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Prominente vor den Karren gespannt

Nach der Einigung von SPÖ und ÖVP auf eine Volksbefragung über die Wehrpflicht hatten die letzten Monate den Geruch von Vorwahlkampf. Hunderttausende Euro flossen in Kampagnen pro und kontra, zahlreiche Initiativen warben in deren Fahrwasser um Stimmen, wobei der anfangs ausgegebene Ruf nach „Sachlichkeit“ recht rasch verhallte. Mitunter trieb die Diskussion auch skurrile Blüten.

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Grundsätzlich wurde Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) in den letzten Monaten nicht müde, die „Ineffizienz“ des derzeitigen Systems, das mehr „Kellner als Infanteristen und mehr Köche als Pioniere“ ausbilde, zu betonen. Außerdem sei er ein Gegner des „Zwangsdienstes“. Auf der anderen Seite warnte die ÖVP vor einem „teuren Experiment Berufsheer in Richtung NATO“, das außerdem den Katastrophenschutz und mit dem Wegfall des Zivildienstes das gesamte Gesundheitswesen gefährde. Sowohl Präsenz- als auch Zivildienst seien ein „wertvoller Beitrag für die Gesellschaft“, sagte ÖVP-Chef Vizekanzler Michael Spindelegger.

Wendemanöver und Sticheleien

Allerdings hatten sowohl SPÖ auch ÖVP ihre Positionen betreffend Wehrpflicht oder Berufsheer in den letzten Jahren mehrfach geändert und wurden nun in der Debatte auch des Öfteren daran erinnert. Für Darabos war 2010 die Wehrpflicht noch „in Stein gemeißelt“. Spindelegger erklärte das Wendemanöver seiner Partei weg vom Berufsheer im Dezember in der ORF-„Pressestunde“ mit einem intensiven Nachdenkprozess. „Darabos kann sich freuen, weil nun nicht mehr er alleine in der Wehrpflicht-Frage als Wendehals bezeichnet wird“, hatte die „Tiroler Tageszeitung“ im August nach dem Beschluss zur Volksbefragung geätzt.

Ein anderer Blick zurück galt in der Debatte der Frage, wer denn eigentlich wie „gedient“ habe - oder nicht. Die SPÖ Oberösterreich etwa hielt ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch vor, sich vor dem Präsenzdienst „gedrückt“ zu haben und nun zu wollen, „dass junge Männer zum Militärdienst gezwungen werden“. Rauch war seinerzeit wegen einer Knieverletzung nicht eingezogen worden. Der Großteil der Regierungsmannschaft hat übrigens Wehr- oder Zivildienst geleistet. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) war Zivildiener, Spindelegger Einjährig-Freiwilliger beim Heer.

ÖVP-Wien Landeschef Manfred Juraczka (l) und VP Staatssekretär Sebastian Kurz  vor einem Werbeplakat für das Berufsheer

APA/Georg Hochmuth

Wiens ÖVP-Parteichef Manfred Juraczka und Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) vor einem Plakat der Kampagne „Einsatz für Österreich“

Die Ausgaben für ihre Kampagnen bezifferten SPÖ und ÖVP offiziell mit jeweils weniger als einer Million Euro. Ein Teil der Budgets floss laut APA auch in Initiativen bzw. Personenkomitees pro und kontra Wehrpflicht, die sich jedoch allesamt als politisch unabhängig bezeichneten. Eifrig geworben wurde aber auch auf Landes- und Kommunalebene, was den grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz zu einer Anzeige gegen drei Bürgermeister veranlasste, da diese das mit amtlichen Schreiben getan haben sollen.

Hannes Androsch, Vorsitzender des Personenkomitees "Unser Heer"

APA/Hans Klaus Techt

Der Industrielle und frühere SPÖ-Minister Hannes Androsch als Proponent des Personenkomitees „Unser Heer“

„Profiarmee“ versus „Ende der Neutralität“

Auf Linie der SPÖ rührten unter anderem die Plattformen „Unser Heer“ und „Frauen für ein Berufsheer!“ mit Plakaten und Radiospots die Werbetrommel, im Fahrwasser der ÖVP etwa das Pro-Wehrpflicht-Personenkomitee „Einsatz für Österreich“. Hinter „Einsatz für Österreich“ steht ein Personenkomitee um den früheren Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger. Die Initiative warb unter dem Motto „Österreich verpflichtet“ mit Slogans wie „Eine Berufsarmee wäre der Anfang vom Ende der Neutralität“ und „Ohne Zivildienst droht der Kahlschlag im Sozialbereich!“ für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht. Am Freitag ließ die ÖVP eine regelrechte Lawine von über einem Dutzend Aussendungen unter dem Titel „Aus Überzeugung für Wehrpflicht und Zivildienst“ los.

