Stichwahl wird erwartet
Die Tschechen wählen am Freitag und Samstag in erster Runde einen neuen Präsidenten. Nach einer Gesetzesänderung bestimmt erstmals das Volk das Staatsoberhaupt in Tschechien und nicht wie bisher das Parlament. Zur Wahl stehen drei Frauen und sechs Männer - darunter die früheren Ministerpräsidenten Milos Zeman und Jan Fischer, die als Favoriten ins Rennen gehen.
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Viele junge Tschechen sähen jedoch am liebsten den Künstler Wladimir Franz als Nachfolger des Europaskeptikers Vaclav Klaus, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Alle neun Kandidaten eint das Versprechen, gegen die Korruption anzukämpfen.
Zweikampf an der Spitze
In den Umfragen kommt Zeman, der von 1998 bis 2002 eine linke Regierung anführte, auf 20 bis 25 Prozent der Stimmen. Knapp hinter ihm liegt der als gemäßigt geltende parteilose Fischer, der 2009 und 2010 an der Spitze einer Übergangsregierung stand. Sollte erwartungsgemäß keiner der Kandidaten im ersten Durchgang die absolute Mehrheit der Stimmen erlangen, ist für den 25. und 26. Jänner eine Stichwahl angesetzt.

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Zeman und Fischer führten einen harten Wahlkampf bis zuletzt
Aufarbeitung der KP-Vergangenheit
Beide Favoriten müssen sich mit Vorwürfen wegen ihrer früheren Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei (KP) befassen. Zeman blieb während des „Prager Frühlings“ 1968 in der Partei und wurde 1970 wegen seiner Kritik am Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige Tschechoslowakei ausgeschlossen. Fischer war von 1980 bis 1989 Mitglied, was er heute als „Fehler“ bezeichnet.
Zeman ging laut Experten sowie Lesern der meistgelesenen tschechischen Nachrichtenwebsite Novinky.cz als Sieger aus dem TV-Duell mit Fischer hervor. Laut Politologen zeigte sich Zeman selbstsicherer und schlagfertiger, während Fischer ein bisschen nervös gewirkt habe. Außerdem schnitt Zeman in einem Fremdsprachentest besser ab. Beide bewiesen sehr gute Englischkenntnisse, allerdings war Zemans Russisch deutlich besser.
Politik verlassen
Fischer ist Absolvent der Prager Wirtschaftsuniversität (VSE) und leitete bis zu seinem Antritt an die Regierungsspitze das Tschechische Statistikamt (CSU). Nach dem Amt des Regierungschefs war er von 2010 bis 2012 als Vizepräsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in London tätig.
Zeman war in seiner Zeit als Premier Chef der Sozialdemokraten (CSSD). Heute ist er Ehrenvorsitzender der Partei der Bürgerrechte (SPOZ), die er selbst nach dem Austritt aus der CSSD gründete. 2002 verließ der Ökonom die große Politik und ist seitdem Pensionist.

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„Für mich ist die Visage nur ein Mehrwert, nicht das Wesen dessen, was ich bin“, sagt Franz über seine Tätowierungen
Nonkonformist als Shootingstar
Die Zustimmung der jüngeren Wähler gilt vor allem dem Maler und Komponisten Franz. Ihrer Ansicht nach bietet er den etablierten Politikern erfolgreich die Stirn. „Ich will die Zivilgesellschaft mobilisieren“, so Franz über sich selbst. Sein Ziel sei es, dass die Menschen mehr nachdenken und zwischen den Zeilen lesen. Verschiedenen Umfragen zufolge kann der auch im Gesicht tätowierte Franz sogar mit rund elf Prozent auf den dritten Platz hoffen - und das obwohl er nur rund 20.000 Euro in den Wahlkampf gesteckt hat.
Zurzeit leitet er die Abteilung für szenische Musik an der Theaterfakultät der Prager Akademie der musischen Künste (AMU). Auch als Maler ist er aktiv. Neben Kunstgeschichte studierte er auch an der Juridischen Fakultät der Prager Karls-Universität, wo er den Titel des Doktors der Rechtswissenschaften erwarb. Treu blieb er aber der Kunst, weil er nicht Teil des kommunistischen Rechtssystems werden wollte.
Prominente Namen
Auch Außenminister Karel Schwarzenberg von der konservativen Partei TOP 09 bewirbt sich um das Präsidentenamt. Er ist Erbe eines der berühmtesten Adelshäuser der österreichisch-ungarischen Monarchie, besitzt einen tschechischen und einen schweizerischen Reisepass und verbrachte den Großteil seines Lebens in Österreich.
Einen prominenten Namen hat auch Jiri Dienstbier, Senator und Vizechef der oppositionellen CSSD. Der Jurist ist der Sohn des gleichnamigen 2011 verstorbenen ehemaligen Dissidenten und tschechoslowakischen Außenministers. Er ist seit längerem einer der populärsten Politiker in Tschechien und genießt den Ruf eines prinzipienfesten und anständigen Politikers. Genauso wie Schwarzenberg kann er mit rund zehn Prozent der Stimmen rechnen.

