Folgen bis heute omnipräsent
Dem Kampf gegen die Unterdrückung der nicht weißen Mehrheit durch die weiße Minderheit fielen in Südafrika von 1948 bis 1994 Tausende Menschen zum Opfer. Gewalt, Rassismus und Separation dominierten jahrzehntelang das öffentliche und private Leben der Bevölkerung Südafrikas. Und auch nach der Apartheid musste das Land gegen die Folgen der Politik kämpfen, die noch immer nachwirken.
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Die Apartheid war ein System staatlich institutionalisierter, rassistischer Diskriminierung und Unterdrückung. Die weiße Minderheit des Landes übte Macht über die nicht weiße Mehrheit der Bevölkerung aus, wobei diese vor allem aus Schwarzen (74 Prozent) und nur zu einem geringeren Prozentsatz aus „Farbigen“ (8,5 Prozent) und Asiaten bzw. Indern (2,5 Prozent) bestand. Als „Farbige“ („Coloured“) wurden Angehörige jener heterogenen Gruppe bezeichnet, die sowohl schwarze als auch weiße Vorfahren hatten.
1948 eingeführt
Mit dem Wahlsieg der National Party 1948 begann die Zeit der Apartheid unter den Buren, den Afrikaans sprechenden südafrikanischen Einwohnern europäischer Abstammung. Durch die politische, soziale, wirtschaftliche und lokale Trennung der „Rassen“ wollte die weiße Minderheit eine getrennte Entwicklung der in Südafrika lebenden „Rassen“ in allen Bereichen erwirken.
Man ging von einer „Nicht-Assimilierbarkeit“ der einzelnen Bevölkerungsgruppen aufgrund des unterschiedlichen Charakters, des jeweiligen Entwicklungspotenzials und der eigenen Bestimmungen aus.
„Rassenregister“ mit willkürlicher Zuordnung
Ziel der Unterdrückung aller Nicht-Weißen war die weiße Vorherrschaft im Land und eine möglichst effiziente Entwicklung der kulturellen und religiösen Identität der Buren. Den Nicht-Weißen wurden politische Rechte verweigert, bestimmte Berufe blieben ihnen verwehrt, und ihre Löhne waren wesentlich niedriger als jene der Weißen. Schon in den Jahrzehnten davor waren diskriminierende und rassistische Gesetze erlassen worden, ab 1948 wurden sie systematisch umgesetzt.
Mit dem Erlass des Population Registration Act 1950 wurden alle Südafrikaner in ein „Rassenregister“ aufgenommen, wobei die Zuordnung zu einer Gruppe oft nach völlig willkürlichen Kriterien erfolgte. Mittels absurder Tests wurde zwischen „Farbigen“ und Schwarzen unterschieden.
Minderwertiges Schulsystem für Schwarze
Es folgte der Bantu Education Act 1953, mit dem die Apartheid-Regierung für ein minderwertiges Schulsystem für die Bantu - damit ist die schwarze Bevölkerung gemeint - sorgte. Ziel dieser Regelung war es sicherzustellen, dass schwarze Schüler möglichst nicht ausgebildet wurden und die englische Sprache schlechter als die weißen Schüler beherrschten. Es folgte eine Flut von Gesetzen, die das Regierungssystem Apartheid mittels legislativer Maßnahmen in die Tat umsetzte. Per Gesetz wurden beispielsweise sexuelle Beziehungen zwischen Weißen und Nicht-Weißen sowie gemischte Ehen verboten.
Absurde Trennung
Die strikte Trennung aller Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens nahm oftmals abstruse Ausmaße an. Während einige öffentliche Gebäude ausschließlich für Weiße zugänglich waren, hatten andere Einrichtungen wie Banken, Toiletten, Postfilialen und Supermärkte zwei mit Schildern gekennzeichnete Eingänge, einen für Weiße und einen für Nicht-Weiße.

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Die Trennung erfasste alle Lebensbereiche
Parkbänke waren jeweils für Weiße oder Nicht-Weiße. Die medizinische Versorgung der Nicht-Weißen war alarmierend, und ein Arzt war durchschnittlich für 91.000 nicht weiße Patienten zuständig.
Räumliche Trennung im großen Stil
In den 1970er Jahren folgte die Schaffung der Homelands, womit die Apartheid-Politik das Stadium der „großen Apartheid“ erreichte. Während die bisherige „kleine Apartheid“ vor allem das Alltagsleben der Nicht-Weißen bestimmte, verfolgte die „große Apartheid“ das Ziel, die „Rassen“ radikal räumlich zu trennen - und das im großen Stil. Schwarzen Südafrikanern wurde die Staatsangehörigkeit aberkannt, sie wurden zu Bürgern der autonom verwalteten Bantustans, auch als Homelands bekannt.