Zwei Frauen stehen vor einem Werbeplakat für das Berufsheer

APA/Herbert Pfarrhofer

„Sie sagt“: Plakat der Kampagne „Frauen für ein Bundesheer!“

Die Initiative „Frauen für ein Berufsheer!“ rührte unter dem Schlagwort „Sie sagt“ die Werbetrommel für einen Abschied von der Wehrpflicht. Nur eine Berufsarmee biete Professionalität, ein freiwilliges soziales Jahr mehr Chancen als der Zivildienst. Die Petition „Pro Wehrpflicht“ warnte wiederum davor, dass ein Berufsheer die Gefahr berge, „dass sich das Militär zu einem abgeschlossenen Apparat ohne Bezug zum Volk entwickelt“.

Oma, Opa und die Wehrpflicht

Mit „Unser Heer“ hatte sich bereits im September der Industrielle Hannes Androsch, seinerzeit SPÖ-Finanzminister und Vizekanzler, unter dem Motto „Die Wehrpflicht hat ausgedient - unser Bundesheer braucht mehr Profis“, in die Debatte eingeschaltet und warb seither für den Umstieg auf eine Berufsarmee und gegen den „Zwangsdienst“. Präsenzdienst bedeute „alles, was sich bewegt, grüßen und alles, was sich nicht bewegt, putzen“, hieß es in einem Werbespot der Initiative. In einem anderen wünscht sich ein junger Mann von „Oma und Opa“ als Weihnachtsgeschenk für das nächste Jahr „ein halbes Jahr Lebenszeit“ - durch deren Stimme für die Abschaffung der Wehrpflicht.

Stichwort „Bitte an Oma und Opa“: Mit einer solchen sorgte Mitte der Woche Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) gehörig für Aufregung. Laut „Standard“ (Mittwoch-Ausgabe) hatte er bei einer Pro-Berufsheer-Veranstaltung in Niederösterreich zu einem jungen Mann gesagt: „Versucht auch, eure Großeltern zu überzeugen - und wenn es euch nicht gelingt, sagt ihnen, sie sollen am Sonntag zu Hause bleiben.“ Die ÖVP reagierte empört.

Mobilmachung mit Anekdoten „von damals“

Nicht nur sicherheitspolitische Aspekte, auch Anekdoten von „damals“ spielten in der Debatte über Sinn oder Unsinn der Wehrpflicht eine bedeutende Rolle, wie sich in zahlreichen Diskussionsforen, vor allem im Sozialen Netzwerk Facebook zeigte. Dort warben auch gut zwei Dutzend private Initiativen für oder gegen ein Berufsheer. Eine Onlineplattform hatte es sich unter dem Motto „Wehrpflicht ade“ samt der Facebook-Gruppe „Wehrpflicht abschaffen“ zur Aufgabe gemacht, ehemaligen Rekruten persönliche Erlebnisse zu entlocken, um auf diese Weise Stimmung für ein Berufsheer zu machen. „Schikanen & Missstände beim Bundesheer - (ehemalige) Präsenzdiener erzählen!“, hieß es.

Hinter der Plattform steht unter anderem ein ehemaliger Mediensprecher von Kanzler Faymann aus dessen Zeit als Wiener Wohnbaustadtrat. Die Initiative zählte bis Freitag auf Facebook über 50.000 Unterstützer, bei „Pro Wehrpflicht“ waren es rund 18.200, bei „Einsatz für Österreich“ über 13.000 und bei „Unser Heer“ knapp über 2.100.

„Punsch-O-Mobil“ und Boykottaufrufe

Die Wiener SPÖ setzte in der Debatte auch stark auf direkten Kontakt zum Wähler und tourte in der Vorweihnachtszeit mit dem „Punsch-O-Mobil“ durch die Bezirke. „Wir laden Sie auf einen Punsch ein. Und auf die richtige Entscheidung. 20. Jänner: Für Freiwilligkeit. Gegen Zwangsverpflichtung“, lautet der Slogan der Aktion, die unter anderem vom Militärexperten und früheren Brigadier Gerald Karner unterstützt wurde.

Die Opposition hielt sich in der Debatte eher zurück, kleinere Inseratenkampagnen ausgenommen. Die FPÖ warb nach dem Motto „Bewährtes erhalten statt zerstören“ für die Beibehaltung der Wehrpflicht, die Grünen machten unter dem Slogan „Die Wehrpflicht hat ausgedient“ für die Abschaffung des „Zwangsdienstes“ Stimmung. Das BZÖ rief zu einem Boykott der Abstimmung auf, die wenig charmant als „Volksverarsche“ bezeichnet wurde.

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