Themenüberblick

Rückschlag für Rechtspolitiker?

Einen Dämpfer hat der frühere israelische Außenminister Avigdor Lieberman zu Beginn des Wahlkampfs für die Knesset-Wahl am 22. Jänner hinnehmen müssen: Am 30. Dezember erhob der Staatsanwalt Anklage gegen Lieberman, Chef der vor allem die Interessen der russischen Einwanderer vertretenden Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel).

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein reichte nach jahrelangen Erhebungen, die teils auch schwerere - nun fallengelassene - Vorwürfe untersuchten, die Anklageschrift gegen den 54-Jährigen bei einem Jerusalemer Gericht ein. Der Vorsitzende der ultrarechten Partei wird des Betrugs und Vertrauensbruchs angeklagt. Lieberman selbst beteuert seine Unschuld. „Die Wahrheit wird vor Gericht ans Licht kommen“, teilte er mit.

Lieberman hatte angesichts der Vorwürfe vor zwei Wochen seinen Rücktritt eingereicht. Er hatte laut der Anklage 2009 seinen Bekannten Seev Ben-Arie zum Botschafter in Lettland gemacht, nachdem dieser ihn illegal über Details zu Korruptionsermittlungen informiert hatte. Diese für Lieberman wesentlich gefährlicheren Ermittlungen hatte Weinstein nach zwölfjähriger Dauer jedoch mangels Beweisen eingestellt.

Netanjahus wichtigster Partner

Für Premier Benjamin Netanjahu ist Avigdor Liebermans Partei seit der Parlamentswahl im Februar 2009 der wichtigste Verbündete. In der Knesset ist Israel Beitenu mit 15 Abgeordneten vertreten.

Ex-Stellvertreter als Belastungszeuge

Als Hauptzeuge gegen Lieberman soll sein ehemaliger Stellvertreter dienen, der Vizeaußenminister Danni Ajalon. Diesen hatte er sich zuletzt zum Feind gemacht, weil er ihn nicht mehr in die Kandidatenliste seiner Partei aufnahm. Ajalon soll laut Medienberichten aktiv an der Ernennung des Botschafters beteiligt gewesen sein. Liebermans Partei hat viele Wähler, die wie der 54-Jährige selbst aus der ehemaligen Sowjetunion stammen.

Mit der regierenden Likud-Partei des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hat er vor der Wahl eine gemeinsame Kandidatenliste gebildet. Lieberman ist immer noch Nummer zwei auf der Liste. Laut Umfragen wird der rechtsorientierte und siedlerfreundliche Likud-Beitenu-Block die stärkste Kraft im Parlament.

„Namen reinwaschen“

Lieberman war bereits Mitte Dezember als Außenminister zurückgetreten, nachdem er von der Staatsanwaltschaft über die bevorstehende Anklage informiert worden war. „Nachdem ich seit 16 Jahren Gegenstand rechtlicher Verfolgung und Abhöraktionen war, will ich ohne Umschweife diese Affäre beenden und endgültig meinen Namen reinwaschen“, so Lieberman. Er rief die Justiz auf, das Verfahren noch vor der vorgezogenen Neuwahl am 22. Jänner zu beenden, damit die Bürger in Kenntnis seines Ausgangs zur Wahlurne gehen könnten.

Immer wieder verbale Ausfälle

In Israel ist Lieberman seit langem für seine verbalen Ausfälle bekannt. Mit der Aussage, arabischstämmige Abgeordnete mit Kontakten zur radikalislamischen Hamas müssten hingerichtet werden, sorgte er einst für Empörung. Im Wahlkampf 2009 forderte er von arabischen Israelis unter dem Schlagwort „Kein Bürgerrecht ohne Loyalität“ einen Treueschwur auf den Staat Israel. Bei seinen Gegnern trug ihm das den Ruf eines „Rassisten“ und „Faschisten“ ein.

Dass Netanjahu den untersetzten Politiker nach der Wahl 2009 ausgerechnet zum Chefdiplomaten ernannte, sorgte daher für Überraschung. Bei Reisen nach Europa begegneten ihm viele Kollegen mit Distanz, Lieberman wurde über die Jahre jedoch kaum diplomatischer. Nach der scharfen Kritik der Europäer an den neuesten Siedlungsplänen Israels in den Palästinensergebieten warf Lieberman ihnen eine judenfeindliche Politik „wie Ende der 30er Jahre“ vor.

Kein Schaden bei Wahlurne?

In Israel finden Liebermans radikale Ansichten durchaus Anhänger. Seine Wählerschaft konnte der im Alter von 20 Jahren aus Moldawien eingewanderte Politiker über die Jahre konsequent erweitern. Neben den russischstämmigen Wählern unterstützten den bärtigen und bulligen Politiker, der einst seinen Lebensunterhalt als Türsteher eines Nachtclubs verdiente, bevor er Sozialwissenschaft studierte, zunehmend auch moderatere Israelis.

Wie sich die Anklage auf seine Wahlchancen auswirkt, ist noch unklar. Während des Wahlkampfs 2009 eingeleitete Ermittlungen der Justiz hatten ihm auf jeden Fall kaum geschadet. Im neuen Kabinett könnte Lieberman erneut Außenminister werden, auch für den wichtigen Posten des Verteidigungsministers ist er angeblich im Gespräch. Längerfristig werden dem Politiker sogar Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs nachgesagt.

Links: