Parteipolitik statt sachliche Diskussion
In knapp eineinhalb Wochen geht die Wehrpflichtvolksbefragung über die Bühne. Die Parteien ziehen mittlerweile alle Register, wenn es um die Mobilisierung von Abstimmungsberechtigten geht. Die Entscheidung wurde zwar von der Politik an die Bevölkerung weitergegeben, umso intensiver läuft jedoch der Streit zwischen SPÖ und ÖVP.
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Während der Ton immer schärfer wird, sorgen auch immer mehr populistische Wortmeldungen für Aufregung. Vorläufiger Höhepunkt waren die Aussagen von Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl, der bei einer Kampagnenveranstaltung am Mittwochabend in Wels sagte, die Zwangsverpflichtung sei eine Idee des Nationalsozialismus, der den Arbeitsdienst geschaffen habe. Er argwöhnte, dass vornehmlich die Kinder von Arbeitern und Angestellten Wehr- oder Zivildienst leisten müssten und sich andere „die Dinge richten können“.
„Beschämender Tiefpunkt der Auseinandersetzung“
In der ÖVP war die Aufregung folglich groß: Klubobmann Karlheinz Kopf sprach in einer Aussendung am Donnerstag von einer „ungeheuerlichen Entgleisung und einem beschämenden Tiefpunkt der Auseinandersetzung (...). Die in unserer Bundesverfassung verankerte allgemeine Wehrpflicht mit Front- und Zwangsdiensten des Nazi-Regimes gleichzusetzen, ist unerträglich.“

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SPÖ-OÖ-Chef Ackerl handelte sich eine Rüge von Bundespräsident Fischer ein
Ackerl habe damit „die ÖVP-Vorschläge nach Zwangsverpflichtungen aller Art im Zusammenhang mit dem Zivildienst“ kritisiert, erklärte die oberösterreichische SPÖ am Donnerstag in einer Reaktion. Nach den Bestimmungen der Menschenrechtskonvention wäre es nur möglich, den Zivildienst wie von ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angedacht auch für Frauen zu öffnen, wenn eine allgemeine Wehrpflicht für beide Geschlechter eingeführt würde, erklärte die Partei. Das wird von den Sozialdemokraten aber „entschieden abgelehnt“. Darauf habe sich auch Ackerls Kritik bezogen, hieß es - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Fischer-Rüge für Ackerl
Der Nazi-Vergleich von Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl empört nicht nur die ÖVP, sondern auch den Bundespräsidenten Heinz Fischer. „Die Behauptung von Landeshauptmann-Stellvertreter Ackerl, wonach die Verpflichtung zum Wehrdienst eine Idee des Nationalsozialismus sei, ist eine bedauerliche Entgleisung“, die außerdem „völlig unhistorisch“ sei, so Fischer zum „Kurier“ (Freitag-Ausgabe).
Die moderne Form der Wehrpflicht sei in Europa mehr als 200 Jahre alt - „und in Österreich ist die Wehrpflicht nach Abschluss des Staatsvertrages von einem demokratisch gewählten Parlament durch ein Verfassungsgesetz beschlossen worden“, betonte Fischer laut einer „Kurier“-Aussendung. Er appelliert erneut, „in den Debatten rund um die Volksbefragung ein Minimum an Fairness von allen Seiten einzuhalten“.
Auch SPÖ-Geschäftsführer Günther Kräuter kritisierte Ackerl laut „Kurier“: „Natürlich ist die Empörung der ÖVP politisch motiviert. Ich hätte das aber nicht so formuliert, wie das Ackerl getan hat. Solche Vergleiche sind immer problematisch.“
Von Schulpflicht zu Wehrpflicht
Doch Oberösterreich war ein gutes Pflaster für weitere markige Aussagen. So zog auch ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger bei einer Veranstaltung in Linz einen Vergleich, der in der SPÖ tags darauf harsche Reaktionen hervorrief: Es gebe die Wehrpflicht, „so wie wir daneben auch eine Schulpflicht haben“ - oder eine Steuerpflicht, führte Spindelegger aus. Eines sei diesen Dingen gemeinsam: „Die Freude hält sich in Grenzen.“ Sie seien aber nötig, „damit dieses Land Zukunft hat“.

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Spindelegger machte sich am Donnerstag in Linz für die Wehrpflicht stark
Fragwürdige Schlussfolgerungen
Schnell reagierte die SPÖ und befand den Wehrpflicht-Schulpflicht-Vergleich als „befremdlich“ und unterließ es nicht, den Faden weiterzuspinnen. Da Schul- und Steuerpflicht für Männer und Frauen gleichermaßen gelten, stelle sich die Frage, ob ÖVP-Chef Spindelegger auch eine Wehrpflicht für Frauen wolle, sagte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Die ÖVP solle die Wahrheit auf den Tisch legen, so die Frauenministerin, für die SPÖ komme eine Wehrpflicht für Frauen keinesfalls in Frage.
Kritik übte Heinisch-Hosek auch an Spindeleggers Aussage, wonach junge Männer beim Bundesheer lernten, „mit einer Waffe umzugehen“: „Ich will keine Gesellschaft der Militaristen. Ich will ein Profiheer.“ Sie wolle Burschen nicht vermitteln, dass es etwas Gutes sei, mit Waffen umgehen zu können.
Von Galtür bis Gars am Kamp
Im Kampf gegen das Berufsheer zog die ÖVP auch am Donnerstag alle Register. Das zeigte eine Pressekonferenz von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) zum Thema Katastrophenschutz, wo nicht Infrastrukturmaßnahmen, sondern Katastrophenhilfskräfte im Mittelpunkt standen. Und diese sollen nach Meinung des Ministers vorwiegend aus Grundwehrdienern bestehen. Flankiert war der Minister von den Bürgermeistern von Gars am Kamp, Martin Falk, und Galtür, Anton Mattle. Das Bild, das nach dem Jahrhunderthochwasser im August 2002 geblieben sei, sei jenes des „Grundwehrdieners, der mit der Schaufel in der Hand Großartiges leiste“, sagte Falk. Mattle, dessen Ort 1999 von Lawinen begraben wurde, stimmte ihm zu.
Darabos: Mehr als 30 Prozent Wahlbeteiligung
Mit etwas weniger Pathetik, aber dafür mehr Optimismus, trat hingegen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) auf: Er sei, was die Bundesheervolksbefragung anbelangt, optimistischer als sein Parteifreund, Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Der Minister rechnet mit einer deutlich höheren Wahlbeteiligung als den von Häupl genannten 30 Prozent, wie er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt sagte. Doch auch hier war es keine Veranstaltung ohne Beispielwirkung: Bei dem Termin in der Khevenhüller-Kaserne wurde das Pilotprojekt des dort stationierten Jägerbataillons präsentiert, das ohne Grundwehrdiener auskommt.
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