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„Immer mehrere Mitarbeiter verstrickt“

Wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter des Diebstahls, der Veruntreuung oder der Spesenmanipulation verdächtigen, kann als letzte Möglichkeit ein Detektiv Klarheit schaffen. „Praktisch immer bestätigt sich der Verdacht, und nie ist nur ein einziger Mitarbeiter verstrickt“, sagt der selbstständige Detektiv Christoph Jäger im Gespräch mit ORF.at.

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Das Einschleusen von Detektiven in Unternehmen ist eine effiziente, aber heikle Methode, sagt Berufsdetektiv Jäger. In einem ausführlichen Beratungsgespräch werde das Problem besprochen und anschließend ein Detektiv ausgewählt, der ins „Profil“ der Mitarbeiter passt. Diese sollen dann von ihrem vermeintlichen Kollegen möglichst unauffällig überwacht werden.

Dubioses Stellengesuch: Spion bei Firmenfeier

„Es ist eine besonders kostenintensive Angelegenheit“, betont Josef Schachermaier, der seit den 90er Jahren selbstständig eine Detektei betreibt. Zudem ist er in seiner Funktion im Auftrag der Fachgruppe Wien der gewerblichen Dienstleister Wirtschaftskammer Wien für die Ausforschung der „schwarzen Schafe“ in der Branche zuständig. Häufig sei die Beauftragung eines Detektivs aber die letzte Maßnahme und einzige Möglichkeit, um internen Vorgängen auf die Spur zu kommen. Ob er einen Auftrag annehme, hänge von mehreren Faktoren ab. Zum Beispiel wie groß die Firma ist und wie viele Mitarbeiter sie beschäftigt.

Dass die Suche nach Auftraggebern mitunter obskure Blüten treibt, zeigt die „Standard“-Wochenendausgabe vom 15./16. Dezember. Im Karriere-Teil war folgendes Stellengesuch zu lesen: „Wirtschaftsdetektiv: Im Großraum Wien, auch noch bei Firmenweihnachtsfeier einsetzbar, nur befristetes Dienstverhältnis erforderlich, alle Rollen möglich.“ Unter der beigefügten Telefonnummer ist nur die Mobilbox erreichbar. Was wie ein Scherz klingt, ist harte Realität. „Schwarze Schafe gibt es leider viele in der Branche“, sagt Jäger. Es sei für Laien kaum zu unterscheiden, wer professionell arbeitet und wer nur schnelles Geld mit zwielichtigen Detektivdienstleistungen machen will.

Einschleusen in Firmen ist kein Alltagsgeschäft

Für Jäger selbst kommen solche Aufträge nicht infrage, er leitet sie an seine Mitarbeiter weiter. „Das liegt zum einen am zeitlichen Aufwand. Ich kann nicht ein bis zwei Monate in einem Unternehmen ‚untertauchen‘. Zum anderen gebe ich hin und wieder Interviews in den Medien und bin auch mit meinem Foto auf unserer Website zu sehen. Das ist mir zu riskant.“

Die Überprüfung von Mitarbeitern innerhalb der Firma habe im Vergleich zu anderen Bereichen aber deutlich weniger Gewicht. Sie macht laut Jäger nur etwa 20 Prozent des Umsatzes aus, die restlichen 80 Prozent kommen hauptsächlich von Aufträgen zur Informationsbeschaffung über Geschäftspartner. Schachermaier bestätigt das: „Es kommt vor, ist aber keinesfalls das Alltagsgeschäft. Mit dem Ausspionieren der Mitarbeiter hat es außerdem wenig zu tun", sagt Schachermaier. Deshalb könne man sich kein schlechtes Gewissen leisten.

Lukrativer, aber kleiner Markt

In Österreich haben etwa 450 Detektive (davon 150 in Wien) eine Gewerbeberechtigung. Davon leben kann nur eine Handvoll. „Das sind zirka 20 Selbstständige, und die bestimmen auch den Markt“, sagt Jäger, dessen Dienstleistungen laut eigenen Angaben in der höheren Preiskategorie angesiedelt sind, um den hohen Qualitätsanspruch zu erfüllen. Je nach Zeitaufwand, Mitarbeiterkosten oder Nächtigungen kann ein Auftrag mit bis zu 100.000 Euro zu Buche schlagen. Schachermaier nennt sogar mögliche Kosten von bis zu 400.000 Euro. Im Vergleich dazu kostet eine Krankenstandskontrolle samt dreitägiger Observation und ausführlichem Bericht etwa 7.000 Euro.