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Demonstranten in Pretoria
Insgesamt wurde den Schwarzen, die beinahe drei Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachten, nur knapp 13 Prozent der gesamten Landfläche für ihre Reservate zugewiesen. Bei der Zusammenlegung von 42 Reservaten in acht Homelands wurden über 3,5 Millionen Menschen entwurzelt und in ökonomisch unproduktive, kleinere Gebiete außerhalb der Städte umgesiedelt.
Später internationaler Druck
International wurde nur langsam der Druck auf Südafrika verstärkt: 1961 verurteilte die UNO die Apartheid, 1976 sprach man dort von einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Doch zahlreiche Länder und auch internationale Konzerne ließen sich davon nicht beeindrucken - und unterhielten weiter beste Beziehungen zum Regime.
Mit Beginn der 80er Jahre verschärfte sich allerdings für Südafrika die wirtschaftliche Lage: Private Boykottaufrufe trafen zunächst die Exporte, nach und nach verschärften seit 1985 auch immer mehr Länder ihre Sanktionen. Mit dem Verfall des Goldpreises wurde es für das Land wirtschaftlich eng. Gleichzeitig konnte auch die politische Opposition nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden. Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) gewann an Einfluss, obwohl seine führenden Mitglieder im Gefängnis saßen.
De Klerk musste einlenken
Der 1989 gewählte Präsident Frederik de Klerk brauchte Verhandlungen mit dem ANC, um die Lage unter Kontrolle zu behalten. Seit 1988 liefen diese im Geheimen, doch jetzt mussten durchgreifende Fortschritte her. Dazu ging De Klerk im Februar 1990 auf die wichtigsten ANC-Forderungen ein: erstens die Wiederzulassung der Oppositionsparteien, sogar des kommunistischen Arms des ANC.
Zweitens erfüllte er die Forderung nach der Freilassung inhaftierter Politiker - vor allem jene von Nelson Mandela, der seit zehntausend Tagen auf der Gefängnisinsel Robben Island einsaß. Und schließlich wurde der schon viele Jahre andauernde Ausnahmezustand gelockert. „Die Alternative wären zunehmende Gewalt, Spannung und ein sich verschärfender Konflikt“, erklärte De Klerk.
Referendum und Wahl
Allerdings war der Durchbruch mit De Klerks Rede nur eingeleitet, noch nicht geschafft: Zum einen blieben die Gesetze über die Rassentrennung zunächst in Kraft. Die Schwarzen blieben zunächst skeptisch. Die burischen Extremisten wiederum reagierten mit blankem Hass, drohten dem „Verräter“ De Klerk mit Gerichtsverfahren und Anschlägen. Bei einem Referendum im März 1992 sprachen sich allerdings mehr als zwei Drittel der Weißen für die Abschaffung der Apartheid aus. Im Jahr darauf erhielt De Klerk gemeinsam mit dem einstigen Staatsfeind Mandela den Friedensnobelpreis.
Schließlich ebnete De Klerks Rede den Weg für die ersten allgemeinen Wahlen 1994, die Mandela ins Amt des Staatsoberhaupts brachten. De Klerk war nun nur noch Vizepräsident. Die Vorherrschaft der weißen Südafrikaner, die weniger als zehn Prozent der Bevölkerung ausmachten, war gebrochen.
Einige Fortschritte
Während der demokratischen Übergangsverfassung von 1994 bis 1996 stand die Gleichberechtigung aller Bürger Südafrikas im Mittelpunkt. Die Homelands, die während der Apartheid errichtet worden waren, wurden wieder in den Staat integriert. Mandelas versöhnliche Einstellung trug vorrangig zur geschichtlichen Aufarbeitung, politischen Stabilisierung und sozialen Aussöhnung im Land bei.
Die südafrikanische Post-Apartheid-Regierung leistete Beachtliches, was die Festigung des demokratischen Gedankens betraf. Auch in den Bereichen Bildung, medizinische Grundversorgung und technische Infrastruktur konnten Entwicklungserfolge verzeichnet werden, was jedoch die Verteilung von Eigentum und Reichtum betraf, gab es keine grundlegenden Veränderungen.
Soziales Pulverfass
Die Auswirkungen der Separation sind heute noch deutlich spürbar. So sind die Gebiete der heutigen Townships von einer großen Bevölkerungsdichte, geringem Pro-Kopf-Einkommen, niedrigen Lebensstandards und schlechter Infrastruktur gekennzeichnet. Noch immer wohnen Tausende schwarze Familien in ärmlichen Verhältnissen in Wellblechhütten.
Und die zerbrochene Gesellschaft und die fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven ließen die Gewalt explodieren. Zwischen 1994 und 2006 wurden mehr als 420.000 Menschen getötet, mehr als 650.000 Vergewaltigungen wurden begangen. Verschärft wurde die soziale Lage noch durch Millionen Zuwanderer aus anderen afrikanischen Ländern, die mit dem Ende der Apartheid ebenfalls Hoffnung schöpften und ins Land flüchteten. Auch ethnische Konflikte stehen damit auf der Tagesordnung. Und neben der Armut stellt auch die Aids-Pandemie eine kaum zu bewältigende Herausforderung dar.
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