Pläne in Hilfspaketen versteckt
Mit geschmuggelten Landkarten gelang im Zweiten Weltkrieg zahlreichen Alliierten, die in Gefangenschaft geraten waren, die Flucht aus deutschen Gebieten. Versteckt waren die Karten häufig in „Monopoly“-Spielsets, für die auch eine geheime Codesprache verwendet wurde, wie britische Historiker nun wieder erinnern.
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Der Satz „Du kommst aus dem Gefängnis frei“ ist regelmäßigen „Monopoly“-Spielern bestens bekannt. Für alliierte Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg erhielt er aber eine Bedeutung, die weit über das beliebte Brettspiel hinausging: Erfundene Hilfsorganisationen verteilten ab den frühen 1940er Jahren englische „Monopoly“-Spiele an Gefangene, in denen Fluchtpläne und -werkzeuge versteckt waren, wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ schreibt.
Auch falsche Ausweise und echte Geldscheine wurden mit Hilfe des Gesellschaftsspiels in Gefängnisse in deutschen Besatzungsgebieten geschmuggelt und verhalfen zahlreichen Kriegsgefangenen zur Flucht über die Grenzen.
Plan der britischen Regierung
Möglich wurde diese gefinkelte Ausbruchstaktik durch einen Plan, den die britische Regierung gemeinsam mit dem damaligen Hersteller der „Monopoly“-Spielsets, John Waddington, ausgeheckt hatte.
Kriegsgefangene der deutschen Besatzer durften in Gefangenschaft Hilfspakete mit gewissen Gütern empfangen. Darunter fielen neben Kleidung, Nahrungsmitteln und Zigaretten auch diverse Spiele. Weil die Spielsets von den deutschen Gefängniswärtern in der Regel nicht durchsucht wurden, kam das britische Kriegsministerium auf die Idee, Gegenstände darin zu verstecken.
Vor allem Fluchtkarten wurden direkt in die Spielbretter geschoben und sollten abgeschossenen Piloten und anderen Soldaten, die in deutsche Gefangenschaft geraten waren, den Weg in die Freiheit weisen.

AP/John Redman
Ehemalige Kriegsgefangene mit einem manipulierten „Monopoly“-Brett
Karten auf Seide gedruckt
Das Ministerium hatte schon länger mit verschiedenen Möglichkeiten experimentiert, Karten mit Fluchtwegen aus deutschen Gebieten zu verstecken. Die gefangenen Soldaten sollten im Ernstfall leicht an dieses Material kommen.
Ursprünglich umfassten die Verstecke etwa Zigarettenschachteln und hohle Absätze von Pilotenstiefeln. Damit die Karten zusammengefaltet möglichst klein waren und im Gefangenenlager nicht verräterisch raschelten, wollte man das Kartenmaterial auf Taschentücher oder Seide drucken. Mit Waddington fanden die britischen Strategen schließlich einen Industriellen, der bereits einige Erfahrung mit dem Bedrucken von Seide vorweisen konnte.
Um die Karten auch mittels Hilfspaketen in Lager zu schmuggeln, erfand das Ministerium sogar vermeintliche Wohltätigkeitsorganisationen - denn neben den Familien der Inhaftierten war es ausschließlich diesen vorbehalten, Pakete an Gefangene zu verteilten. Da echte Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz im Falle einer Entdeckung der heiklen Paketinhalte nicht in Schwierigkeiten gebracht werden sollten, gab es bald eine Reihe fiktiver Hilfsvereinigungen. Diese waren häufig an Adressen von Gebäuden gemeldet, die entweder gar nicht existierten oder längst von Fliegerbomben zerstört worden waren.
Geheime Codesprache
Waddingtons Firma erfand auch interne Codes. Diese zeigten dem Kriegsministerium, welche Karten in den „Monopoly“-Brettern versteckt waren, damit sie an Gefangene an den entsprechenden Standorten geschickt werden konnten. „Ein Punkt nach der Station Marylebon bedeutete zum Beispiel Italien. Einer nach Mayfair stand für Norwegen, Schweden und Deutschland. Nicht präparierte Bretter wurden mit einem Punkt bei ‚Zum Patent angemeldet‘ markiert“, sagt Debbie Hall, Mitarbeiterin der Hauptbibliothek der Universität Oxford, die sich intensiv mit der Geschichte der geheimen Fluchtkarten auf Seide auseinandergesetzt hat.
Goebbels ließ „Monopoly“ verbieten
Auch andere Aspekte mit politischer Dimension sind in der Historie des Brettspiels vermerkt. In Deutschland ließ NS-Propagandaminister Joseph Goebbels 1936 das erste Berlin-„Monopoly“ verbieten, was er mit dem „jüdisch-spekulativen Charakter“ des Spiels begründete. Tatsächlich soll ihn die Nennung der „Insel Schwanenwerder“ als teuerstes Spekulationsobjekt auf dem Spielbrett erbost haben. Goebbels lebte auf der Insel Schwanenwerder.
Goebbels hatte dort eine Villa weit unter Wert von einem jüdischen Besitzer erworben, der zum Verkauf gezwungen wurde, heißt es in der „Monopoly“-Historie des Herstellers Hasbro.
Machthaber anderer Länder stießen sich am „kapitalistischen Charakter“ des Spiels, das die „Raffgier“ anstachelte. So ließ Josef Stalin „Monopoly“ in der Sowjetunion verbieten. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs stand das Gesellschaftsspiel im gesamten Ostblock auf dem Index. Auf Kuba und in Nordkorea gibt es bis heute offiziell keine Editionen zu kaufen. In China existiert erst seit wenigen Jahren eine eigene Ausgabe.
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