In seiner beruflichen Laufbahn habe Schachermaier, der zuvor als Polizist tätig war, zehn bis 15 Aufträge angenommen, in denen er in Betrieben ermittelte. Er erinnert sich an einen besonders aufwendigen Fall, bei dem er mehrere Monate in einem Betrieb nach Gründen für das Verschwinden von Waren suchte. „Erfahrungsgemäß steckt nie ein einziger Mitarbeiter hinter der Sache. In dem konkreten Fall spielte ein Außendienstmitarbeiter dem Lageristen zu, dieser wiederum dem Vertrieb. Das ist durchaus üblich.“ Diese Erfahrungen machte auch die Detektei Jäger: „Verstrickt sind immer eine Reihe von Personen. Zwangsläufig muss man dann auch die verdeckten Detektive einweihen, ohne deren Mithilfe man sonst nicht auskommt.“

Falsche Identität ist nicht einfach

Eingesetzt werden die Detektive an Positionen im Unternehmen, wo sie die betreffenden Personen gut beobachten können. Sie versuchen dann ins Arbeitsumfeld einzutauchen und den Fall immer mehr einzugrenzen.

Wenn möglich, nehmen die Detektive eine falsche Identität an. „Das ist aber nicht so einfach, wenn sie angestellt werden sollen und die Personalabteilung auch nichts über die wahre Aufgabe des neuen Mitarbeiters erfahren soll“, sagt Jäger. Aufgrund der flexiblen Arbeitszeiten und des benötigten juristischen Fachwissens sind es häufig Jusstudenten, die als Nebenjob in einer Detektei arbeiten und diese Aufträge annehmen.

Observation kann schnell eskalieren

Als Beweismittel würden gegebenenfalls Fotos oder Videoaufnahmen gemacht. Passiert sei laut Jäger bei Firmeneinsätzen seiner Mitarbeiter im Gegensatz zu einer Personenbeobachtung bisher noch nichts. Professionelle Detekteien würden immer zwei Mitarbeiter zur Observierung beauftragen, „da es alleine fast unmöglich ist“, so Jäger. Zu riskant sei die Gefährdung unbeteiligter Dritter, und man wolle damit auch die Detektive schützen. Zu Fotos oder Videos als Beweismaterial äußert sich Josef Schachermaier skeptisch. Das müsse man immer vorab mit der Datenschutzbehörde absprechen und sei nicht ohne weiteres möglich.

Eine heikle Aufgabe sei es trotzdem, und die Situation könne schnell eskalieren. Er erinnert sich, wie „bei einer Observation im Wiener Stadtpark meine Mitarbeiter von Männern, vermutlich misstrauischen Drogenhändlern, bis zum Stephansplatz verfolgt und sogar von ihnen angesprochen wurden. Obwohl sie nichts mit unserem Fall zu tun hatten, haben sie sich beobachtet gefühlt.“

„Verdacht bestätigt sich praktisch immer“

Der Verdacht, dass Mitarbeiter sich ohne fundierten Grund krankmelden, bestätigt sich Jäger zufolge praktisch immer. Allerdings sei eine Krankenstandskontrolle schwierig, da die Überprüfung einer tatsächlichen Krankheit nicht immer eindeutig sei, etwa im Falle einer psychischen Erkrankung, wie zum Beispiel Burn-out.

Es müsse nachgewiesen werden, dass das Verhalten der Personen der Genesung abträglich sei. „Wenn jemand aber an Depressionen leidet und im Krankenstand Tennis spielt, dann wird das für seine Genesung von Vorteil sein. Die Person könnte aus Scham nichts von ihrer Krankheit in der Firma gesagt haben oder von Kollegen gemobbt und eingeschüchtert worden sein“, so Jäger.

Eva Zelechowski, ORF.at

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