Eklat am Grab des Samsung-Gründers
In seiner langen Karriere hat Lee Kun-Hee viel erreicht. Er machte aus dem väterlichen Handelsunternehmen für getrockneten Fisch den größten Elektronikkonzern der Welt. Heute kontrolliert Samsung mehr als 80 Firmen - viele davon sind in der Hand seiner sieben Geschwister und deren Nachkommen. Doch die wollen sich mit ihrem Anteil nicht länger zufriedengeben.
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Südkoreanischen Firmen ist Diskretion heilig, umso vielsagender ist es, wenn Streitigkeiten an die Öffentlichkeit gelangen, wie zuletzt rund um die Feierlichkeiten anlässlich des Todestages des Samsung-Gründers Lee Byung-Chul. Jedes Jahr trifft sich der Familienclan am 19. November am Grab des prominenten Ahnen, um ihm die Ehre zu erweisen.
Doch just zum 25. Todestag änderte die Samsung Foundation, die die Feierlichkeiten ausrichtete, den Ablauf. Der obligatorische Auftritt der gesamten Familie wurde gestrichen, dafür mussten die Familien des ältesten Sohnes und der Schwestern den Nebeneingang zum Mausoleum benützen, wie die südkoreanische Zeitung „Hani“ berichtete. Ein Affront, der zeigt, wie tief der Riss innerhalb der Samsung-Familie reicht.

Lee Kun-hee
Samsung-Chef Lee Kun-Hee mit seinem Sohn Lee Jae Yong bei der Feier zum Todestag seines Vaters Byung-Chul
Korruptionsskandal legte Erbschaft offen
Alles begann vor fünf Jahren, als im Zuge eines großangelegten Korruptionsprozesses bekanntwurde, dass sich der Samsung-Chef, Lee Kun-Hee, über mehr als 1.000 Strohmänner größere Brocken vom Erbe des 1987 verstorbenen Vaters unter den Nagel gerissen hat - mehr als ihm zustünde. Herzstück sind Anteile an der 1963 gegründeten Lebensversicherung Samsung Life, denn in dem komplizierten Firmengeflecht kontrolliert derjenige den Konzern, der auch die Versicherung kontrolliert.
Lee Kun-Hee musste im Zuge des Skandals zum zweiten Mal nach 1996 kurzzeitig den Chefposten räumen, wurde jedoch 2009 vom Präsidenten Lee Myung Bak persönlich rehabilitiert und kehrte 2010 wieder an die Konzernspitze zurück. Doch innerhalb der Familie gärte es. Vor allem der älteste Bruder, Lee Maeng-Hee, witterte die Chance auf späte Rache. Der 80-Jährige zog gemeinsam mit einer Schwester und anderen Familienmitgliedern im Februar vor Gericht und klagte Anteile im Wert von rund 850 Millionen Dollar ein - und zwar genau jene Anteil der Samsung Lebensversicherung, die ihm die Macht zurückgeben würden, die er 1967 an seinen jüngeren Bruder verloren hatte.
Späte Rache des ältesten Bruders
Laut koreanischer Tradition übergibt der Vater immer an den ältesten Sohn. Doch Lee Maeng-Hee zeigte kaum Führungsqualitäten, und als er seinem Vater auch noch in den Rücken fiel, sah sich dieser gezwungen, mit den Regeln zu brechen und 1976 seinen drittältesten Sohn die Geschicke in die Hand zu legen. Wie sich herausstellte, eine gute Entscheidung, denn Lee Kun-Hee machte aus Samsung den weltgrößten Handy- und TV-Produzenten, der selbst Sony und Apple in den Schatten stellt. Dank der Handysparte erzielte Samsung im dritten Quartal 2012 erneut einen Rekordgewinn von 6,6 Billionen Won (4,6 Mrd. Euro).

