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Die Dampflok im Untergrund

Am 9. Jänner 1863 wurde der erste U-Bahn-Zug weltweit - die Londoner Metropolitan Railway - in Betrieb genommen. Die abenteuerliche Reise der „Underground“-Dampflok ging in die Geschichte ein. Die Londoner „Tube“ war geboren und läutete eine neue Ära in der Stadt- und Verkehrsplanung ein.

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Die „Met Loco No. 1“ nahm vom Londoner Kopfbahnhof Paddington aus ihre Passagiere auf eine rund sechs Kilometer lange Reise durch den Untergrund in Richtung der Innenstadtstation Farringdon mit. Die Geschichte der U-Bahn begann in den 1840er Jahren. Die frühesten Planungen der unterirdischen Eisenbahn wurden aber nicht nur in London, sondern zeitgleich auch in Wien diskutiert. Die Wiener U-Bahn-Projektpläne gehörten auch zu den umfangreichsten, wie der Verkehrs- und Elektrotechnikexperte Horst Prillinger gegenüber ORF.at bestätigte.

Met Loco No. 1

London Transport Museum

Die „Met Loco No. 1“

Inspiriert durch eine Fahrt mit der ersten atmosphärischen, also durch Luftdruck betriebenen Eisenbahn in Irland suchte der Ingenieur und Generalsekretär der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Heinrich Sichrowsky, ein Jahr später in Wien um die Baubewilligung für eine solche Stadteisenbahn an. Sie sollte die Wiener Innenstadt mit dem Bezirk Hütteldorf größtenteils unterirdisch verbinden.

Für Wien zu teuer

Sichrowskys Konzessionsgesuch wurde, so wie viele weitere Anträge für den frühen Ausbau des Wiener U-Bahn-Systems, abgelehnt - größtenteils aus finanziellen Gründen. In Wien scheiterte eine Vielzahl von U-Bahn-Projekten, darunter eines von der Firma Siemens & Halske aus dem Jahr 1883: eine erstmals elektrisch betriebene U-Bahn, die auf einer Kleinprofilbahn Dreiwagenzüge zog und in kurzen Intervallen verkehren sollte - ein Konzept, das ziemlich genau dem heutigen U-Bahn-System entspricht.

Dieses und weitere ähnliche Projekte wurden abgelehnt, unter anderem weil sich der damalige Gemeinderatsabgeordnete und spätere Bürgermeister Karl Lueger dagegen aussprach. Wien gilt seither als die Stadt mit den meisten eingereichten, aber nicht realisierten U-Bahn-Projekten weltweit. Erst im Jahr 1898 fuhr die erste Wiener Stadtbahn auf Teilen der Strecke der heutigen U4 und setzte damit den Grundstein für das Wiener U-Bahn-System.

Hilfe für Außenbezirke

In London schaffte man den Durchbruch 35 Jahre früher. Richard Pearson, ein englischer Anwalt, hatte 1843 die Idee, eine unterirdische Eisenbahn zu bauen, die die Außenbezirke mit dem Stadtinneren verbinden sollte. Er wollte bessere Bedingungen für die über 250.000 Bewohner der Londoner Außenbezirke schaffen, die zuvor meist zu Fuß, mit Pferdekutschen oder mit Dampfbooten zu ihren Arbeitsplätzen in der Innenstadt unterwegs waren.

Bau der Metropolitan Railway nahe King’s Cross, 1861

Public Domain

„Tube“-Baustelle nahe King’s Cross 1861

Pearson sollte es erst nach 14 Jahren schaffen, die notwendigen 300.000 Pfund Sterling für sein Vorhaben aufzubringen. Schließlich wurde der komplizierte Tunnelbau für die erste Linie des unterirdischen Vollbahnsystems der Welt aufgenommen und 1863 fertiggestellt. Die Metropolitan Railway konnte ihren Betrieb aufnehmen. Zu dieser Zeit transportierte die Londoner U-Bahn 30.000 Fahrgäste täglich. Heute sind es bis zu vier Millionen auf einer Strecke von 402 Kilometern in 525 U-Bahn-Zügen.

Buchhinweise

  • Walter J. Hinkel, Karl Treiber, Gerhard Valenta und Helmut Liebsch: U-Bahnen gestern-heute-morgen von 1863 bis 2010 (2004)
  • David Bennet: Metro - die Geschichte der Untergrundbahn (2005)
  • Alfred Horn: 90 Jahre Stadtbahn, 10 Jahre U-Bahn (1988)

Die Anfänge der „Elektrometro“ in Europa

Die Metro bzw. U-Bahn, wie man sie heute kennt, fand ihren Ursprung nach der Elektrifizierung des Eisenbahn- und des U-Bahn-Systems. Diese fand ebenfalls zuerst in London – im Jahr 1890 - statt. Ein paar Jahre später und im kleineren Maßstab ging 1896 in Budapest die älteste elektrisch betriebene U-Bahn in Kontinentaleuropa in Betrieb. In den Jahren 1900 und 1901 folgten Berlin und Paris.

In Wien fuhr im Jahr 1925 die erste elektrische Stadtbahn, da die dafür notwendige Infrastruktur für Elektrozüge erst geschaffen werden musste. Nach der Elektrifizierung dauerte es nach den ersten Plänen fast 100 Jahre, bis das „Jahrhundertprojekt U-Bahn“, das damals auch zynisch von der Stadtbevölkerung so genannt wurde, in Angriff genommen wurde.

Auf dem Wiener Karlsplatz begann man 1969 mit den ersten Grabungen. 1978 schließlich wurde die Wiener U-Bahn offiziell eröffnet. Heute hat Wien europaweit eines der modernsten U-Bahn-Systeme, das jährlich über 567 Millionen Passagiere in etwa 700 Wagons auf einer Länge von 75 Kilometern (die Hälfte davon in Tieflage) befördert.

London feiert die „Met Loco No. 1“

In London wird 2013 das „Underground-Jahr" gefeiert. Ausstellungen und Sonderfahrten wurden vom London Transport Museum im Zuge des Jubiläumsjahrs der berühmten „Tube“ organisiert. Sogar eine der ersten U-Bahn-Dampfloks rauschte zum Jubiläumsbeginn an der berühmten Baker Street vorbei. Mit Dampf, Rauch, Russ - dafür aber stilvoll in mit Teakholz verkleideten Waggons, die von der „Met Loco Nr.1“ gezogen werden - wurden Passagiere in die 1860er Jahre versetzt . Rund 220 Euro kostete das Ticket für die schnell ausverkaufte Nostalgiefahrt.

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