Nicht für Syrer, sondern gegen Assad
Die anhaltende Gewalt in Syrien, wo dem Machthaber Baschar al-Assad eine völlig zersplitterte Oppositionsbewegung gegenübersteht, begünstigt das Erstarken der radikalislamischen Gruppe Dschabhat al-Nusra. Erst kürzlich von den USA als Terrororganisation eingestuft, gilt sie als neue, mächtige Al-Kaida in dem Land.
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Der Aufstieg des Al-Kaida-Ablegers könnte eine dauerhafte und tödliche Konfrontation mit dem Westen einläuten: Denn Kampfmotivation von al-Nusra ist es nicht, die syrische Bevölkerung von der gewaltsamen Unterdrückung Assads zu befreien, sondern das alawitische Regime Assads zu stürzen.
Laut der arabischen Nachrichtenwebsite al-Monitor schleuste die Gruppe Hunderte ausländische Kämpfer zu diesen Zwecken ins Land - viele von ihnen sind ehemalige Militante aus dem Irak-Krieg. Washington hatte die Al-Nusra-Front und ihre Anführer erst kürzlich wegen deren Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida auf die Terrorliste gesetzt.
Geld, Kämpfer und Know-how aus dem Irak
Wie al-Nusra sich finanziert, ist unklar. Möglicherweise profitiert die Gruppe jedoch von Geldern aus dem Irak. Viele syrische Schleuser, die Dschihadisten zu Hochzeiten des Irak-Krieges aus Syrien in den Nachbarstaat brachten, kämpften nun selbst für al-Nusra, heißt es in Oppositionskreisen. Die Dschihadisten im Irak wiederum hätten ebenfalls die Rollen getauscht und organisierten heute den Transfer von Kämpfern und Know-how zum Bombenbau nach Syrien.

APA/EPA/Youssef Badawi
Bei von al-Nusra verübten Bombenanschlägen auf eine Moschee in Damaskus kamen im Mai 55 Menschen ums Leben
Laut al-Monitor zeigt ein weiterer Umstand die enge Verknüpfung mit dem Irak: der Rückgang der Gewalt in dem Land, der möglicherweise darauf zurückzuführen sei, dass sich die Aktivitäten und Kapazitäten der Al-Kaida nach Syrien verlagert haben.
Für Hunderte Anschläge verantwortlich
Die Al-Nusra-Front bekennt sich nachvollziehbar zu bisher weit über 500 Anschlägen. Die Schätzungen zu ihrer Größe reichen von ein paar hundert bis ein paar tausend Kämpfern, Tendenz steigend. Während die Gruppe zunächst auf Großanschläge mit Hilfe von Selbstmordattentätern setzte - beispielsweise im März auf die Geheimdienstzentrale der Luftwaffe und das Hauptquartier der Kriminalpolizei in Damaskus -, ist sie danach mehr und mehr zu Erschießungen und zum Einsatz kleinerer Sprengsätze übergegangen.
Erklärtes Ziel der Terrororganisation ist laut Mitgliedern die Errichtung eines islamischen Kalifats in Anlehnung an die Zeit des Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert. Diese Aussicht alarmiert viele Syrer, von den Minderheiten der Christen, Alawiten und Schiiten bis hin zu den traditionell konservativen, aber toleranten Sunniten, die eine erzreligiöse Herrschaft im Stil der Taliban in Afghanistan befürchten. Die Kurden riegelten daher bereits ihr Viertel in Aleppo ab, und in der Grenzstadt Ras al-Ain kam es im November zu heftigen Zusammenstößen zwischen Kurden und Al-Nusra-Kämpfern.
Nicht mit Oppositionsplänen vereinbar
Die Pläne der Radikalislamisten stehen auch den Vorstellungen des neuen syrischen Oppositionsbündnisses entgegen, das von Dutzenden Staaten als Alternative zum Assad-Regime anerkannt wurde. Die Oppositionskoalition hat sich zur Einrichtung einer Demokratie verpflichtet.
Angeblich gute Verbindungen in den Irak
Aufgebaut wurde al-Nusra erst im zweiten Halbjahr 2011 unter anderem von einem Terroristen mit dem Kampfnamen Al-Fatih Abu Mohammed al-Dschulani. Der Mann war früher ein führendes Mitglied der Al-Kaida im Irak. Seit dem Sommer beteiligen sich die Mitglieder von al-Nusra zunehmend an Kampfhandlungen gegen die regierungstreuen Streitkräfte. Das lässt auch auf eine größere personelle Basis schließen.
Die Al-Nusra-Front hat sich rasch regional und international mit anderen Terrororganisationen vernetzt. Sie gilt auch als Wunschziel von Dschihadisten aus Europa und von der Arabischen Halbinsel.
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