecherin die Sorge, dass diese nun zur Tagesordnung übergehen wolle. Sie erhofft sich einen „Schub“, das geplante Demokratiepaket zügig zu verhandeln. Die relativ hohe Beteiligung an der Volksbefragung sollte die Verhandlungen beschleunigen.
Bucher: „SPÖ hat es vergeigt“
Auch für BZÖ-Obmann Josef Bucher ist die SPÖ schuld am Ausgang der Volksbefragung. „Die SPÖ hat es absolut vergeigt“. Sie habe es nicht geschafft, die Alternativen zur Wehrpflicht deutlich zu machen. Darabos habe kein Gegenkonzept mit verlässlichen Zahlen und Fakten vorgelegt, kritisierte Bucher. In seinem Aufruf zum Boykott der Volksbefragung fühlt sich Bucher trotz der sich abzeichnenden Beteiligung von rund 50 Prozent „bestätigt“.
Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Beteiligung noch wesentlich höher gewesen wäre, wenn mit guter Information und geprüften Zahlen professionell gearbeitet worden wäre. So habe es sich nur um eine „reine Mobilisierung der eigenen Mitglieder“ gehandelt. Der BZÖ-Obmann verlangt nun, dass es noch vor der Nationalratswahl im Herbst zu einer Reform des Bundesheeres kommt und sieht dabei vor allem die ÖVP in der Pflicht.
Team Stronach fürchtet Reformstillstand
Das Team Stronach (TS) sieht die Mehrheit für die Beibehaltung der Wehrpflicht bei der Volksbefragung als „Abstimmung gegen Reformen“ beim Bundesheer. Das sei „bedauerlich“, sagte Klubobmann Robert Lugar gegenüber der APA. Er habe die „leichte Sorge“, dass es jetzt zu einem Reformstillstand komme und „alles beim Alten bleibt“. Bei einem Votum für ein Berufsheer hätte es hingegen zwingend Reformen geben müssen.
Obwohl das TS für ein Berufsheer geworben hat, ist Lugar „nicht traurig“ über das Ergebnis. Seine Partei habe „keine Wahlempfehlung“ abgegeben. Er will auch keine Niederlage für seine Partei erkennen, schließlich gebe es auch im TS unterschiedliche Positionen.
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