AP/Yonhap
Lee Byung-Chul gründete 1938 Samsung. Er hatte drei Söhne und fünf Töchter - ein weiterer Sohn stammt aus einer außerehelichen Beziehung.
Lee Maeng-Hee übernahm stattdessen die Leitung des Lebensmittelkonzerns Cheil Jedang, den er zum großen Mischkonzern CJ Group ausbaute. Seit der Übergabe an seinen Sohn Lee Jae-Hyung lebt er zurückgezogen auf seinem Alterssitz in China. Das Verhältnis zu seiner Familie blieb bis zum heutigen Tage belastet. Dass er den Rauswurf aus dem Unternehmen nie ganz verwunden hat, verrät ein Satz in seinen Memoiren: „Der Schock sitzt immer noch tief.“
Umso mehr überrascht es, dass Lee Maeng-Hee bei seinem Feldzug gegen den mächtigen Bruder nun Unterstützung aus dem engsten Familienkreis erfährt. Ein Grund ist sicherlich, dass mittlerweile die nächste Generation in die vordersten Reihen drängt - und sich dadurch die Frage nach der „wahren“ Familienlinie wieder aufdrängt. Denn auch wenn der älteste Sohn nicht den Ansprüchen des Vaters genügte, könnte dann nicht der Enkel den Faden wieder aufgreifen und die Linie fortsetzen? Das will Lee Kun-Hee naturgemäß verhindern.
Streit um die „echte Familienlinie“
Mit seinen 70 Jahren hält der Samsung-Chef zwar nach wie vor die Fäden fest in der Hand, doch Anfang Dezember ernannte er seinen einzigen Sohn, den 44-jährigen Lee Jae-Yong, zum Vizevorsitzenden. Aber auch sein Neffe Lee Jae-Hyun, Chef der CJ Group, erhebt Ansprüche auf die Führung des Gesamtkonzerns. Ein Versuch Lee Kun-Hees, seine Geschwister zu einem schriftlichen Verzicht auf die Erbfolge zu bewegen, scheiterte. Mittlerweile bemerken Beobachter immer mehr Zeichen für das interne Zerwürfnis.

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Der mögliche Samsung-Erbe Lee Jae-Yong gilt als sehr öffentlichkeitsscheu
So erschien im letzten Jahr der Neffe Lee Jae Yong mit einer Videokamera bewaffnet auf dem Friedhof und filmte die Anwesenden bei der Ahnenfeier. Auch fand das Festessen erstmals nicht im ehemaligen Haus von Samsung-Gründer Lee Byung-Chul und heutigem Sitz von Lee Kun-Hee statt, sondern in einem Komplex der CJ Group. Kenner des Clans sprechen längst von einem „Nervenkrieg“ und orten ein Kippen der Stimmung zugunsten der Linie des ältesten Sohnes.
„Ich zahle keinen Cent“
Im April ließ Lee Maeng-Hee über seine Anwälte ausrichten, dass die „Gier seines Bruders“ der Grund für seine Klage sei, und auch andere Geschwister äußerten sich ähnlich. „Die größte Gefahr für die Führung des Samsung-Konzerns ist Lee Kun Hee selbst“, sagte Chae Yi Bayi, Wissenschaftler am Center für Good Corporate Governance in Seoul gegenüber dem Magazin „Business Week“. Lee Kun-Hee sah sich gezwungen, in einer seiner seltenen öffentlichen Stellungnahmen darauf zu reagieren. Und die fiel überraschend harsch aus.
„Ich denke nicht daran, nur einen Cent zu zahlen“, erklärte der Samsung-Chef bei einem Journalistentermin in der Firmenzentrale. Dabei fand er ungewöhnlich offene Worte. Sein Bruder sei wegen Illoyalität von der Familie ausgeschlossen worden, spielte er darauf an, dass Lee Maeng-Hee in den 60er Jahren die Schwarzgeldkonten des Vaters im Ausland öffentlich gemacht hatte. Und seine Schwester sei zur Querulantin geworden, seit sie in die Keumsung-Familie eingeheiratet hat, die die LG Group kontrolliert.
„Seifenoper“ geht weiter
„Mein Bruder sagt selbst, er sei der älteste Sohn in der Familie, doch niemand, eingeschlossen mir, nimmt ihn als solchen war. Vielmehr habe ich ihn nie bei den Familientreffen zum Todestag meines Vaters gesehen“, sagte Lee Kun-Hee weiter und warf damit seinem Bruder die schlimmste Verfehlung vor, der man sich in der strengen konfuzianisch Gesellschaft Südkoreas schuldig mache kann, wo die Ehrerbietung der Eltern durch die Kinder besonders hoch gehalten wird. Später entschuldigte sich der Samsung-Chef für seine Worte.
Eine Gerichtsentscheidung wird frühestens im nächsten Jahr erwartet. Doch bis dahin wird die südkoreanische Bevölkerung wohl noch einige neue Kapitel der „Seifenoper“ rund um die Lees erleben. Doch wie immer die Entscheidung ausgeht, das Unternehmen wird auf jeden Fall in Familienhand bleiben - wenn auch die charismatischen Figuren derzeit noch nicht in Sicht sind.
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