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Schwarzenberg, Dienstbier, Sobotka
Premysl Sobotka, erster Vizechef des Senats und offizieller Kandidat der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), macht die Runde der männlichen Kandidaten komplett. Bekannt ist der Arzt durch eine zurückhaltende Haltung in Sachen EU.
Drei Frauen chancenlos?
Daneben treten drei Frauen an, denen je rund fünf Prozent zugetraut werden. Zuzana Roithova machte als Abgeordnete des Europäischen Parlaments durch ihr Engagement für die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko auf sich aufmerksam. Die Ärztin und ehemalige Kurzzeit-Gesundheitsministerin geht als Kandidatin der Christdemokratischen Volkspartei (KD-CSL) ins Rennen.
Jana Bobosikova ist die Chefin der populistischen außerparlamentarischen Partei Suverenita. Die frühere Abgeordnete des Europäischen Parlaments in den Jahren 2004 bis 2009 und einstige TV-Moderatorin profilierte sich in den letzten Jahren mit starker EU-Kritik.

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Fischerova, Bobosikova, Roithova
Schließlich kandidiert noch die 65-jährige Theater- und Filmschauspielerin Tana Fischerova. Sie war 2002 bis 2006 Parlamentsabgeordnete, gewählt wurde sie als Unabhängige auf der Liste der nicht mehr existierenden Freiheitsunion (US). Sie engagiert sich in einer ganzen Reihe von Stiftungen und Bürgerbewegungen.
Überraschungen möglich?
Wie treffend die Analysen der Meinungsforscher bei dieser ersten Direktwahl sind, ist offen. „Ich bin mir nicht sicher, dass die Umfragen besonders zuverlässig sind“, sagte der Politologe Tomas Lebeda von der Prager Karls-Universität. Bei Parlamentswahlen entschieden die Wähler eher rational und orientierten sich an den Parteiprogrammen. Bei der Direktwahl des Präsidenten könnten aber andere Faktoren eine wichtigere Rolle spielen, so Lebeda weiter.
In Tschechien hat das Staatsoberhaupt ähnlich wie in Österreich vor allem repräsentative Aufgaben. Die Amtszeit dauert fünf Jahre. Der Präsident ernennt und entlässt den Regierungschef sowie die Minister und bestätigt Gesetze - es sei denn, er legt ein Veto ein. Dann muss sich das Parlament erneut mit dem fraglichen Gesetz befassen und kann den Einspruch des Präsidenten überstimmen. Zudem ernennt das Staatsoberhaupt Richter und Generäle sowie die Mitglieder des Zentralbankrats.
Neues Wahlrecht nach Tumulten 2008
Seit der Unabhängigkeit Tschechiens 1993 wurden die Präsidenten vom Parlament gewählt. Das Verfahren galt jedoch als zu kompliziert. Im Februar 2012 beschloss das Parlament, dass künftig die Bürger entscheiden sollen, nachdem die letzte Präsidentenwahl bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamentskammern Anfang 2008 von dramatischen Szenen, dem Vorwurf des Stimmenkaufs und anonymen Erpressungsdrohungen begleitet war. Klaus setzte sich damals erst in der dritten Wahlrunde gegen den Kandidaten der sozialdemokratischen CSSD und der Grünen, Jan Svejnar, durch.
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